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Produkte 3. Dezember 2019

Kunstraub in Dresden

Das Grüne Gewölbe in Dresden wurde in der vergangenen Woche Opfer eines brutalen Kunstraubes, bei dem wertvolle Kunstwerke entwendet wurden.

Am Morgen des 25. Novembers 2019 kam es zu einem spektakulären Kunstraub in Dresden: Unbekannte sind in das Grüne Gewölbe in Dresden eingebrochen, bedeutende Kunstwerke wurden geraubt. Prof. Dr. Daniel Zerbin, Professur Kriminalwissenschaften an der NBS Northern Business School, kommentiert das Geschehene:

Spektakulärer Kunstraub in Dresden

Am Montagmorgen des 25. Novembers 2019 wurde in Dresdens Schatzkammer Grünes Gewölbe eingebrochen. Die Tat dauerte nur wenige Minuten, und trotzdem wurden bedeutende Kunstwerke geraubt. Nach Angaben der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden seien eine Diamantgarnitur, eine Brilliantgarnitur und eine Diamant-Rauten-Garnitur entwendet worden. Die Kunstgegenstände sind von unschätzbarem Sachwert und stellen bedeutende Gegenstände des sächsischen Kulturerbes dar. Wenn die Täter nicht zeitnah ergriffen werden können, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Diamanten- und Brilliantengarnituren aus der Zeit August des Starken unwiederbringlich verloren sind.

Deutliches Muster beim Modus Operandi

Der Modus Operandi - also die Vorgehensweise - der Täter zeigt ein deutliches Muster. Ähnlich wie beim Überfall am 20. Dezember 2014 auf Juweliere im Luxusboulevard des Kaufhauses des Westens (Kadewe) oder dem Goldmünzen-Diebstahl am 27. März 2017 im Bode-Museum in Berlin gingen die Täter in Dresden professionell und äußerst brutal vor. Mit Hilfe von Äxten und durch Brandstiftung brachten sie sich in den Besitz der Kunstgegenstände und verwischten ihre Spuren. Bei den geschilderten Taten im Berliner Münzdiebstahl war die Organisierte Kriminalität in Form von Clan-Strukturen am Werk. Gelingt es, die Täter vor Gericht zu stellen, so werden sie in der Regel von hochkarätigen Anwälten verteidigt, das Diebesgut taucht nur teilweise oder gar nicht mehr auf, und die Hintermänner bleiben im Verborgenen. Ein lohnendes Geschäft!

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Der Fall in Dresden offenbart einen naiven Umgang mit dem Thema Sicherheit. Ein Sicherheitskonzept, das es zulässt, wertvollste Diamanten- und Brilliantgarnituren hinter schwach gesichertem Glas und durch Wachleute zu sichern, die nicht eingreifen können oder wollen, ist kein wirkliches Sicherheitskonzept! Wer Sicherheit nur durch die rosarote Brille der Philanthropie sehen möchte, muss die Auswirkungen dieser Perspektive akzeptieren. Neutralisationstechniken wie „100 Prozent Sicherheit gibt es nicht“ oder „alles ist mit dem LKA abgestimmt worden“, helfen da nur wenig. Die Kunstgegenstände sind weg und die mediale Aufmerksamkeit ist Werbung für Nachahmungstaten.

In Deutschland hat die Polizei das Gewalt-, aber nicht das Sicherheitsmonopol. Auch wenn die Polizei nach ihren Dienstvorschriften Präventionsarbeit zu leisten hat, so liegt ihr Schwerpunkt jedoch auf unmittelbarer Gefahrenabwehr und Strafverfolgung. Komplexe Sicherheitskonzepte unter Einsatz moderner Technik ist eine Aufgabe für Ingenieure und speziell ausgebildeten Sicherheitsmanager. Die Polizei für erfolgte Einbrüche in Museen verantwortlich zu machen, ist unfair und geht an der Realität vorbei. In einem kooperativen Staat teilen sich Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) mit anderen Akteuren, in dem beschrieben Fall dem Museum, die Aufgabe, für Schutz zu sorgen.

Schwachstelle Sicherheitspersonal

Der Raub in Dresden zeigt plakativ die Schwächen der deutschen Sicherheitsarchitektur, insbesondere hinsichtlich der Einbindung der privaten Sicherheit. Sicherheitskräfte werden als Mitarbeiter zweiter Klasse angesehen und schlecht bezahlt. Durch die hohe Fluktuation im Personalkörper der Sicherheitswirtschaft gelingt es der Organisierten Kriminalität leicht, Innentäter einzuschleusen, die wichtiges Fachwissen liefen, wie beim Münzdiebstahl im Bode-Museum geschehen.

Das Wachpersonal in Dresden war scheinbar überfordert oder im Handeln eingeschränkt. Statt die Einbrecher nach der erkannten Alarmierung von der Tat abzuhalten, sah man sich nur in der Lage, die „110“ zu wählen und auf die später eintreffende Polizei zu warten. Sicherheitspersonal mit Schusswaffen auszustatten, ist bei Geldtransporten, die nur einige tausend Euro absichern, gewohnte Praxis. Bei Wachleuten in Museen, die unschätzbare Kulturschätze zu schützen haben, ist jedoch gewollt, dass sie ohne Waffen und entsprechende Ausbildung auskommen. In den Kriminalwissenschaften ist bekannt, dass sich Täter schon durch geringe Störungen häufig von der Tat abbringen lassen. Gesellschaftlich akzeptierte Sicherheitskonzepte, die auf die alleinige Option „Deeskalieren“ setzen, können solch wirkungsvollere Möglichkeiten des Handels nicht einbeziehen. Im Zuge der Globalisierung wird es in Deutschland, wie der BKA-Präsident Ende November zu Recht anmerkte, ein quantitatives und qualitatives Anwachsen der Organisierten Kriminalität geben. Was ist die Antwort auf diese Entwicklung?

Um einen ausreichenden Schutz unserer Kunstschätze zu ermöglichen, ist ein Umdenken zwingend notwendig. Sicherheitsforschung muss praxisnaher ausgerichtet werden und muss Sicherheitsexperten mit einbinden, statt Millionen in „akademische Luftschlösser“ zu investieren. Die Führung von Kunst- und Kultureinrichtungen müssen sich ihrer Verantwortung in Bezug auf Sicherheit stärker bewusst werden. Der Einsatz von Sicherheitspersonal sollte nicht nur nach Quantität und nach monetären Maßstäben gestaltet werden. Exzellente Kunst braucht exzellente Sicherheitskonzepte und auch Sicherheitspersonal mit hohen Einsatzwerten.

Prof. Dr. Daniel Zerbin, Professur Kriminalwissenschaften an der NBS Northern Business School

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