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Land in Sicht?

Besonders vor der Küste Somalias wird es für Handelsschiffe gefährlich. Sicherheitsunternehmen, die zur Abwehr von Piratenangriffen eingesetzt werden, müssen daher spezielle Anforderungen erfüllen.

Die europäische Operation „Atalanta“ zur Piratenabwehr wurde auf das Küstengebiet ausgeweitet.
Die europäische Operation „Atalanta“ zur Piratenabwehr wurde auf das Küstengebiet ausgeweitet.

Unbeschadet der grundsätzlichen staatlichen Schutzpflicht müssen die Reeder selbst angemessene Maßnahmen ergreifen, um ihre Schiffe vor Piratenangriffen zu schützen. Das „Maritime Safety Committee“ (MSC) der Internationalen Schifffahrts-organisation (IMO) hat 2009 eine Vielzahl von Empfehlungen beschlossen. Vor allem wird den Reedern empfohlen, einen Notfallplan aufzustellen, die Wachmannschaft zu verstärken, wichtige Räume zu sichern, das Entern durch physische Barrieren zu erschweren und einen geschützten Raum für die Mannschaft einzurichten. Soweit sie ein Sicherheitsunternehmen mit der Abwehr von Piratenangriffen beauftragen wollen, erleichtern ihnen „Industry Guidelines for the Use of Private Maritime Security Contractors“ die Auswahl eines geeigneten Sicherheitsdienstleisters.

Rechtsbasis

Die Voraussetzungen für den Einsatz von privaten Sicherheitskräften auf Seeschiffen müssen gerade wegen der Einsatzrisiken und der Möglichkeit von Kontrollen und Eingriffen von Küstenstaaten klar geregelt sein. Maßgeblich für das an Bord des Seeschiffes geltende Recht ist nach Art. 92 des Seerechtsübereinkommens die Rechtsordnung des Flaggenstaates. Nach deutschem Recht können die privaten Einsatzkräfte nur auf der Grundlage der Jedermannsrechte tätig werden, also bei der Abwehr von Angriffen Notwehr- und Nothilferechte des Bürgerlichen Gesetzbuches in Anspruch nehmen. Sie unterstehen dem Kapitän, der nach § 106 SeemansG an Bord die Letztentscheidungsbefugnis hat. Das Völkerrecht steht der Abwehr von Piratenangriffen auch unter Einsatz von Schusswaffen nicht entgegen.

Zulässige Waffen

Angesichts der Gefährlichkeit der Piraten reicht aber das private Notwehrrecht allein nicht aus, um einen Angriff nachhaltig abzuwehren. Zu Recht fordert der Bundesverband der Deutschen Sicherheitswirtschaft (BDSW) vom Gesetzgeber die Beleihung der Einsatzkräfte mit bestimmten hoheitlichen Befugnissen, etwa entsprechend dem „Gesetz zur Ausübung unmittelbaren Zwanges und die Ausübung besonderer Befugnisse durch Soldaten der Bundeswehr und zivile Wachpersonen“ (UZwGBw) von 1965: Das dort in § 4 geregelte Recht zum Anhalten und zur Überprüfung von Personen im Verdachtsfall müssen die Einsatzkräfte gegenüber Personen haben, bei denen den Umständen nach anzunehmen ist, dass sie sich in Angriffsabsicht dem Schiff nähern.

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Die Einsatzkräfte brauchen die Befugnis, Angreifer und Angriffsverdächtige vorläufig festzunehmen. Dabei muss geregelt werden, welche Optionen zur Sicherstellung der Strafverfolgung beziehungsweise Verdachtsklärung durch hierfür befugte Stellen bestehen. Die Einsatzkräfte müssen die Befugnis bekommen, die vorläufig Festgenommenen zu fesseln und bis zur Übergabe an befugte Stellen (Strafverfolgungsorgane des eigenen Landes oder eines anderen Staates, der zur Strafverfolgung bereit und aufgrund internationaler Übereinkommen befugt ist) sicher zu verwahren (wie §§ 10, 14 UZwGBw).

Ebenfalls ausdrücklich geregelt werden sollte die Zulässigkeit des Schusswaffengebrauchs, um den unmittelbar bevorstehenden Piratenangriff oder seine Fortsetzung zu verhindern, die Anhaltung, Durchsuchung oder vorläufige Festnahme von Angreifern und Angriffsverdächtigen durchzusetzen sowie um Fluchtversuche zu verhindern und Geflohene zu ergreifen (entsprechend § 15 UZwGBw).

Dabei sollte auch geregelt werden, welche Schusswaffen eingesetzt werden dürfen. Das deutsche Waffengesetz (WaffG) enthält keinen Katalog von Waffen, die durch Beschäftigte von Sicherheitsunternehmen verwendet werden können. Zu beachten sind aber die Waffenverbote nach Anlage 2, Abschnitt 1 WaffG. Verboten sind danach insbesondere vollautomatische Schusswaffen. So stehen Maschinenpistolen und Maschinengewehre ebenso wie tragbare Panzerabwehrwaffen in der Kriegswaffenliste zum Kriegswaffenkontrollgesetz (Abschnitt V Nr. 29a,b, Abschnitt VI Nr. 37). Angesichts der Hochrüstung der Piraten muss bezweifelt werden, dass die Ausstattung mit halbautomatischen tragbaren Schusswaffen die Verteidigungsfähigkeit in jedem Falle gewährleistet. Zur effektiven Piratenabwehr erforderlich sind Waffen mit ausreichender Schussdistanz und Zielgenauigkeit, zumal die Piraten mit Sturmgewehren und Raketenwerfern ausgerüstet sind.

Selbstverständlich stehen alle diese Zwangsmaßnahmen unter dem Vorbehalt des Verfassungsgrundsatzes der Verhältnismäßigkeit (wie § 12 UZwGBW). Und selbstverständlich darf das eigentliche Ziel des Schusswaffengebrauchs nicht die Tötung der Angreifer, sondern muss ihre Angriffsunfähigkeit sein.

Der Gesetzentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) für ein Gesetz zur Zulassung von Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen sieht den Erlass einer Rechtsverordnung vor, in der auch der Umfang der Befugnisse im Einzelfall zu regeln ist (§ 31 Abs. 2 Nr. 3 des Entwurfs).

Zuverlässigkeit erforderlich

Hauptzweck des Gesetzes ist die Einführung einer Zulassung des Sicherheitsunternehmens für die Wahrnehmung von Bewachungsaufgaben auf Seeschiffen. Die Notwendigkeit einer solchen Zulassung ergibt sich aus den hohen Anforderungen, die ein solcher Einsatz auf hoher See, wo im Notfall – anders als im Binnenland – nicht mit der schnellen, rechtzeitigen Unterstützung von hoheitlichen Kräften gerechnet werden kann, an die Einsatzkräfte stellt.

Die Liste der zugelassenen Sicherheitsunternehmen wird nach dem Gesetzentwurf auf der Webseite des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen veröffentlicht, so dass sich Reeder jederzeit über die zugelassenen Unternehmen informieren können.

Im einzelnen sind folgende Zulassungsvoraussetzungen vorgesehen: Das Sicherheitsunternehmen muss Maßnahmen nachweisen, mit denen es sicherstellt, dass nur Personen zum Einsatz kommen, die über die erforderlichen Fähigkeiten und Fachkenntnisse verfügen. Dazu gehören nautische, maritime und technische Kenntnisse, das Erkennen und sachlich fundierte Bewerten einer Gefahrensituation, Deeskalationstechniken ebenso wie der fachgerechte Umgang mit und Einsatz der zur Verfügung stehenden Waffen sowie Kenntnisse der Brandbekämpfung.

Dieser Nachweis muss nicht durch förmliche Prüfungen wie etwa den im Gewerberecht geregelten Sachkundenachweis erbracht werden, wohl aber durch eine alle Anforderungen umfassende Ausbildung der einzusetzenden Kräfte. Es ist sicher zu empfehlen, die Bundespolizei und die Bundesmarine um Unterstützung einer solchen Ausbildung zu bitten, damit auch die im Rahmen der Mission Atalanta gewonnenen Erfahrungen den Einsatzkräften vermittelt werden. Die Bundespolizei wird die Einsatzkonzeption überprüfen und die Bewertung dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle zuleiten.

Nachzuweisen vom Antragsteller ist die persönliche Geeignetheit und Zuverlässigkeit der einzusetzenden Kräfte. Dazu gehört, dass sie sowohl physisch wie psychisch ihren Aufgaben der Prävention und Motivation der Schiffsbesatzung gewachsen sind und sich in der konkreten Bedrohungssituation und im Angriffsfall ebenso wie bei einer etwaigen Gefangennahme durch Piraten besonnen und klug verhalten.

Nachzuweisen ist ferner, dass die Geschäftsführung des Sicherheitsunternehmens, die mit der Leitung des Betriebs oder der zuständigen Zweigniederlassung beauftragte Person, persönlich geeignet und zuverlässig ist, um die sachlich gebotene Auswahl, Ausbildung und Ausstattung der Einsatzkräfte und ihre Betreuung „aus der Ferne“ während des Einsatzes zu garantieren.

Einzelheiten über die an die Einsatzkräfte zu stellende Anforderungen und über die Pflichten des Sicherheitsunternehmens bei der Auswahl und Einweisung der Einsatzkräfte zur Erstellung eines Einsatzprotokolls und von Einsatzberichten zur Benachrichtigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle über den Wechsel in der Leitung des Betriebes, der betrieblichen Organisation und der Verfahrensabläufe sollen in der Rechtsverordnung des BMWi geregelt werden. Nachweisen muss das Sicherheitsunternehmen schließlich eine ausreichende Haftpflichtversicherung.

Ministerialdirektor a.D. Reinhard Rupprecht ist freier Sicherheitsberater

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