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Resilienz: Wie Unternehmen Krisen adäquat bewältigen können

Unternehmen können lernen, sich über ihr Krisenmanagement eine Resilienz aufzubauen, die sie Krisen besser meistern lässt. 

Die sich biegenden, aber nicht brechenden Gräser stehen als Zeichen für Resilienz: Auch Unternehmen kann es gelingen, Krisen zu überstehen. 
Die sich biegenden, aber nicht brechenden Gräser stehen als Zeichen für Resilienz: Auch Unternehmen kann es gelingen, Krisen zu überstehen. 

Die Krisen, die in jüngster Zeit über uns hereingebrochen sind, können für Unternehmen essenziell sein; wie werden daher Unternehmen resilient, um diese bewältigen zu können? Der Studiengangleiter Sicherheitsmanagement an der Northern Business School, Prof. Dr. André Röhl, diskutiert mit PROTECTOR über „die Welt in der Dauerkrise …“.

Vor zwei Jahren haben wir uns darüber unterhalten, wie man die Krise nach der Coronakrise meistert. Damals waren die ansteigenden Cyberattacken das große Problem. Hätte man das voraussehen können?

Prof. Dr. André Röhl: Ich glaube, es ist derzeit noch zu früh, den spezifischen Einfluss der Coronapandemie auf das Risiko von Cyberattacken abschließend zu bewerten. Die Annahme war, dass durch die improvisierten Prozesse im Zusammenhang mit Homeoffice-Regelungen in Unternehmen die Vulnerabilität für Angriffe steigt. Tatsächlich können diesen Angriffen aber auch langfristige Strategien zugrunde liegen, weshalb sie möglicherweise erst verspätet auftreten. Hinzu kommen ein großes Dunkelfeld und im besten Fall auch viele erfolgreiche Gegenmaßnahmen der Unternehmen. Das Risiko ist – nicht zuletzt durch andere Ereignisse – weiterhin hoch.

Angemessen auf Krisen reagieren

Bis vor Kurzem unterschied man im Krisenmanagement noch zwischen „normalem Tagesgeschäft“ und „Krisenmodus“. Mittlerweile hat man den Eindruck, dass man aus den immer rascher aufeinanderfolgenden Krisen – Pandemie, Naturkatastrophe, Krieg - gar nicht mehr herauskommt …

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Prof. Dr. André Röhl: Tatsächlich sehen sich Unternehmen seit einigen Jahren mit den unterschiedlichsten Krisen konfrontiert, wobei jede ihre Besonderheit hat. Während es sich bei der Pandemie um eine langwierige schleichende Krise handelt, in der das Krisenmanagement der Unternehmen durch staatliche Vorgaben „angeleitet“ wurde, erforderten die Flutereignisse kurzfristige Adhoc-Entscheidungen und sind die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine voraussichtlich langfristig, aber nicht mit konkreter staatlicher Anleitung verbunden. Insofern kommt es darauf an, adäquat auf jede Krise reagieren zu können und so viele Entscheidungen wie möglich bereits in den üblichen Entscheidungsstrukturen zu treffen. Wir brauchen daher kein Dauerkrisenmanagement, sondern ein leistungsstarkes und flexibles „Alltags“-Management in Verbindung mit einem zielgerichteten Krisenmanagement.

Auch vor zwei Jahren hatten wir schon gefragt: Wie kann es dem Krisenmanager gelingen, wieder vor die Krise zu kommen?

Prof. Dr. André Röhl: Meines Erachtens ist hier die Fokussierung auf bestimmte Themenfelder entscheidend. Das bedeutet dann aber auch, dass Krisenmanager davon abhängig sind, wie gut die Organisation in Gänze Herausforderungen bewältigt. Umso höher die Bewältigungskompetenz insgesamt, desto besser kann sich das Krisenmanagement auf die kritischen Themen konzentrieren. Hier haben wir letztlich auch eine Verbindung zur Resilienz von Organisationen.

Begriff Resilienz gewinnt an Bedeutung

Resilienz, ein Begriff, den vor wenigen Jahren nur Spezialisten verwendet haben, ist jetzt in aller Munde. Wie werden Unternehmen resilient?

Prof. Dr. André Röhl: Tatsächlich hat der Begriff Resilienz in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen und sich durchaus auch inhaltlich verändert. Für mich ist er Ausdruck einer Befähigung, die sämtliche Maßnahmen zur Verhinderung sowie auch zu Bewältigung eines Schadensereignisses umfasst. In diesem Sinne haben wir an der NBS gemeinsam mit Rico Kerstan von der KR Krisensicher Risikoberatung für die Lehre ein vierstufiges Resilienzmodell entwickelt, welches wir entlang der Achsen Bewältigungsfähigkeit – Widerstandsfähigkeit und Innerem – Äußerem Ökosystem ausrichten. Daraus ergibt sich, dass Resilienz eine die gesamte Organisation umfassende Aufgabe ist. Auf der einen Seite umfasst sie insbesondere agile interne Entscheidungsprozesse und die Befähigung von Mitarbeitern, eigenverantwortlich zu handeln, auf der anderen Seite geht es um ein wirkungsvolles Krisen- und Business Continuity Management ebenso wie um die Fähigkeit, im Bedarfsfall mit anderen Organisationen interoperabel zu sein.

Lieferengpässe gibt es nicht erst seit der Pandemie oder dem Ukraine-Krieg. Gut vorbereitete Unternehmen betreiben ein aktives Krisenmanagement. 
Aktives Management von Krisen
Die diversen Krisen der letzten Monate zeigen, dass es viele Unternehmen mit einem unausgereiften Risikomanagement gibt.

Reicht es da aus, vorgefertigte Krisenpläne abzuarbeiten oder ist nicht ein „moderner“ Typ des Krisenmanagers gefragt? Flexibel auf neue Krisen reagieren können …

Prof. Dr. André Röhl: Folgt man unseren Gedanken zu Resilienz, ist für Krisenmanager die Vernetzung mit anderen Akteuren auch in der Vorbereitung des Krisenmanagements noch wichtiger geworden. Hinzu kommen eine gewisse Adaptionsfähigkeit bei der Anpassung der Pläne, die sich immer weniger konkret auf tatsächliche Ereignisse ausrichten lassen, und die Fähigkeit, frühzeitig auch neue Möglichkeiten der Digitalisierung, Datenvisualisierung und -analyse zu erkennen und zu nutzen.

Haben denn die Krisen dazu geführt, dass sich das Standing der Unternehmenssicherheit inklusive der Krisenmanager verändert, also verbessert hat?

Prof. Dr. André Röhl: Es spricht einiges dafür, dass konkret während der Pandemie in vielen Unternehmen das Ansehen der Unternehmenssicherheit im Allgemeinen und des Krisenmanagements im Besonderen deutlich zugenommen hat. Dazu haben die Präsenz des Themas auch im Alltag und die flexiblen und erfolgreichen Maßnahmen in den Unternehmen beigetragen. Jedem Beobachter musste sofort der Mehrwert der Aktivitäten klarwerden, gleichzeitig gab es auch wenig Spielraum, gänzlich auf Maßnahmen zu verzichten. Der aktuelle Ukraine-Krieg könnte jedoch womöglich einen gegenteiligen Effekt haben. Die nicht mehr ganz so offensichtlichen unternehmerischen Sicherheitsrisiken stehen nun einer nochmals verschlechterten wirtschaftlichen Gesamtlage und Kosteneinsparinteressen gegenüber.

Nicht nur Mindeststandards einhalten

Wie weit kommen Unternehmen, die lediglich Mindeststandards, Sicherheitsaspekte betreffend, einhalten. Reicht das heutzutage noch aus?

Prof. Dr. André Röhl: Dem skizzierten Resilienzmodell folgend, können Unternehmen mit einer entsprechenden Unternehmenskultur durchaus auch ohne eine adäquate Unternehmenssicherheit eine Reihe von externen Einflüssen kompensieren. Irgendwann ist dieses Potential jedoch aufgebraucht, und das Unternehmen wird nicht mehr selbstbestimmt handeln können. Sinnvoller wäre es daher, die Bewältigungs- und Widerstandsfähigkeit frühzeitig zu stärken.

Sind die Absolventen des Studiengangs Sicherheitsmanagement, dessen Studiengangleiter Sie sind, jetzt nicht besonders gefragt?

Prof. Dr. André Röhl: In den letzten zwei Jahren konnten wir eine deutliche Zunahme bei den relevanten Stellenausschreibungen beobachten, wodurch sich auch die Auswahlmöglichkeiten unserer Studierenden erhöht haben. Es wird spannend sein zu sehen, ob und wie sich dieser Trend fortsetzt. Unabhängig davon stehen die hervorragenden aktuellen beruflichen Perspektiven und der Bekanntheitsgrad der entsprechenden Möglichkeiten, Sicherheitsmanagement zu studieren, weiterhin nicht im Einklang. Hier sehe ich noch einen Nachholbedarf hinsichtlich der Etablierung von Sicherheitsmanagement als spannender beruflicher Karriereoption. 

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