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Drehsperren-Asymmetrie 30. Juli 2012

Raus hier!

Zwar dürfen reguläre Drehsperren-Durchgangsspuren mangels Breite nicht in die Fluchtwegberechnung einfließen. Dennoch sollten Zutrittskontrollanlagen dem Impuls, hinaus zu wollen, wo man hereingekommen ist, gerecht werden. Erst die Erfindung der asymmetrischen Zweiarm-Drehsperre brachte im Jahr 2000 eine adäquate Lösung.

In Kombination mit einer Falttür entstehen fluchtwegtaugliche Lösungen für beengte Platzverhältnisse.
In Kombination mit einer Falttür entstehen fluchtwegtaugliche Lösungen für beengte Platzverhältnisse.

Gerade in Stadien und Veranstaltungshallen sorgen elektronische Zutrittssysteme mit Personenvereinze-lungsanlagen für eine schnelle Überprüfung der Zutrittsberechtigung, für eine sichere Abweisung Unberechtigter und einen möglichst angenehmen und sicheren Zutritt bei Vorliegen einer Berechtigung. Das ist in vielen Ländern auch im öffentlichen Verkehr so. Beim Zutritt zu Bürogebäude und Werkshalle erfolgt die Kontrolle aus anderen Motiven und überwiegen daher Aspekte, wie die Identifikation, das Prinzip ist allerdings dasselbe.

Umgang mit dem Sonderfall

Seit Jahrzehnten wogt die Diskussion über die Eignung von Zutrittskontrollanlagen für den Umgang mit Notfällen und mit der Reaktion der Menschen, die sich innerhalb des vom Zutrittskontrollsystem umschlossenen Bereichs befinden.

Natürlich muss im Fall von Feueralarm, Gasaustritt, Tribünen- oder Deckeneinsturz oder sonstiger Katastrophen eine Möglichkeit bestehen, die Flucht zu ergreifen und das Gelände zu verlassen. Dazu sehen alle Bauordnungen und sonstigen Vorschriften entsprechende Fluchtwege vor. An sich wäre die Zutrittskontrollanlage davon auch gar nicht berührt. Die Durchgangsbreite einer Drehsperre oder Personenschleuse sollte 550 Millimeter im Regelfall nicht überschreiten, da sonst eine sichere Personenvereinzelung nicht gewährleistet werden kann. Das reicht jedoch nicht aus, um als Fluchtweg anerkannt zu werden. So dürfen diese Spuren auch nicht in die Berechnung der gesamten zur Verfügung stehenden Fluchtwege eingehen.

Es ist also erforderlich und auch gängige Praxis, an anderen Stellen Wege aus dem Inneren freizumachen, etwa durch Öffnen eigener Türen in der Umgrenzung und der breiteren Schwenktüren, die als Durchtrittsmöglichkeit für Personen in Rollstühlen oder mit Kinderwagen meist ohnedies Teil der Zutrittskontrollanlage sind.

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Psychologie beachten

Auch wenn diese alternativen Fluchtwege ausreichend bemessen sind, gilt das dennoch nicht als adäquat. Das Fluchtverhalten des Menschen ist archaisch und folgt einer Logik, die einfach und sicher, vor allem aber ohne Zeitverlust umgesetzt werden kann: Ist der Mensch noch nicht zu weit vom Eingang entfernt, versucht er genau dort hinaus zu fliehen, wo er hereingekommen ist. Diesen Weg kennt er schon und weiß aus eigener, gerade erst gemachter Erfahrung, dass er gangbar ist. Das macht diesen Weg im Vergleich zu den meisten Alternativen sehr attraktiv.

Deshalb ist es unumgänglich, den Weg durch die Sperrenbatterien auch zum Zweck der Flucht anzubieten, selbst wenn dieser nicht den offiziellen Fluchtwegen zuzurechnen ist. Dazu ist es nicht ausreichend, die Sperre stromlos zu schalten, auch wenn sie sich dann in den meisten Fällen mit wenig Kraft auch in Ausgangsrichtung durchdrehen lässt. Damit der Weg durch die Sperre als frei und gangbar erkannt und auch genutzt wird, darf das Sperrelement nicht in gesperrter Stellung sein und sollte am besten überhaupt fehlen.

Lange Suche nach Lösungen

Diese Erkenntnis ist keineswegs neu. Bereits seit vielen Jahrzehnten gibt es daher unter so martialischen Bezeichnungen wie Panik-Mechanik Vorrichtungen, die das Freimachen des Durchganges nach Auslösung durch Not-Taster oder Signale von der Brandmeldezentrale bewerkstelligten. Allerdings sind die meisten solchen Vorrichtungen problembehaftet.

Verhältnismäßig einfache Konstruktionen, bei denen lediglich durch Rückzug eines haltenden Bolzens oder Hebels der waagerecht stehende Holm zur Drehachse hin geklappt wird, können nur auslösen, wenn der Drehstern exakt in Nulllage steht und kein seitlicher Druck ausgeübt wird, etwa durch Personen, die bereits versuchen, auf diesem Weg hinauszukommen, noch ehe der Mechanismus ausgelöst hat. Zudem ragen bei solchen Modellen auch bei erfolgreicher Öffnung die beiden verbleibenden Holme noch in den Durchgangsraum, was die Gefahr des Stolperns mit sich bringt. Derartige Drehsperren können daher regelrecht zu Fallen werden.

Aufwändig und teuer

Bei anderen Lösungen wurden alle drei Holme vollständig von der Nabe getrennt und baumelten an haltenden Seilen. Diese Lösung kannte die oben angeführten Probleme nicht, war jedoch ausgesprochen aufwändig und daher sehr teuer. Auch brauchten bei dieser Anordnung die Holme einige Sekunden um zur Ruhe zu kommen. Bis dahin ging von ihnen auch hier eine gewisse Verletzungsgefahr aus. Als Hauptnachteil wurde jedoch empfunden, dass zur Wiederherstellung des Normalbetriebes jeder einzelne Holm händisch in seine Aufnahme zu stecken war. Das ist nicht nur sehr viel Arbeit, es verlängert auch die Zeitspanne zwischen „Alarm aus“ und „Normalbetrieb“, während der keine geordnete Zutrittskontrolle erfolgt.

Ein dritter, für seine Zeit sehr innovativer konstruktiver Ansatz verwendete gekröpfte Holme, die der Schwerkraft folgend nach unten klappten, sobald der Druck eines dahinter befindlichen Gegenstückes wegfiel. Die Lösung war beinahe vollständig in der Nabe untergebracht und konnte daher auch in Drehsperren mit sehr kleinen Gehäusen verwendet werden. Sie funktionierte unter allen denkbaren Umständen, sogar bei drehendem Stern. Auch genügte eine initiale Drehung zur Herstellung des Normalzustandes. Ihr Nachteil waren die erheblichen Mehrkosten im Vergleich zu Drehsperren ohne Fluchtfunktion.

Um die Ecke gedacht

„Nur einfache Lösungen sind gut“, lautet eine alte Technikerweisheit. Die einfache Lösung dieses lange schwelenden Problems wurde erst durch motorisch angetriebene Drehsperren und durch moderne Steuerungselektronik überhaupt möglich. Nach jahrzehntelanger Beschäftigung mit der Thematik kam die Idee Heinz Wotke, dem Seniorchef von Gotschlich, im Jahr 2000 wie eine Eingebung: Wenn die Drehgeschwindigkeit des Sterns einstellbar ist, muss sie auch nicht bei jedem Durchgang gleich groß sein. So kann einer der Holme entfallen.

Das war die Geburtsstunde der asymmetrischen Zweiarm-Drehsperre. Durch von der Stellung abhängiges Drehen des Sterns mit einfacher oder doppelter Geschwindigkeit kann die gewohnt hohe Vereinzelungssicherheit aufrecht erhalten werden. Und die Sperre hat eine Stellung, in der kein Holm den Durchtritt verhindert und die sich daher als Fluchtstellung eignet.

Diese Technik hat gegenüber allen früheren Versuchen, Drehsperren fluchttauglich zu machen, erhebliche Vorzüge: Mechanisch unterscheidet sich das Produkt abgesehen vom fehlenden Holm in keiner Weise von modernen Dreiarm-Drehsperren. Sie kann daher unter Verwendung bewährter Komponenten und Baugruppen in der gesamten Gehäusevielfalt hergestellt werden und bietet somit deren Reife. Sie kommt ohne komplizierte Auslösemechanismen aus. Der Drehstern ist als starre Einheit robust und völlig wartungsfrei. Das hält auch die Kosten im Bereich von Dreiarm-Drehsperren ohne Fluchttauglichkeit. Die Herstellung des Normalbetriebes beschränkt sich auf eine Segmentdrehung in die nächstgelegene Gesperrt-Stellung.

Die asymmetrische Zweiarm-Drehsperre bietet nicht nur in frequenzstarken Sperrenbatterien eine einfache Möglichkeit zur Totalöffnung und damit zur Flucht durch den Eingang, durch den man gekommen ist. In Kombination mit motorisch angetriebenen Schwenktüren oder federvorgespannten Falttüren, ebenso in vis-à-vis Anordnung bietet sie die Möglichkeit, auch bei beengten Platzverhältnissen einen vollwertigen Fluchtweg mit ausreichender Durchgangsbreite anzubieten.

Andreas Wotke, Geschäftsführender Gesellschafter und Entwicklungsleiter bei der Karl Gotschlich Ges.m.b.H

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