Foto: Securitas
Mitarbeiter im Ordnungsdienst müssen unter anderem in der Deeskalation, Psychologie der Führung größerer Gruppen und dem Zusammenwirken von Polizei, Feuerwehr, Rettungswesen, Sicherheitsdienstleistern und Ordnungsdienstkräften geschult sein.

Veranstaltungssicherheit

Professionalisierung gefragt

Veranstaltungen – insbesondere Massenveranstaltungen - so zu sichern, dass Schadensereignisse völlig auszuschließen sind, ist unmöglich. Es gibt keine hundertprozentige Sicherheit, erst recht nicht unter den schwierigen Rahmenbedingungen von (Groß-) Veranstaltungen. Aber es ist unabdingbar, alle angemessenen Sicherheitsvorbereitungen zu treffen, damit der Eintritt von Schadensereignissen möglichst erschwert und der durch ein solches Ereignis entstehende Schaden minimiert wird.

Einundzwanzig Menschen sind bei der Love Parade am 24. Juli 2010 in Duisburg gestorben – durch aufeinander prallende und übereinander stürzende Personen infolge von Planungsfehlern und fehlgeleiteten Besucherströmen. Ein islamistischer Selbstmordattentäter riss zweiundzwanzig Besucher eines Konzerts in der Manchester Arena mit in den Tod, als er sich im Foyer des Konzertsaales in die Luft sprengte. Während eines Fußballspiels in der Münchner Allianz-Arena am 30. Mai 2017 warfen von der Leistung ihrer Mannschaft frustrierte „Fans“ herausgerissene Sitzschalen und Fahnenstangen auf das Spielfeld und versuchten, es zu stürmen.

Das am 2. Juni am Nürburgring begonnene Konzert „Rock am Ring“ mit rund 87.000 Besuchern wurde am ersten Abend wegen der sich später als falsch herausgestellten Zuordnung von zwei Beschäftigten einer Aufbaufirma zur islamistischen Szene unterbrochen und konnte erst am nächsten Mittag fortgeführt werden. Beim Public Viewing des Endspiels der Champions League im Turiner Stadion kam es aufgrund der falschen Annahme eines Terroranschlags zu einer Massenpanik unter den herausstürmenden, auf versperrte Fluchtwege stoßenden Besuchern mit mehr als 150 teilweise schwer Verletzten: Fünf Beispiele, die die Vielfältigkeit der Veranstaltungen, ihrer Bedrohungen und der Schadensereignisse zeigen.

Normen zur Veranstaltungssicherheit

Trotz des breiten Spektrums ganz unterschiedlicher Veranstaltungsarten, höchst unterschiedlicher Rahmenbedingungen, unterschiedlicher Gefahren und Gefahrenursachen haben der Gesetzgeber und der Verordnungsgeber eine Vielzahl von Regelungen zur Gewährleistung der Sicherheit von Veranstaltungen geschaffen. Insgesamt sind etwa 70 Normbereiche einschlägig. Von besonderem Gewicht ist die Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättVO) aus dem Jahr 2005, die 2014 unter nderem hinsichtlich der Bemessung und Erhöhung der Personenzahl, der Führung der Rettungswege, der Rauchableitung, der Feuerlöscheinrichtungen, der Brandmeldeanlagen, der Brandschutzordnung und des Räumungskonzepts geändert worden ist. Die MVStättVO trifft Regelungen über den Anwendungsbereich, Bauteile und Baustoffe, Einrichtungen für Besucher, technische Anlagen, Großbühnen, Versammlungsstätten mit mehr als 5.000 Besucherplätzen und Betriebsvorschriften.

Nach §43 MVStättVO hat der Betreiber für Versammlungsstätten mit mehr als 5.000 Besucherplätzen oder wenn die Art der Veranstaltung es erfordert, ein Sicherheitskonzept aufzustellen, in dem die Mindestzahl der Kräfte des Ordnungsdienstes, die betrieblichen Sicherheitsmaßnahmen und die Sicherheitsdurchsagen festzulegen sind. Ein anderer Regelungssektor betrifft die notwendige Zuverlässigkeit und Qualifizierung der mit Sicherheitsfunktionen zu betrauenden Einsatzkräfte. 2016 hat der Gesetzgeber die erfolgreich abgelegte Sachkundeprüfung vor einer IHK als Voraussetzung für die Übernahme leitender Funktionen bei Bewachungen von zugangsgeschützten Großveranstaltungen in §43a Abs. 1a Nr.5 GewO normiert.

Kernpunkte des konzeptionellen Vorgehens

1. Die Sicherheitskonzeption muss auf einer gründlichen Risikoanalyse aufbauen. Die Risikoanalyse berücksichtigt die allgemeine und die auf die konkrete Veranstaltung bezogene Gefahren- und Bedrohungslage, alle möglichen Bedrohungen und Risiken in ihrer spezifischen Ausprägung und sonstige Rahmenbedingungen in ihrer Auswirkung auf das Risiko- und Bedrohungspotential. Nach den jüngsten Terroranschlägen fordert der BDSW zu recht eine bessere Ausbildung, auch über 40 Unterrichtsstunden hinaus.

2. Die Sicherheitskonzeption sollte nicht nur die einschlägigen Rechtsnormen beachten, sondern auch die teilweise sehr detaillierten Konzeptionen und Leitfäden zur Veranstaltungssicherheit auf ihre konkrete Anwendbarkeit prüfen. Hervorgehoben seien folgende konzeptionellen Ausarbeitungen:

  • Die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe herausgegebenen „Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen“ (245 Seiten!). Der 2016 veröffentlichte erste Band des Praxisleitfadens stellt ein Phasenmodell vor, gefolgt von Methoden der Sicherheitsbeurteilung. Der Leitfaden beschreibt die Schritte von der Veranstaltungsidee bis zur Machbarkeitsstudie. Es folgen Aspekte der interorganisationellen Zusammenarbeit. Einen Kernpunkt bilden Struktur und Inhalt eines Sicherheitskonzepts mit Konzepten für den Ordnungsdienst, den Sanitätsdienst und die Kommunikation sowie der Notfallplanung. Besonders hilfreich ist die Darstellung einzelner Gefahrenszenarien. Als szenarienunabhängige Maßnahmenplanung werden Räumung und Evakuierung, Veranstaltungsabbruch und besondere Gefahrenpotentiale behandelt. Das „Basigo“-Folgeprojekt „Provod – Professionalisierung des Veranstaltungsordnungsdienstes“ wird 2016-2019 unter Koordinierung der Bergischen Universität Wuppertal im Verbund mit dem Internationalen Bildungs-&Trainingszentrum für Veranstaltungssicherheit und dem BBK durchgeführt.
  • Das Nationale Konzept für Sport und Sicherheit ist 1993 erarbeitet und 2012 fortgeschrieben worden. Es hat empfehlenden Charakter. Das Kapitel Veranstaltungssicherheit ist auf die Veranstaltungsplanung, Sicherheitskonzepte und den Ordnungsdienst fokussiert.
  • Nach der Katastrophe während der Love Parade 2010 hat der BDSW ein Konzept für Schulung, Training und Führung eines „professionellen Veranstaltungsordnungsdienstes“ vorgelegt.
  • Ein von Dr. Stephan Gundel herausgegebenes und im Richard Boorberg Verlag 2017 erschienenes Handbuch der „Sicherheit für Versammlungsstätten und Veranstaltungen“ gibt einen umfassenden Überblick über die einzelnen Funktionsbereiche und Maßnahmen der Veranstaltungssicherheit.

3. Mit der Erarbeitung der Sicherheitskonzeption muss so früh wie möglich begonnen werden, das heißt bei Beginn der Planung einer Versammlungsstätte, einer Veranstaltungsreihe oder einer konkreten Veranstaltung. Dies ermöglicht optimale und kostengünstige Lösungen.

4. Die Planung muss ganzheitlich sein, alle Sicherheitsaspekte umfassen, vorbereitende Maßnahmen ebenso wie ihre Umsetzung während der Veranstaltung, die notwendigen Maßnahmen bei einem Schadensereignis und die Minimierung des eingetretenen Schadens. Die Planung muss „resilient“ sein, so dass jederzeit auch auf ungeplante Entwicklungen reagiert werden kann, möglichst lange im Normalbetrieb.

5. Zu den Kernpunkten der Sicherheitskonzeption zählen Bestimmungen über die physische Eignung, Zuverlässigkeit und Qualifikation der notwendigen Ordnungs- und Sicherheitskräfte.

6. Von besonderer Bedeutung ist die Eindeutigkeit der Festlegungen, trotz notwendiger Flexibilität entsprechend der tatsächlichen Entwicklung: bei der Feststellung der Verantwortlichkeiten, bei den Meldewegen und den durchzuführenden Maßnahmen. Die Einsatzkräfte und vor allem die Führungskräfte müssen über die zu treffenden Maßnahmen möglichst frühzeitig informiert werden.

7. Eindeutig muss die Sicherheitskonzeption zwischen Ordnungs- und Sicherheitsfunktionen unterscheiden. Denn Ordnungsdienstkräfte, die nur Servicefunktionen wahrnehmen (Platzanweisung, Kartenkontrolle an Sitzplatzblöcken, Steuerung von Personenströmen durch Weghinweise, Verkehrslenkung, Freihalten von Flucht- und Rettungswegen, Evakuierungsunterstützung) bedürfen keiner Unterrichtung gem. §34a GewO. Das ist deshalb wichtig, weil Ordnungsdienstkräfte zum großen Teil wegen des Einmaligkeitscharakters der meisten Veranstaltungen nur nebenberuflich und nicht auf Dauer in dieser Funktion beschäftigt werden. Auch aus Kostengründen kann daher eine mehrwöchige Einweisung nicht verlangt werden. Wichtig ist ferner, in der Sicherheitskonzeption für zugangsgeschützte Großveranstaltungen die Führungsfunktionen im Sicherheitsbereich zu benennen, deren Inhaber gemäß §34a Abs.1 Nr.5 GewO eine Sachkundeprüfung erfolgreich abgelegt haben müssen.

8. Sowohl das Unterrichtungsverfahren wie die Sachkundeprüfung sollten für Einsatz- und Führungskräfte, die ausschließlich oder überwiegend im Veranstaltungsschutz eingesetzt werden, gesondert durchgeführt werden, und die Schwerpunkte sollten entsprechend den praktischen Anforderungen auf Veranstaltungs- und Stadionsicherheit liegen. Die Vorgaben für die inhaltliche Ausgestaltung in §4 BewachV lässt eine solche Schwerpunktbildung zu. Nach den jüngsten Terroranschlägen fordert der BDSW zu recht eine einsatzbezogene Unterrichtung der Einsatzkräfte, auch über 40 Stunden hinaus.

9. Die Ordnungsdienstkräfte müssen, auch wenn das förmliche Unterrichtungsverfahren für sie nicht vorgeschrieben ist, gleichwohl über Grundzüge des Veranstaltungsschutzes, über ihre Rechte und Pflichten, die Dynamik und die Deeskalation von Menschenmassen, die Psychologie der Führung größerer Gruppen und das Zusammenwirken von Polizei, Feuerwehr, Rettungswesen, Sicherheitsdienstleistern, Ordnungsdienstkräften und Logistikunternehmen vor dem Einsatz unterrichtet und in ihre Aufgabenstellung eingewiesen werden. Für den Funktionsbereich Stadionsicherheit hat die DFB-Projektgruppe „Qualifizierung von Sicherheits- und Ordnungsdiensten“ dazu ein modulares Qualifizierungskonzept entwickelt.

10.Die Sicherheitskonzeption muss auch die einzusetzende Sicherheitstechnik umfassen: Absperrgitter, Detektions-gerät für Einlasskontrollen, Kommunikationsmittel, Einsatzleitcontainer und vor allem Videoüberwachung ein schließlich mobiler Videotechnik, Beleuchtung und Lautsprecher für die Sicherung von Demonstrationszügen. Neuerdings sind auch Überlegungen zur Drohnendetektion angebracht.

Optimierungsbedarf im Regelungsbereich

  • Soweit Sicherheitsfunktionen vom Ordnungsdienst eines Veranstalters wahrgenommen werden, handelt es sich nicht um im Bewachungsgewerbe tätige Personen, so dass die Vorschriften der Gewerbeordnung und der Bewachungsverordnung auf sie nicht anwendbar sind. Das führt zu unterschiedlicher Qualifizierung der eingesetzten Kräfte und zu einem ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteil für den Veranstalter gegenüber beauftragten gewerblichen Sicherheitsdienstleistern. Dieses Dilemma könnte grundsätzlich dadurch aufgelöst werden, dass die gewerberechtlichen Sicherheitsnormen von einem Gesetz der privaten Sicherheit abgelöst werden, das auch für nichtgewerbliche Sicherheitsleistungen gilt.
  • Dass die Wahrnehmung serviceorientierter Ordnungsaufgaben ohne Sicherheitsfunktion und ohne Übertragung des Hausrechts im Veranstaltungsbereich keine Unterrichtung nach § 34a GewO voraussetzt, sollte in der BewachV klargestellt werden.
  • Im Vergaberecht sollte die Auftragserteilung von einer spezifischen Zertifizierung des Auftragnehmers abhängig gemacht werden. Die Zertifizierung müsste die für den Schutz von Veranstaltungen notwendige Kompetenz und Leistungsfähigkeit gewährleisten, insbesondere das Vorliegen einer Sicherheitskonzeption zum Schutz von Veranstaltungen, eine Aus- und Weiterbildungskonzeption für den VDO und ausreichende personelle Ressourcen für den Veranstaltungsschutz. Der Veranstaltungsschutz bedarf dringend der Professionalisierung.

Manfred Buhl, CEO, Securitas Deutschland

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