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Nächtliche Supertalente

Sicherheitsrelevante Details in Überwachungsbereichen von Videokameras müssen über die gesamte Tages- und Nachtzeit bei jedem Licht und Wetter deutlich erkennbar sein. Hier können lichtempfindliche Netzwerkkameras ihre Stärken ausspielen.

Ein Bild, an das man sich gewöhnen sollte: Nachtaufnahmen mit hoher Auflösung, genügend Helligkeit, in Farbe und ohne Bewegungsunschärfen. Neue technische Entwicklungen zur Restlichtverwertung machen diesen Fortschritt möglich.
Ein Bild, an das man sich gewöhnen sollte: Nachtaufnahmen mit hoher Auflösung, genügend Helligkeit, in Farbe und ohne Bewegungsunschärfen. Neue technische Entwicklungen zur Restlichtverwertung machen diesen Fortschritt möglich.

Professionelle Video-überwachungstechnik soll nach der Einsatzformel 24/7/365 im Zusammenwirken mit Gefahrenmelde- und Gefahren-abwehrtechnik sowie mit dem Sicherheits-personal ein Höchstmaß an Sicherheit mit vertretbarem Aufwand produzieren. Sicherheitsrelevante Details müssen quasi in Echtzeit auswertbar gewonnen und für später bestimmungsgemäß abrufbar und verwertbar gesichert werden können. Moderne, höchst lichtempfindliche IP-Kameras bieten sich hierfür als leistungsfähigere und finanzierbare Alternativen zu bisheriger analoger Kamera- und Aufzeichnungstechnik an.

Die jüngsten Generationen liefern dem Videomanagement dank neuester und wiederum leistungsfähigerer Sensorchips, Prozessortechnik sowie exakt darauf abgestimmter Bildverarbeitungs- und Bildauswertealgorithmen insbesondere bei äußerst geringem Umgebungslicht auch ohne zusätzliche IR-Beleuchtung und bei Gegenlicht scharfe, hochaufgelöste Farbbilder.

Zuvor stellte sich die Anwendungssituation von Tag-/Nacht-Kameras so dar: Unter durchschnittlichen Lichtverhältnissen arbeiteten die Kameras im Tag-Modus – es wurden Farbbilder geliefert. Fiel die Lichtstärke ab, wechselte die Kamera in den Nachtmodus – die Kameras wurden in den Schwarzweiß-Modus geschaltet und ein Infrarotsperrfilter ausgeschwenkt, sodass der infrarote Spektralbereich mit erfasst werden konnte. Vorteil: der zu überwachende Bereich konnte mit IR-Licht ausgeleuchtet werden, um die Bilddarstellung zu ermöglichen. Die Auswertemöglichkeiten dieser Schwarzweiß-Bilder waren jedoch stark eingeschränkt, da beispielsweise auch Detailinformationen wie das karierte Muster auf dem Hemd verschwinden können. Um die später folgenden Lichtstärken bewerten zu können, hier zwei Beispiele: Am Tag können Lichtstärken bis 100.000 Lux auftreten, in einer Mondnacht etwa 0,2 Lux.

Die Kamera wird zum Computer

Die betrachteten hochauflösenden Tag-/Nacht-Netzwerkkameras vereinen neben der Gewinnung eines scharfen Bildes für eine verwertbare Analyse die Funktionen Bildverarbeitung, Bildanalyse, Kompression, Speicherung und sichere Übertragung der Bilddaten. Die Bilderfassung in HD (720p) und Full-HD (1080p) übernehmen CMOS-Sensoren mit äußerst hoher Lichtempfindlichkeit. Deren Videobilder zeichnen sich durch erhöhte Helligkeit, Dynamik, Farbtreue und geringeres Rauschen aus. So mögliche kürzere Belichtungszeiten sorgen für Bildwiederholraten zwischen 30 und 60 Bildern pro Sekunde und damit verringerte Bewegungsunschärfen. Die Anbieter setzen bei der verwendeten Sensortechnik auf Eigenentwicklungen (JVC Kenwood Corporation, Sony) oder auf geeignete und zuvor streng evaluierte Sensoren spezialisierter Hersteller (Axis Communications, Bosch Sicherheitssysteme). Während in Massengütern wie beispielsweise Camcordern und Handykameras eine verbesserte Lichtausbeute mit CMOS-Sensoren mit rückwärtiger Beleuchtung (Backside Illumination, BSI) erzielt wird, gaben die hier Befragten an, die Lichtempfindlichkeit der CMOS-Sensoren ihrer IP-Kameras nicht mittels BSI zu erhöhen.

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Insbesondere Nachtaufnahmen, bei denen das Bildsignal mit nur geringer Lichtmenge auf die einzelnen Bildpunkte (Pixel) des CMOS-Sensors trifft, sind geprägt von einem starken Rauschen. Die nötige Verstärkung des Bildsignals verstärkt also auch die informationsleeren Rauschsignale und produziert eine große Datenmenge mit nur geringem Anteil an nutzbarem Inhalt. Hier setzen die jeweiligen Rauschunterdrückungs- und Rauschfilteralgorithmen an, um neben der Erhöhung des Nutzsignals die Kostenfaktoren Rechenkapazität, Übertragungsbandbreite und Speicherbedarf zu reduzieren. Das Videobild kann nun entsprechend der vom Nutzer definierten Inhalte und Parameter analysiert werden. Die gewonnenen Daten, die Metadaten oder auch das gesamte Bild werden im Speicher der IP-Kamera abrufbereit abgelegt beziehungsweise an den Server oder das Videomanagementsystem (VMS) übertragen.

Derartige Systeme eigenen sich besonders für die Überwachung von Innen- sowie Außenbereichen unter schwierigen Lichtverhältnissen (Gegenlicht, große Helligkeitsunterschiede durch Licht und Schatten in den Zonen, keine oder geringe Ausleuchtung während der Dunkelheit). Die technologisch führenden Anbieter hoch-lichtempfindlicher IP-Kameras nutzen ihre jeweiligen Stärken und Erfahrungen bei der Neu- und Weiterentwicklung der Komponenten zu ihren aktuellen Gesamtlösungen, die hier in alphabetischer Reihenfolge beschrieben werden.

Ipela Engine

Das System Ipela Engine der IP-Kameras von Sony kann auf ausschließlich hauseigene Technologien aufbauen. Diese basieren auf Erfahrungen aus 30 Jahren Videoüberwachung und 15 Jahren IP-Überwachungskameratechnik. Die sechste und jüngste Generation der Sony-Netzwerkkameras profitiert in der Bilderfassung vom neuesten, lichtempfindlichen Exmor-CMOS-Sensor für 720p- und 1080p-Auflösungen. Im integrierten Signalverarbeitungssystem, der Sony Ipela Engine, vereinen sich die weiteren Funktionen der XDNR-Rauschunterdrückung, der View-DR-Technologie zur Abbildung eines weiten Dynamikbereichs, einer Farbjustierung, der parametrierbaren Videoanalyse und der Bildkompression. So liefert das System selbst bei geringstem Umgebungslicht noch klare und scharfe Farbbilder in HD mit Bildraten von bis zu 60 Bildern pro Sekunde. Für die 720p-Modelle betragen laut Hersteller die Mindestlichtstärken für Farbbilder 0,05 Lux, für Schwarzweiß-Bilder 0,04 Lux, sowie bei 1080p-Modellen für Farbbilder 0,1 Lux und für Schwarzweiß-Bilder 0,07 Lux (bei F=1,0 und Signalpegel von 50 IRE). Mit der Ipela Engine lassen sich gegenüber Modellen ohne diese Signalverarbeitung um das Vierfache verbesserte Bildausbeuten erzielen.

Lightfinder-Technologie

Die von Axis Communications bezeichnete Lightfinder-Technologie stützt sich auf Funktionen und die Performance des eigenen Bildverarbeitungschips sowie die Kombination aus lichtstarkem Objektiv und lichtempfindlichen Bildsensor. Nach eigenen Angaben seit etwa zwei Jahren in die Kameramodelle Axis Q1602/-E integriert, wird diese Technologie nun schrittweise in weitere Modellreihen wie beispielsweise die P3384 implementiert. Insbesondere die langjährige Erfahrung des Pioniers der Netzwerkkameratechnik floss in die Entwicklung des firmeneigenen Chips und der Rauschunterdrückungsalgorithmen ein. Bei nur noch 0,05 Lux liefert Lightfinder mit einer garantierten Bildrate von 30 Bildern pro Sekunde Farbbilder in erweiterter D1-Auflösung (768 mal 576). Mehrere einzeln konfigurierbare H.264- und Motion-JPEG-Videoströme lassen sich gleichzeitig in das Netz einspeisen. Anwenderfreundliche Einstellmenüs für definierte Lichtsituationen sichern eine schnelle Inbetriebnahme der Kameras. In erweiterten Menüs sind sie zudem szenenabhängig konfigurierbar. Ebenfalls implementiert wurden intelligente Videoanalyse- und Videoüberwachungsfunktionen.

Starlight-Technologie

Für ihre jüngste HD-Kamerageneration Dinion Starlight HD 720p und Flexidome Starlight HD 720p RD nahmen die Bosch-Entwickler Anleihen aus der Videobildanalyse der Fahrzeugtechniksparte. Kostenbewusst im Interesse des Anwenders konzentrierte sich die Entwicklung auf die Bereitstellung von Bildern mit reduzierten Anforderungen an Übertragungsbandbreiten und Speicherbedarf. Die Content Based Imaging Techology (CBIT) kombiniert hierzu Informationen des Sensors, der Bildverarbeitung, des Encoders sowie der intelligenten Videobildanalyse (IVA). Für letztere spendierte Bosch dem System mit einem FPGA zusätzliche Rechenkapazität. Kontinuierlich kann so von der selbstständig analysierenden Kamera ermittelt werden, ob sich vordefinierte Objekte im Bild befinden. Durch die Funktion der intelligenten automatischen Belichtung (iAE) wird das jeweils beste Bild eines Objektes ermittelt. Die intelligente dynamische Rauschunterdrückung (iDNR) entfernt Rausch-Artefakte. Im Ergebnis entstehen Bilder in hoher Qualität, deren Übertragung entscheidend weniger Bandbreite benötigt. Bosch gibt für dieses System die Empfindlichkeit in Farbe mit 0,017 Lux und im Schwarzweiß-Modus mit 0,0057 Lux an.

Super Lolux HD

Seit 45 Jahren verschreibt sich der Anbieter JVC bereits lichtempfindlichen Systemen mit seinem Label „Super Lolux“. Für die Technologie Super Lolux HD in der Full-HD-Kamera (1080p) entwickelte JVC einen speziellen ultralichtempfindlichen „Super Lolux CMOS-Sensor“. Dessen Ursprung liegt nicht, wie sich vermuten ließe, im Videobereich, sondern in einem industriellen Sensor. Dank spezieller Schichtstrukturen erweitert sich der für die Lichtempfindlichkeit maßgebliche nutzbare Pixelbereich. Zudem lässt sich der Sensor in zwei Achsen bewegen und damit die optische Schärfe der Abbildungen verbessern. Im Zusammenwirken mit neuem Encoder und neuer JVC-Firmware, auf die verwendeten Chips abgestimmte 3D-Rauschunterdrückungstechnologie, lassen sich Farbbilder in 1080p-Auflösung selbst noch bei 0,3 Lux und Schwarzweißbilder noch bei 0,03 Lux erzeugen. Um diese im Rahmen realer Arbeitssituationen abrufen und bewerten zu können, steht das Standardsetting der Super Lolux HD bereits auf H.264 High Profile Kompression. Ergänzt wird das System durch die neueste JVC Clear Logic Video Intelligence (CLVI), einer neuen Technik, die nach Angaben des Herstellers die Licht- und Detailausbeute bei Nebel und Dunst um bis zu 40 Prozent verbessert.

Zusammenspiel der Komponenten

Selbst wenn verschieden gewichtete Lösungsansätze zur Verbesserung der Lichtempfindlichkeit von Netzwerkkameras verfolgt werden, das Zusammenspiel der Komponenten im Gesamtsystem sichert letztlich das Qualitätsniveau. Die hier betrachteten Technologien zur Gewinnung scharfer Farbbilder selbst noch bei äußerst geringem Umgebungslicht in quasi stockdunkler Nacht nutzen aufeinander abgestimmte Sensoren, Chips, Elektronik und Firmware. Der zukünftige technische Fortschritt wird neue Leistungsstufen und Funktionen in IP-Kameras ermöglichen. Den Maßstab für Qualität und Kosteneffizienz legt jedoch letztlich der Anwender gemäß seinem Einsatzszenario und seiner Einsatzbedingungen an.

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