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Korruptionsrisiko-Analyse 15. Februar 2012

Möglichen Missbrauch reduzieren

Die Baubranche gilt als eine der Branchen mit dem höchsten Risiko für Korruption. Der Gesamtschaden aufgrund von Wirtschaftsdelikten für die öffentliche Verwaltung in Deutschland wird laut einer aktuellen Studie von PwC zwei Milliarden Euro jährlich deutlich übersteigen.

Die Baubranche gilt als besonders korruptionsanfällig.
Die Baubranche gilt als besonders korruptionsanfällig.

Das Tiefbauamt der Landeshauptstadt Stuttgart (TBA) hat in Zusammenarbeit mit dem Rechnungs-prüfungsamt durch das Unternehmen TAF eine Korruptionsrisiko-analyse erstellen lassen, um die Risikosituation für die Bauprozesse besser einschätzen zu können. Das Tiefbauamt mit Eigenbetrieb Stadtentwässerung (TBA/SES) hat derzeit ungefähr 830 Beschäftigte, seine Hauptaufgaben sind die Sicherung der Lebensgrundlagen für die Bevölkerung Stuttgarts über den Bau und die Unterhaltung der Straßen und Stadtbahnstrecken, die Steuerung des Verkehrs und die Sicherung der städtischen Mobilität. Weiterhin gehören die Erstellung von Kanälen, die Reinigung des Abwassers von ungefähr 700.000 Menschen, der Bau von Geh- und Radwegen, Aufzügen und Unterführungen dazu. TBA mit SES bewirtschafteten 2010 für Unterhaltung und Investitionen zur Bewältigung dieser Aufgaben ungefähr 142 Millionen Euro.

Rahmenbedingungen

Die Vergaben von Bauprojekten von TBA/SES Stuttgart unterliegen unter anderem folgenden Rahmenbedingungen:

  • Hohe Anforderung an die Flexibilität aller Beteiligten und Entscheidungen aufgrund der Abhängigkeit von externen Rahmenbedingungen wie zum Beispiel Unbekannte im Baugrund, Dringlichkeit, Anforderungen von Außen, zum Beispiel politische Entscheidungen, Wetter.
  • Ein hoher Anteil an Bauplanung bis hin zur -betreuung wird an externe Architekten und Ingenieure übertragen. Dies ist die Folge ständiger Personalreduzierung und Übertragung von Amtsaufgaben auf externe Büros.
  • Zahlreiche Regelwerke verschiedenster beteiligter Behörden, Dienstleistungszentrum Bauvertragswesen, Rechnungsprüfungsamt, Tiefbauamt regulieren die Vergaben, Entscheidungen und Prozesse.
  • Zahlreiche Prozesse sind in den letzten Jahren im Zuge der Einführung eines Qualitätsmanagements beschrieben worden, weitere sind im Entstehen. Eine Funktionstrennung ist seit 2009 durch die Übernahme der Ausschreibungs- und Vergabeverfahren im neu entstandenen Dienstleistungszentrum eingeführt.

Die Korruptionsrisikoanalyse konzentrierte sich auf die TBA/SES-Bauprozesse Planung, Ausschreibung und Vergabe, Bauausführung, sowie den Unterstützungsprozess Rechnungsbearbeitung mit den jeweiligen Schnittstellen hauptsächlich zum Dienstleistungszentrum sowie zum Rechnungsprüfungsamt. Die möglichen Risiken in den relevanten Prozessen reichen von der Manipulation durch intern und/oder extern Beteiligte in allen Prozessstufen beginnend bei der Planung, über die Vergabe bis hin zur Durchführung von Bauprojekten.

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Funktionstrennung wichtig

Die Analyse der erhobenen Informationen erfolgte durch einen Abgleich der in den Prozessen identifizierten Einzelrisiken und den gegenüberstehenden Kontrollinstrumenten, die diese Risiken reduzieren. Diese Analyse zeigt auf, dass das Tiefbauamt Stuttgart in den letzten Jahren tiefgreifende Verbesserungen seines internen Kontrollsystems eingeführt hat. In allen untersuchten Prozessstufen existiert ein dichtes Netz an formalen und informellen Rahmenbedingungen, arbeitsorganisatorischen Instrumenten, Vorgehensweisen und umfangreiche Dokumentationen.

Nennenswert sind die Funktionstrennung mit dem Dienstleistungszentrum Bauvertragswesen sowie die Kontrollen der Vergaben durch das Rechnungsprüfungsamt. Dadurch werden umfassende Hürden aufgebaut, die im Falle weitreichenden betrügerischen Handelns nur schwer überwunden werden können. Nur bei intensiver Kenntnis des gesamten Prozesses, der Beteiligten und eventuell vorhandener Kontrollschwächen kann Missbrauch entstehen. Dies ist positiv, weil bedeutende korruptionsrelevante Prozessschritte wie Vergaben, wesentliche interne Kontrollinstrumente wie Funktionstrennung und Vier-Augen-Prinzip aufweisen. Hohe Risiken, wie zum Beispiel die Manipulation der Vergaben von großen Bauprojekten, ergänzt durch betrügerische Leistungsabrechnung in Höhe von mehreren hunderttausend Euro, werden dadurch weitgehend reduziert.

Informelle Vorgehensweisen bilden einen wesentlichen Bestandteil des internen Kontrollsystems der Bauprozesse. Das Risiko von informellen Vorgehensweisen ist aber, dass sie eben nicht verbindlich geregelt und deshalb flexibel handhabbar sind. Verstöße können nicht festgestellt und geahndet werden, da keine verbindlichen Regeln zugrunde liegen. Das Kontrollinstrument Vier- und Mehr-Augen-Prinzip leidet häufig darunter, dass es von einem tatsächlichen Kontroll- zu einem bloßen Mitzeichnungsinstrument wird. Die Gründe dafür sind Kapazitätsengpässe, umfangreiche Vorhaben, die man in kurzer Zeit im Detail nicht überprüfen kann. Dieses Instrument kann deshalb zu einer trügerischen Sicherheit führen.

Externe im Einsatz

Wie in vielen städtischen Ämtern wird auch im Tiefbauamt aufgrund von Personalreduzierung die Betreuung von Bauprojekten häufig an externe Architekten- und Ingenieurbüros vergeben. Damit wird auch die Kontrolle der Bauprojekte und somit der Mittelbewirtschaftung weitgehend nach Außen verlagert. Die Ämter werden dadurch nicht nur entlastet, sie benötigen vielmehr ausreichend Kapazitäten, um diese Arbeiten angemessen kontrollieren zu können. Wird dies nicht berücksichtigt, birgt die umfangreiche Verlagerung der Baudurchführung und -betreuung nach Außen ein nicht einschätzbares Risikopotenzial.

Korruptionsrisiken können durch interne Kontrollinstrumente wie Aufgabentrennung, zum Beispiel im Vergabeprozess, oder das Vier-Augen-Prinzip, also die Freigabe und Unterschrift unter wesentliche Vorgänge durch mindestens zwei Personen, reduziert werden. Allerdings gelingt es selten, alle Risiken durch interne Kontrollen abzufangen und vollständig zu reduzieren. Präventive Maßnahmen wie Richtlinien, Selbstverpflichtungen oder Systemkontrollen sind nicht ausreichend für die Betrugsbekämpfung. Es verbleiben Restrisiken, über deren Umfang und Akzeptanz durch die Leitung einer Organisation entschieden werden muss. Ein Mix an Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung bietet das höchste Potenzial für eine wirksame Betrugsbekämpfung.

Zusätzlich ist die Einführung eines stadtweiten Hinweisgebersystems zu empfehlen. Dadurch kann das Wissen im direkten Umfeld von Tätern kanalisiert werden und zur schnellen Aufdeckung von Korruption durch interne und externe Beteiligte führen. Dies leistet einen Beitrag zur schnellen Aufdeckung von Straftaten in allen Ämtern und reduziert dadurch das Potenzial für den Missbrauch öffentlicher Mittel.

Dr. Judith Brombacher / Elmar Schwager, The AuditFactory

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