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Logistik: Impfstoff sicher transportieren

Seit Ausbruch der Coronapandemie ist die Logistikbranche besonders gefordert. Schutzausrüstung und Impfstoff müssen sicher transportiert werden.

Logistikunternehmen wie Kühne+Nagel sind auf den Transport und die Lagerung sensibler Impfstoffe vorbereitet.
Logistikunternehmen wie Kühne+Nagel sind auf den Transport und die Lagerung sensibler Impfstoffe vorbereitet.

Vom Aufrechterhalten der Grundversorgung bis über die Belieferung mit Schutzausrüstung und Impfstoffen - Logistikunternehmen müssen sich schnell auf neue Situationen einstellen. Auch ein volles Warenregal im Supermarkt oder die pünktliche Zustellung von Sendungen – beides setzt eine gut funktionierende Lieferkette und Logistik voraus. Mit Ausbruch der Coronapandemie 2020 war auch diese Branche, die zu den Kritischen Infrastrukturen zählt, von den Auswirkungen nicht verschont geblieben. Ausfälle bei den Mitarbeitern, vor allem den Fahrern, und Verzögerungen beim grenzüberschreitenden Warenverkehr haben teils zu erheblichen Engpässen gesorgt.

Neben dem personellen und organisatorischen Aufwand sind durch die Bereitstellung der Impfstoffe neue Herausforderungen entstanden, was sowohl die Verteilung und Belieferung von Impfstandorten angeht als auch die technische Ausstattung der Transportmittel betrifft. Dabei ist der Umgang mit pharmazeutischen Produkten kein Novum für die Branche. „Die Logistikbranche hat im Rahmen der Kontraktlogistik heute bereits vielfältige Aufgaben rund um Leistungen wie individuelle Lagerung und Transport als Teil komplexer Prozesse auch in der Pharmabranche reichlich Erfahrung sammeln können“, so Niels Beuck, Geschäftsführer vom DSLV Bundesverband Spedition und Logistik e. V.

Globale Herausforderung an die Logistik

In der Pharmazeutischen Industrie kommen die Leitlinien für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln (2013/C 68/01) – Guidelines on Good Distribution Practice of Medicinal Products for Human Use (GDP) zur Anwendung. Die GDP reglementieren Logistik- und Transportdienstleistungen in der Pharmabranche, insbesondere die Überwachung und Dokumentation von Transport und Lagerung. Die Leitlinien sollen den sicheren, manipulationsfreien Transport und die lückenlose Überwachung pharmazeutischer Produkte gewähren. Dazu gehört nicht nur die notwendige technische Ausstattung wie eine entsprechend notwendige Kühlung währen der Lagerung und des Transports, sondern auch der Nachweis, dass die Liefer- und Kühlkette unterbrechungsfrei intakt gewesen ist. Auch wenn die Logistikbranche reichlich Erfahrung im Umgang mit Medizinprodukten hat, so ist gerade die Verteilung der Impfstoffe ein globales Problem, bei dem eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen sind. Im Fall Covid-19-Impfstoffen werden an bestimmte Medikamente besonders strenge Temperaturanforderungen von bis zu -60°C gestellt, um ihre Wirksamkeit während des Transports und der Lagerung zu erhalten. Dies bedeutet laut einer Studie von DHL für bestehende medizinische Versorgungsketten ganz neue logistische Herausforderungen, da in der Regel die Verteilung von Impfstoffen bei einer Temperatur von circa zwei bis acht Grad Celsius erfolgt. Überhaupt bedeutet die Nachfrage an Covid-19 Impfstoffen, dass große Mengen in möglichst kurzer Zeit distribuiert werden müssen. Laut Berechnungen von DHL sind hier zu weltweit 200.000 Paletten-Transporte, 15 Millionen Lieferungen in Kühlboxen sowie 15.000 Flüge notwendig. Das Logistikunternehmen Kühne+Nagel, das die Logistik des Impfstoffherstellers Moderna übernommen hat, rechnet mit bis 15 Milliarden Covid-19-Impfdosen, die global verteilt werden müssen, im Vergleich zu 600 Millionen Grippeimpfdosen während einer Grippeschutzimpfung.

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Nationale Verteilung bis ins kleinste Detail geplant

Der Transport der Impfstoffe von den Herstellern bis zu einem Zwischenlager ist nur der erste Schritt. Danach kommt die die Verteilung an die rund 440 Impfzentren und zusätzliche medizinische Einrichtungen. Die Impfzentren müssen so angelegt sein, dass sie logistisch, aber auch für die Bevölkerung gut zu erreichen sind, es kommt also auch auf die Infrastruktur vor Ort an. Was die Organisation in den Impfzentren selbst betrifft, ist eine genaue Planung ebenso wichtig, denn die hier anfallenden logistischen Aufgaben sind nicht zu unterschätzen. Die Impfstoffe müssen entsprechend vor Ort gelagert werden können, einschließlich der notwendigen Kühlung, je nach Impfstoff von 2-8°C bis hin zu -60°C. „Gerade die Bereitstellung der erforderlichen Kühlkapazitäten war anfangs eine Herausforderung, trotz einer relativ frühen Einbeziehung in die Planung der Impfzentren seitens des Landes“, erklärt Doreen Kuss, Ordnungs- und Gesundheitsdezernentin des Rhein-Neckar-Kreises. Ein Impfzentrum ist daher logistisch eng in den Gesamtprozess eingebunden. Impfmittelbestände unterliegen einem Monitoring, angefangen von den vorgehaltenen Mengen bis zur lückenlosen Wahrung der Kühlzustände. Ebenso ist der Personaleinsatz zu koordinieren, insbesondere die Personen, die Zugang zu den Impfstoffen haben und die deren Annahme durch ein Transportunternehmen abwickeln. „Das ist ein eng umrissener Personenkreis“, so Kuss. Zu dem gesamten Prozess gehören aber nicht nur die Impfstoffe, sondern auch das gesamte Zubehör wie Spritzen, Kanülen und die persönliche Schutzausrüstung – all dies muss ebenfalls zeitgenau in ausreichender Quantität vorhanden sein.

Schutz von Impfzentren durch private Sicherheitsunternehmen
Private Sicherheitsunternehmen stehen bereit, um Impfzentren zu schützen.

Kein Sicherheitsrisiko für den Impfstoff

Tagtäglich werden von Logistikunternehmen Waren in Milliardenhöhe transportiert. Insofern spielt das Thema Sicherheit schon immer je nach Transportgut eine wichtige Rolle. Bei einem aktuell noch vergleichsweise knappen Produkt wie einen Impfstoff haben Logistiker und Behörden von Anfang an die Sicherheit im Fokus gehabt. Teilweise werden Transporte polizeilich begleitet, je nach Ziel werden die Impfstoffe in Bundeswehreinrichtungen zwischengelagert. Die Fahrzeuge selbst sind mit Trackinggeräten ausgestattet und mit zwei Fahrern besetzt, damit im Falle eines Stopps das Fahrzeug nie unbeaufsichtigt ist oder längere, durchgehende Fahrten möglich sind. „Die meisten Transporte erfolgen mit Kleintransportern (kleiner als 3,5 t). Sollte ein Aufenthalt wider Erwarten notwendig sein, nutzt man Parkplätze, die über bestimmte Sicherheitsstandards wie Umzäunung und Videoüberwachung verfügen“, so Beuck, wie zum Beispiel der Autohof Uhrsleben, wo jedes Fahrzeug bei der Einfahrt registriert und plombiert wird und 32 Kameras den Autohof überwachen.

Ein anderes Sicherheitsrisiko, das bedacht werden muss, sind Hackerangriffe, die die Ausspähung von Lieferketten und Impfstoffdaten zum Ziel haben. Ende letzten Jahres wurde bekannt, dass die Europäische Arzneimittelbehörde Opfer eines Hackerangriffs geworden war. Ferner gibt es Phishing-Angriffe auf Führungskräfte von Unternehmen und Organisationen, die an der Verteilung der Impfstoffe beteiligt sind. Ziel der Angreifer ist es, Informationen über die Impfstoffe, über deren Verteilungswege und Empfängerpersonen zu erhalten. Gesichert sind auch die Impfzentren selbst. Ein Sicherheitsdienst ist rund um die Uhr im Einsatz, die Polizei unterstützt.

Nationale Kapazitäten sind gefordert

Die Pandemie hat die Abhängigkeit von Lieferketten deutlich zutage gefördert. Gerade beim Thema Schutzausrüstung hat sich anfangs gezeigt, wie schwierig es ist, innerhalb kurzer Zeit quantitativ (und auch qualitativ) große Mengen an Ausrüstung zu beschaffen, da Vieles aus dem Ausland importiert werden musste und die Bestellungen quasi auf einem globalen Maßstab gleichzeitig eingingen. Daher hatte die Bundesregierung bereits im Sommer 2020 verkündet, den Aufbau einer „Nationalen Reserve Gesundheitsschutz“ (NRGS) zu beginnen. In einer ersten Phase soll die Nationale Reserve kurzfristig mit dem – sofern vorhandenen – überschüssigen Bestand an Schutzausrüstung aufgebaut werden. In einer zweiten Phase soll mittelfristig die Nationale Reserve auch mit Schutzausrüstung aus nationaler Produktion befüllt werden, während in einer dritten Phase (ab 2022) dies dann weitestgehend durch inländische Produktion abgedeckt sein soll. Bis Ende Januar 2021 konnten beispielsweise so fast 100.000 Masken-Hilfspakete an etwa 17.000 stationäre und rund 16.000 ambulante Pflegeeinrichtungen verschickt werden. Die NRGS sieht derzeit eine Verfügbarkeit einer sechsmonatigen Bedarfsmenge vor, wovon der Bedarf für einen Monat physisch vorgehalten werden soll.

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Alle mit Impfstoffen beschäftigten Einrichtungen brauchen dringend starke IT-Sicherheitstechnologien, um sich vor Hacker-Angriffen zu schützen.

Lieferketten müssen resilienter werden

Die Pandemie hat große Auswirkungen auf die Logistikbranche, und das nicht nur, was den Transport und die Verteilung der Impfstoffe betrifft. Corona hat stellenweise Lieferketten unterbrochen oder verzögert, entweder durch den Ausfall von Mitarbeitern oder wegen grenzüberschreitender Probleme bei der Güterabfertigung. Der Ausbau nachhaltiger Lieferketten beschäftigt zunehmend Unternehmen, die von einer Unterbrechung oder Verzögerung betroffen waren. In einem industriellen Umfeld, bei dem Time-To-Market-Aspekte eine zentrale Rolle einnehmen, spielt die Verfügbarkeit von Produktionsgütern weltweit eine äußerst wichtige Rolle, wie das Thema Schutzausrüstung gezeigt hat. Die Impfstoffverteilung hat global gesehen gerade erst richtig begonnen, die Herausforderung wird vorerst bleiben, eine entsprechende Infrastruktur weiter aufzubauen und zu unterhalten. Unternehmen wie Siemens bieten Lösungen für die Logistikbranche an, mit deren Hilfe sich Auswirklungen auf die Supply-Chain bei der Impfstoffverteilung prüfen lassen. Bereit stehen dafür etwa Simulationswerkzeuge wie der „Digitale Zwilling“ oder die „Supply Chain Suite“. Beide ermöglichen den holistischen, datenbasierten Blick auf die Lieferkette mit dem Ziel, Szenarien im Verlauf der Versorgungsprozesse zu simulieren. Das Ziel muss es insgesamt sein, die Logistik für alles, was für die Bekämpfung der Pandemie benötigt wird, reibungslos am Laufen zu halten und dort, wo nötig, zu optimieren. Gleichzeitig ist der Aufbau nationaler Kapazitäten in bestimmten Feldern sinnvoll, um längere Lieferketten zu vermeiden oder zu überbrücken.

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