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Produkte 21. April 2021

Museumsbesuch unter Coronabedingungen

Wie viele andere Branchen auch leiden Museen stark unter der Coronapandemie. Wie kann ein sicherer Museumsbesuch unter Coronabedingungen aussehen?

Ampellösungen können beim Museumsbesuch dazu beitragen, Besucherströme entsprechend zu lenken, sodass es keine Grüppchenbildung gibt.
Ampellösungen können beim Museumsbesuch dazu beitragen, Besucherströme entsprechend zu lenken, sodass es keine Grüppchenbildung gibt.

Das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben wird beinahe jeden Tag durch die Pandemie verändert und muss sich neuen Anforderungen stellen, was auch für Museen gilt, die Konzept dazu entwickeln, wie ein sicherer Museumsbesuch unter Coronabedingungen aussehen kann.

2019 gab es laut Statistischem Bundesamt 118,6 Mio. Kinobesucher, rund 111,7 Mio. Menschen strömten 2018 in Museen. 26,1 Mio. Besucher frequentierten in der Spielzeit 2017/2018 Theaterveranstaltungen, weitere 5,4 Mio. Aufführungen öffentlicher Konzert- und Theaterorchester. Diese Zahlen sind seit Beginn der Coronakrise naturgemäß stark eingebrochen, da es nur wenige Wochen im vergangenen Jahr gab, wo eine zeitweise Öffnung möglich war. Stand März 2021 ist eine schrittweise Öffnung der Museen und Bibliotheken vorgesehen, Veranstaltungen in Theatern, Opernhäusern, Konzerthäusern sowie Kinos sollen zeitgleich mit der Öffnung der Gastronomie ermöglicht werden. Viele Einrichtungen hatten bereits im ersten Lockdown an Konzepten und Maßnahmen gearbeitet, um für eine Wiederöffnung geeignete Hygienekonzepte vorzuhalten. Diese reichen von organisatorischen Maßnahmen bis hin zum Einsatz technischer Mittel wie Körpertemperaturscanner und digitale Lösungen.

AHA-Regeln für Museumsbesuch sind grundlegend

Bei allen Maßnahmen, die Museen und ähnliche Einrichtungen im Zuge vorsichtiger Öffnungsschritte umsetzen können, steht die Einhaltung der AHA-Regeln (Abstand halten, Hygiene beachten und im Alltag Maske tragen) nach wie vor an erster Stelle. Hinzu kommt die Pflicht zur Kontakterfassung. Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist allerdings vom konkreten Objekt oder Einrichtung abhängig. Das Technik Museum Speyer etwa umfasst mehr als 3.000 Ausstellungsstücke auf über 25.000 m2 Hallenfläche und 150.000 m2 Freigelände. Dementsprechend unterscheidet sich das Hygienekonzept in einigen Aspekten von anderen Museen ohne große Hallen und Außengelände. Besucher müssen sich online vorab anmelden, damit das zulässige Kontingent je Tag nicht überschritten wird. An einer Kasse vor Ort können Anmeldungen auch direkt getätigt werden, falls man dazu im Vorfeld die Möglichkeit nicht hatte und sofern das Kontingent dies zulässt – die Kontaktdatenerfassung erfolgt dann hier. Die Daten werden vier Wochen lang sicher aufbewahrt und anschließend geschreddert. In allen Gebäuden besteht Maskenpflicht, und es gibt überall Hinweise, die darauf und die Abstandregeln hinweisen. Die Ausstellungshallen unterliegen zudem einer Personenbegrenzung, die sich nach den begehbaren Flächen richtet. „Für die Liller Halle gilt eine Beschränkung von 400 Personen, in der Raumfahrthalle dürfen sich 770 Personen zeitgleich aufhalten“, erläutert Corinna Siegenthaler. Das Personal zählt mit einer App an den Ein- und Ausgängen, wie viele Personen sich jeweils in den Hallen aufhalten. „Mittelfristig arbeiten wir an einer Lösung mit Lichtschranke, automatischer Zählung und Display, sodass jeder sehen kann, wie viele Personen bereits drinnen sind und wie viele noch rein dürfen“, erklärt Siegenthaler. Die Zu- und Abgänge zu den Exponaten werden durch ein automatisches Ampelsystem geregelt. Daher kann es bei den Highlights wie Boeing 747, Buran, Antonov An-22, Seenotkreuzer John T. Essberger und das U-Boot U9 zu Wartezeiten oder begrenztem Zugang kommen. Zusätzlich gilt Maskenpflicht beim Begehen, während des Aufenthalts und beim Verlassen der Exponate.

Zudem gibt es die „klassischen“ Instrumente im Sinne der AHA-Regeln: Die Erhöhung der Reinigungsintervalle, eine regelmäßige Desinfektion von Türgriffen, Handläufen sowie das Aufstellen von Hygienestationen im Eingangsbereich, Markierungen und eine intelligente Wegeführung durch das Museum sollen helfen, Menschenansammlungen zu vermeiden. Das Personal achtet selbstverständlich auf die Einhaltung der Regeln.

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Auch gesonderte Events als Form des Regelbetriebs sind unter Auflagen je nach Infektionsgeschehen durchaus möglich, sie erfordern dabei mit den Behörden jeweils abgestimmte Konzepte. Beispiel das Cosplaywochenende im September 2020. Dort konnten an einem Wochenende Samstag und Sonntag jeweils bis zu 2.500 Personen gleichzeitig auf das Gelände. Auch hier musste man sich vorab anmelden, alternativ wurden die Kontaktdaten vor Ort erfasst. Da das Fotografieren von Kostümträgern mit im Mittelpunkt eines solchen Events steht, galt es hier besonders, auf die Abstandsregeln zu achten und Gruppenbildungen auch im Außenbereich zu vermeiden. Dies ließ sich in der Praxis sehr gut umsetzen, was nicht zuletzt auch an der Disziplin der Besucher lag.

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Gesundheits- und Kulturschutz sind kein Widerspruch

Alle Maßnahmen dienen in erster Linie dem Gesundheitsschutz. Aus den Folgen der Pandemie ergeben sich aber auch je nach Einrichtung zwingend Überlegungen für den „Betrieb“ im geschlossenen Zustand. Denn wegen der Pandemie sind in vielen Einrichtungen Mitarbeiter von Kurzarbeit betroffen oder krankheitsbedingt abwesend. Silk, der Sicherheitsleitfaden Kulturgut der Konferenz Nationaler Kultureinrichtungen KNK, beinhaltet aktuell auch Empfehlungen zum Schutz der Kulturgüter in Pandemiezeiten. Gerade im Falle eines Lockdowns (Phase 3), bei dem ein Großteil der Mitarbeiter nicht in der Einrichtung vor Ort ist, sollten wichtige Sicherheitsaspekte berücksichtigt werden. Regelmäßige Kontrollgänge an den Liegenschaftsgrenzen gehören ebenso dazu wie die Überwachung von Daten, die von Kontrollsystemen innerhalb des Gebäudes nach außerhalb übertragen werden.

Daneben gilt es, die Anlagentechnik im Blick zu haben (Klimatisierung) und verstärkt auf Anzeichen schädlicher Entwicklungen wie Schimmel zu achten. Der Versicherer Axa weist ferner darauf hin, dass die Hürden, einen Diebstahl zu begehen, derzeit aus mehreren Gründen deutlich geringer sind. Solange Museen und Galerien geschlossen sind, gibt es keine Besucher und möglicherweise sind auch weniger Mitarbeiter vor Ort.

In der gleichen Situation befinden sich andere Orte und Depots, die Sammlungen beherbergen. Alarmeinrichtungen sind besonders auf ihre Funktionstüchtigkeit zu prüfen, ebenso der Brandschutz, etwa Sprinklersysteme und verbundene Notstromaggregate. Und nicht vergessen werden dürfen Leihgaben an andere Einrichtungen, denn auch dort muss der Schutz der Exponate sichergestellt sein. Dies erfordert im Zweifel mehr Abstimmung und Kommunikation zwischen allen Verantwortlichen, die organisiert sein muss.

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Die Risiken unter Coronabedingungen besser verstehen lernen

Museen, insbesondere solche mit großen Flächen und Raumvolumen, können Konzepte in der Regel etwas einfacher umsetzen als solche mit kleinen Flächen oder Einrichtungen mit zusätzlichen Angeboten wie Veranstaltungen, Großleinwandkinos oder ähnliches.

Nach wie vor ist ein wichtiger Faktor bei den Hygienekonzepten, wie sich das Virus in einer ausgestoßenen Atemwolke verbreitet. Reicht bereits ein kurzer Kontakt mit einer infizierten Person, ist der Mindestabstand ausreichend oder könnte er auch geringer sein? Im Rahmen einer Studie des Dortmunder Konzerthauses haben Forscher des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts (HHI) in Zusammenarbeit mit der Firma Parteq, die auf Messtechnik spezialisiert ist, die Verbreitung von Aerosolen und CO2 in einem Konzertsaal in Dortmund untersucht. Ziel dieser und ähnlicher Studien ist es, experimentelle Daten zur Beurteilung einer möglichen Coronaansteckungsgefahr bei Konzertbesuchen zu gewinnen. „Bei den Versuchen emittiert ein Dummy („Oleg“) Aerosole und CO2 als Simulation von Atemluft. Ziel ist zum einen, die Verbreitung von Partikel wie dem Covid-Virus in der Umgebung zu messen, und zum anderen zu prüfen, ob es eine Korrelation zwischen ausgestoßenem CO2 und Aerosolen gibt“, erläutert Prof. Wolfgang Schade vom Fraunhofer HHI. Denn dies würde einfachere Messverfahren etwa von CO2-Gasen ermöglichen, da diese dann eine entsprechende angenommene Konzentration von Aerosolen beinhalten würde. Steigt die CO2-Konzentration über ein bestimmtes Maß, könnten über eine entsprechende Warnung Gegenmaßnahmen wie Durchlüften oder ähnliches rechtzeitig eingeleitet werden. „Die Ergebnisse der bisherigen Versuche zeigen dabei, dass in einem Konzertsaal der vertikalen Luftzufuhr eine besondere Bedeutung zukommt“, so Prof. Schade. Bereits eine vertikale Luftstromgeschwindigkeit von 0.05 m/s reicht aus, um Aerosole wirkungsvoll mit der Belüftungsanlage abzuleiten. Ebenso ergibt sich eine Korrelation zwischen der Höhe der CO2- und der Aerosol-Konzentration, wenn beide gleichzeitig vom Dummy emittiert werden, wie beim Versuch in Dortmund durchgeführt. Ein Infektionsrisiko ist demnach direkt mit dem Anteil der rückgeatmeten Luft verbunden. Folglich kann unter diesen Umständen die CO2-Überwachung im Publikum einer Konzerthalle, eines Theaters oder einer Räumlichkeit, wo viele Menschen beisammen stehen würden, als indirekter Marker zur Abschätzung des Covid-19-Infektionsrisikos dienen. Mit Zunahme des ausgestoßenen CO2 der Personen in einem Raum erhöht sich auch in Abhängigkeit von der Raumgröße die Zunahme von Aerosolen und damit Partikeln wie dem Virus. Entscheidend ist somit eine ausreichende Lüftung und Luftstroms, der die Partikel entsprechend verdünnt.

Die Veranstaltungs- und Kulturbranche leidet wie die Gastronomie und andere Bereiche stark unter den Folgen der Pandemie. Sofern es die Infektionslage zulässt und Öffnungen erlaubt sind, müssen sich die Verantwortlichen rechtzeitig Gedanken über geeignete Hygienekonzepte machen, um den Gesundheitsschutz sicherzustellen. Dabei kommt es fast immer auf den Einzelfall an, wie solche Lösungen aussehen können. Technische Hilfsmittel wie Apps zur Kontaktnachverfolgung, die automatische Zählung von Personen in Bereichen oder Zutrittslösungen in Verbindung mit Körpertemperaturmessungen können helfen, Kontrolle zu beschleunigen und Mitarbeiter zu entlasten. Forschungsergebnisse wie aus den Aerosol-Studien können Behörden helfen, Risiken besser einzuschätzen und die Verordnungen dahingehend abzustimmen, sodass möglichst alle von der Kombination aus Organisation, Technik und wissenschaftlichen Erkenntnissen profitieren können. 

Die Erfassung von Kontaktdaten zur Nachverfolgung ist ein Grundbestandteil von Hygienekonzepten unter Coronabedingungen.
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Der Dummy „atmet“ aus, die Konzentration von Partikeln wird durch feinste Messinstrumente festgehalten.
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