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Lohnende Investition

Ethik in der Wirtschaft – ein Paradoxon? Mitnichten, die Zeiten sind vorbei, in denen wenig zimperliche, unsensible Topmanager in den Führungsetagen dominierten. PROTECTOR sprach mit Dipl.-Kfm. Christoph Dyckerhoff, geschäftsführender Partner einer renommierten Personalberatung, über ethisch handelnde Führungspersönlichkeiten, die an positiven Werten orientiert sind.
Ethische Grundsätze sind unverzichtbar, um einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen.
Ethische Grundsätze sind unverzichtbar, um einen gesellschaftlichen Konsens zu erreichen.

PROTECTOR: Verantwortungs-volles, faires Handeln auf der Führungsebene, um moralische Normen und Ideale mit den Sachzwängen des modernen Wirtschaftens in Einklang zu bringen – weshalb ist das so wichtig?

Christoph Dyckerhoff: Ein Unternehmen steht und fällt mit den Persönlichkeiten an der Spitze. Daran hat sich im Laufe der Zeiten nichts geändert. Nicht umsonst heißt es in einem alten Sprichwort „Der Fisch stinkt vom Kopfe her“. Eine überzeugende, authentische, an Werten orientierte Persönlichkeit strahlt positive Signale aus. Sie wirkt unmittelbar auf die Marktstellung, die Nachhaltigkeit und die Reputation eines Unternehmens, fördert aber auch das interne Klima und damit die Leistungsbereitschaft.

Dennoch wird tagtäglich von Skandalen berichtet. Leben wir in unethischen Zeiten?

Nein, Ethik hat nach wie vor einen hohen Stellenwert. Vielmehr ist es so, dass sich heute, im Zeitalter der Medien, gravierendes Fehlverhalten kaum noch verheimlichen lässt. Vieles kommt ans Licht der Öffentlichkeit, was vor Jahrzehnten noch unter den Teppich gekehrt worden wäre. Dadurch entsteht subjektiv der Eindruck, es gebe heute mehr Skandale als früher.

Sie suchen für Ihre Klienten Topmanager nach fachlichen und nach charakterlichen und ethischen Kriterien aus. In welchen Bereichen sind solche Führungskräfte gefragt?

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Zurzeit vor allem in Familienunternehmen. Solche Unternehmen können und wollen keine unsensiblen, überehrgeizigen Führungskräfte integrieren, die nur den kurzfristigen Erfolg im Auge haben und die Mitarbeiter gegen das Unternehmen aufbringen.

Doch auch in größeren Unternehmen setzt sich zunehmend die Auffassung durch, auf Ethik nicht mehr verzichten zu können.

Sind ethisch geführte Unternehmen gleichzeitig auch sichere Unternehmen?

Aber ja. Wenn Topmanager ihre ganz besondere Verantwortung gegenüber dem Unternehmen, aber auch den Mitarbeitern gegenüber wahrnehmen, sind sie nicht nur im Sinne der Hierarchie Leitfiguren. Sie entfalten definitiv eine Vorbildfunktion. Die weit überwiegende Anzahl der Mitarbeiter orientiert sich an ihrem Handeln. Es heißt ja auch treffend: Wie oben, so unten.

Das Verhalten des Topmanagements wirkt somit auf das gesamte System. Glaubwürdige, ethisch verantwortungsvoll handelnde Führungskräfte geben eine generelle Richtung vor, die in Krisensituationen und Change-Prozessen eine große Rolle spielt. Ein Unternehmen, in dem sich der Einzelne fair behandelt und gut aufgehoben fühlt, wird sich nach meinen Erfahrungen gerade in schwierigen Zeiten besser behaupten. Ganz im Gegensatz zu Unternehmen, mit denen sich große Teile der Mitarbeiter nicht im Geringsten identifizieren.

Dient demnach Ethik auch der Zukunftssicherung von Unternehmen?

Durchaus. Es ist ja bekannt, dass heute Mitarbeiter bei Bewerbungen sehr viel kritischer das Standing des Unternehmens beleuchten, insbesondere auch unter CSR (Corporate Social Responsibility = gesellschaftliche Verantwortung des Unternehmens, Anmerkung der Redation)-Kriterien. Vor der Bewerbung wird oft überprüft: Wie steht das Unternehmen am Markt, welches Image hat es?

Die Mitarbeiter von heute tauschen sich in Foren oder durch Mundpropaganda über ihre Erfahrungen aus. Arbeitgeber mit zweifelhafter Reputation erhalten erfahrungsgemäß auch weniger attraktive Bewerbungen. Kritische Bewerber fragen heute nicht nur nach Umsatz- und Ertragszahlen im Unternehmen, sondern welche Produkte wo produziert werden und ob beispielsweise auch Umweltstandards eingehalten werden.

Und auch Verbraucher fragen heute, unter welchen Bedingungen Produkte produziert werden und ob das Unternehmen menschlich mit den Mitarbeitern umgeht.

„Die Gewinnung ethisch orientierter Spitzenkräfte stärkt die Unternehmen fundamental.“

Gibt es ein Beispiel dafür?

Da wäre die Textilbranche zu nennen. Nachdem bekannt wurde, dass Textilien in Sri Lanka unter menschenunwürdigen Umständen produziert werden, haben sich Handelshäuser wie Otto und Karstadt einem Kodex unterworfen, nur noch Produkte zu vertreiben, die besonderen Standards, auch nach ethischen Gesichtspunkten, entsprechen.

Wissen die Verbraucher das zu würdigen?

Unbedingt. Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit ist in den letzten Jahren immer mehr gestiegen. Es zählt beim mündigen Verbraucher nicht nur der Preis, sondern es zählt auch das gute Gefühl, mit der Kaufentscheidung verantwortlich gehandelt zu haben, auch unter Berücksichtigung sozialer, humaner Aspekte in den Ländern, in denen produziert wird. Keiner will sich nachsagen lassen, dass an den Jeans, die ich trage, noch Blut von Betroffenen klebt.

Woran liegt es, dass es dennoch zu unternehmerischem Fehlverhalten in Bezug auf Ethik kommt?

Eine der Ursachen kann sein, dass ethische Grundsätze nicht vorgelebt werden. Oft wird Ethik nicht verinnerlicht, dann kommt das auch nur halbherzig beim Mitarbeiter an. Das ist der größte Fehler, den ein Unternehmen machen kann. Dieses mangelnde ethische Bewusstsein überträgt sich dann auf alle Bereiche.

Gibt es plakative Beispiele für ethisch und unethisch handelnde Unternehmen?

Als Negativbeispiel fällt mir ad hoc die Schlecker-Gruppe ein. Hier wurde systematisch ein Klima des Misstrauens aufgebaut, durch unverantwortliches Handeln an der Unternehmensspitze. Das hat der Verbraucher sofort „spitz bekommen“, dass in diesem Unternehmen etwas nicht stimmte, und er hat seine Konsequenzen gezogen.

Ein positives Gegenbeispiel stellt beispielsweise die Bielefelder Goldbeck- Gruppe dar, ein europaweit tätiger Baudienstleister mit rund 3.300 Mitarbeitern. Kennzeichnend für diese Unternehmensgruppe ist eine stark ausgeprägte Unternehmenskultur nach innen, die auch nach außen hin abstrahlt. Die Mitarbeiter stehen im Mittelpunkt und erfahren größtmögliche Förderung. Es herrscht ein Klima des Vertrauens, in dem auf der anderen Seite auch Leistung eingefordert werden kann. Die Fachkräftegewinnung stellt vor diesem Hintergrund kein besonderes Problem dar, trotz der demografischen Entwicklung.

Zu guter Letzt: wie überprüfen Sie, ob eine Führungskraft ethisch orientiert ist?

Zu den Fragen, die meine Mitarbeiter und ich den Bewerbern stellen, gehört beispielsweise: Wovon hängt aus Ihrer Sicht Erfolg ab? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Die Antwort zeigt: Wie steht der Bewerber zu den Dingen, die er tut? Wie sieht er seine Eigenverantwortung? Und ganz wichtig: Ist er zu Selbstreflekion in der Lage? Die Körpersprache zeigt, ob innere Überzeugung oder bloße Show im Vordergrund steht.

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