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Moderne IP-Architekten

Teil 3

Für Gregor Schnitzler von Abus Security-Center ist das kein Widerspruch: „Natürlich ist praktisch kein größeres System ohne eine Managementsoftware zu steuern. Das steht aber nicht im Gegensatz zur Strategie, die Funktionen und die Rechenleistung in die Kameras auszulagern. Schließlich kann auch die Software und der PC, auf dem sie läuft, unterschiedlich leistungsfähig sein. Selbstverständlich gibt es unterschiedliche Lösungswege, aber es kommt immer darauf an, wie viel Rechenleistung in der Kamera und wie viel auf dem Server zur Verfügung steht.“

Einen weiteren übergeordneten Aspekt bringt René Kiefer von Siemens Building Technologies zur Sprache: „Was man hier auch bedenken muss, ist die so genannte Serviceability, also in wie weit denke ich beim Systemdesign schon an die Wartung und an die Service-Fähigkeit meines Systems? Welche Vorteile kann hier eine zentrale Administration haben? Und welchen Aufwand würde im Gegenzug eine Dezentralisierung von großen Teilbereichen verursachen? Das sind sicherlich Aspekte, die man bei einer Entscheidung bedenken muss, und bei denen ein zentrales System mit zunehmender Anlagengröße deutliche Vorteile gegenüber einem dezentralen System hat.“

„Im Grunde gibt es in jedem System Teilbereiche, die man besser zentral organisiert und es gibt Teile oder Funktionen, die man dezentralisiert. Das Verhältnis ist abhängig davon, wie die Anforderungen aussehen und welche Funktion man genau abbilden möchte. Reine dezentrale Systeme gibt es eigentlich nicht, denn man hat immer gewisse übergeordnete Funktionen, die man zentral ausführt. Es muss eine Kommunikation zwischen den verschiedenen Einheiten geben, sonst ist eine Administration undenkbar.“
Katharina Geutebrück, Geschäftsführerin, Geutebrück GmbH

„Heute hat so gut wie jede Kamera eine gewisse Eigenintelligenz, sei es in Form von Bewegungs-erkennung, Tempering oder Funktionen zur Bildverbesserung. Solche Dinge lagert man gern auf die Kamera aus, schon allein, weil man sie dort braucht. Das führt dazu, dass man fast immer eine Kombination aus Zentralität und Dezentralität hat, das Verhältnis hängt eben von der jeweiligen Anwendung ab.“
Frank Marcus Schille, Geschäftsführer, Schille Informationssysteme GmbH

Vor- und Nachteile

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Damit wäre bereits ein möglicher Vorzug von zentraler Technik genannt, aber auch dezentrale Lösungen haben ihre Vorteile, wie Franz-Josef Eberle von der Videor E. Hartig GmbH erklärt: „Ein positiver Aspekt ist sicherlich die Skalierbarkeit: Ein dezentrales System lässt sich relativ leicht erweitern, weil man einfach weitere IP-Kameras hinzufügen kann. Bei einem zentralen System kommt man je nach Größenordnung der Erweiterung um die Hinzunahme weiterer kostenintensiver Server nicht herum.“

Für Uwe Kühlewind gibt es einen weiteren bedenkenswerten Punkt: „Gerade die Verfügbarkeit ist natürlich mit einzubeziehen, wenn man über zentral oder dezentral redet. Durch eine dezentrale Intelligenz kann sie deutlich erhöht werden. Wenn nämlich ein Teil ausfällt, kann der Rest autonom weiterarbeiten. Das ist ein Prozess, den man in der Maschinenautomatisierung schon vor Jahren gegangen ist. Dort waren die Ziele der Auslagerung von Funktionen eine höhere Verfügbarkeit und eine einfachere Wartung, aber auch ein niedrigerer Preis. Man muss jedoch auch sagen, dass dies natürlich Grenzen hat und es immer Teilaspekte gibt, die zentral besser aufgehoben sind.“

Hier möchte Carsten Eckstein von der Seetec AG weiter differenzieren: „Wir müssen hier auch zwischen administrativen Aufgaben im System und der Speicherung von Daten unterscheiden. Das sind für mich zwei getrennte Aspekte. Die Verwaltung geschieht sinnvollerweise zentral, auch mit einer Redundanz in irgendeiner Form. Die Speicherung der Bilddaten erfolgt ab einer gewissen Systemgröße aber eher verteilt – nicht unbedingt auf die Kameras, aber beispielsweise auf mehreren abgesetzten NAS-Systemen.“

Zukunftspotenziale

Der sinnvolle Einsatz von dezentral agierenden Komponenten ist häufig, aber nicht immer, eine Frage der Anlagengröße. In erster Linie ist es eine Frage der Anforderungen der Endkunden und auch der Errichter, die vor Ort planen und installieren. In Sachen Funktionsvielfalt und Intelligenz in den Kameras ist jedenfalls noch einiges Potenzial vorhanden, das es unabhängig von der Architektur auszuschöpfen gilt. Das betrifft auch nützliche Funktionen bei der Installation, wie Thomas Kleesch findet: „Was bei Errichtern gut ankommt, sind Autofokus-Fernsteuerung, motorisierte Iris, automatische Tiefenschärfe-Optimierung und dergleichen.“

Frank Marcus Schille geht bereits einen Schritt weiter in Sachen Zukunftsvision: „Ein weiterer Punkt, wo die Dezentralisierung für mich reizvoll wäre, ist die Verwendung der Kamera als Applikationsplattform. Die Kamera hat heute schon eine Ebene, die mehr oder weniger herstellerunabhängig genutzt werden kann. Dadurch kann die Kamera Aufgaben übernehmen, die ich individuell anpassen kann. Ich denke, das wird in Richtung Apps gehen, wie wir sie schon von Smartphones her kennen. So kann man sein System individuell anpassen. Das ist eine Basis für die Zukunft.“ Aber auch dies wird eine gewisse zentrale Komponente nicht überflüssig machen, so dass die gängige Mischform und die heutige Koexistenz der beiden Lösungsansätze auch künftig erhalten bleibt. Dabei gilt die Devise: Erlaubt ist, was dem Kunden gefällt – und was funktioniert. Sei es nun überwiegend zentral oder dezentral ausgelegt.

Michael Gückel
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