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Brandvermeidung im Hochregallager

Rund um die Uhr geschützt

Exakt 320 Kabelbäume pro Stunde, rund um die Uhr, jeden Tag – aus einem vollautomatisierten Just-in-Sequence-Lager in Norddeutschland versorgt die Imperial Automotive Logistics GmbH vier Montagelinien eines Automobilherstellers mit Kabelbäumen. Redundante Systeme stellen sicher, dass der Warenfluss niemals abreißt.

Die Kleinladungsträger bestehen aus Polypropylen. Das ist problematisch, denn das Material verhält sich im Brandfall wie eine brennbare Flüssigkeit.
Die Kleinladungsträger bestehen aus Polypropylen. Das ist problematisch, denn das Material verhält sich im Brandfall wie eine brennbare Flüssigkeit.

Als Brandschutzlösung entschied sich das Unternehmen für ein energieeffizientes Brandvermeidungs-system. Im August 2014 verlagert die Imperial Automotive Logistics GmbH – noch unter dem damaligen Namen Hansmann – ihr Logistikzentrum aus Hattorf ins nahe gelegene Flechtorf bei Wolfsburg, weil die Kapazitäten am bisherigen Standort ausgeschöpft sind. Auf einem rund 22.500 Quadratmeter großen Gelände errichtet das Unternehmen in einer 10.000 Quadratmeter großen Halle ein automatisches Kleinteilelager (AKL). Das AKL hat Platz für etwa 54.000 Behälterstellplätze für die Produktionsversorgung verschiedener Fahrzeugmodelle eines großen Automobilherstellers. Direkt an die Montagebänder geliefert, werden die Kabelsätze in Motoren und Innenräumen verbaut.

Damit jede Stunde 160 Fahrzeuge unterschiedlichen Typs mit 320 Kabelbäumen rund um die Uhr versorgt werden können, ist eine hochredundante, in weiten Teilen vollautomatische und gut durchdachte Lösung Bedingung. Imperial verzichtet dabei bewusst auf Roboter und setzt auf Sequenzer (je einer pro Montagelinie) und Behälterstapler. Anlieferung der Teile auf Großladungsträgern, Einlagerung ins AKL, Umlagerung in den hochverfügbaren Bereich, Auslagerung, LKW-Beladung und Transport zum Werk sind prozess- und datentechnisch optimal aufeinander abgestimmt, sodass ein Ausfall weitest möglich ausgeschlossen werden kann. Eine Lieferunterbrechung wäre nicht nur für den Logistiker eine Katastrophe, sondern auch für den Automobilhersteller, der sein Produktionssoll nicht erfüllen könnte.

Maximaler Brandschutz

Auch beim Thema Sicherheit für das neue Lager sollte die bestmögliche Lösung gefunden werden: in Form einer neuen Brandschutzlösung, die sich an die besonderen Bedingungen und Herausforderungen automatisierter Hochregallager individuell anpassen lässt. Vor allem sollte das Risiko einer Brandentwicklung von vornherein schon unterbunden werden, um die Lieferfähigkeit des Unternehmens, die eine seiner Stärken und einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil darstellt, nicht zu gefährden. Mögliche Kabelbrände durch Überhitzung an Fördermotoren oder technische Anlagendefekte stellen statistisch gesehen die häufigste Brandursache in automatisierten Hochregallagern dar.

Ist ein Brand erst einmal ausgebrochen, wird das Schadensausmaß von der Bauweise und den darin gelagerten Materialien beeinflusst. Schon die Lagerhöhe und -beschaffenheit ist eine brandschutz- technische Herausforderung: Hohe Regale und schmale Zwischenräume bergen die Gefahr, dass sich ein Brand schnell bis unter die Hallendecke ausbreiten kann und eine Brandlöschung mit konventionellen Mitteln wie Schaum oder Wasser erschwert wird. Hinzu kommen die großen Mengen an leicht entzündlichen und brennbaren Lagermaterialien wie Papier, Pappe oder Kunststoff, die ein unkontrolliertes Ausbreiten und Übergreifen des Feuers begünstigen.

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Erhöhtes Brandrisiko durch Kleinladungsträger

Im Kleinteilelager von Imperial werden die kompletten Kabelbäume für die Autoindustrie in Kleinladungsträgern (KLT) aufbewahrt. Es handelt sich hierbei um genormte Polypropylen-Kunststoffkästen, die zu Lager- und Transportzwecken in verschiedenen Größen eingesetzt werden. Aus brandschutztechnischer Sicht sind die Kleinladungsträger, aber auch die Kabelbäume, problematisch. Unternehmen, die Kunststoffmaterial herstellen und lagern, haben Brände erlebt, die zu erheblichem Sachschaden bis hin zum Totalverlust führten. Es gibt vor allem zwei Probleme, wenn KLT und Kunststoffe zum Einsatz kommen:

Eines stellt die sehr gute Brennbarkeit des Materials dar. Polypropylen und Polyethylen verhalten sich beim Brand wie brennbare Flüssigkeiten und zeigen eine vergleichbare Wärmefreisetzung wie Benzin. Wenn eine gewisse Vorbrennzeit gegeben ist, sich also genügend Material verflüssigt hat, gibt es einen „Lachenbrand“ unterhalb der Lagerkonstellation. Das brennend abtropfende Material entzündet alle benachbarten Materialien, während die große Wärmeenergie das Feuer weiter anfacht. Als zweites Problem kommt hinzu, dass ein solcher Brand schwer zu löschen ist, da sich Wasser schwer auf Kunststoffoberflächen applizieren lässt. Das Wasser perlt ab, weil der Kunststoff nicht wie etwa Kartonagen vorbenetzbar ist. Der hohe Automatisierungsgrad des Kleinteilelagers und die Lieferverpflichtung und Abhängigkeit von den Just-in-Sequence-Prozessen des Automobilherstellers erlauben keine brandbedingte Unterbrechung der Lieferfähigkeit.

Daher entschied man sich bei der Imperial Automotive Logistics GmbH für eine hochsensible Brandfrüherkennung mittels Ansaugrauchmeldern Typ Titanus Pro-Sens, um bereits in der sehr frühen Phase einer möglichen Brandentstehung geringste Rauchpartikel detektieren zu können. Als weitere vorbeugende Maßnahme setzt der Betreiber auf aktiven Schutz: Das Brandvermeidungskonzept mittels Sauerstoffreduzierung vermindert das Risiko einer Brandentstehung sowie -ausbreitung drastisch und baut eine Schutzatmosphäre auf, in der sich dennoch das Personal ohne Einschränkungen bewegen kann. Die Wahl fiel auf das Brandvermeidungssystem Oxyreduct von Wagner.

Das Prinzip Sauerstoffreduzierung

Durch Einleiten von Stickstoff wird die Sauerstoffkonzentration im zu schützenden Bereich unter die spezifische Entzündungsgrenze des dort vorherrschenden Materials abgesenkt und dauerhaft gehalten. Der vorhandene Sauerstoff reicht nicht mehr aus, dass sich ein Feuer aufrechterhalten oder ausbreiten kann. Da es faktisch nicht mehr brennen kann, können auch Folgeschäden, die durch Rauch, Ruß oder Löschmittel verursacht werden, ausgeschlossen werden. Der Restsauerstoffgehalt im Schutzraum ist auf unter 14,6 Volumen-Prozent gemäß VdS-Richtlinie definiert, unterhalb der Entzündungsgrenze von Polypropylen, dem kritischen Kunststoffmaterial, aus dem die Kleinladungsträger bestehen.

Auch im Notfall geschützt

Die Brandvermeidungsanlage besteht aus drei wesentlichen Komponenten: Dem Stickstofferzeuger, der Steuerzentrale Oxycontrol und den Sauerstoffsensoren Oxy Sens. Die Steuerzentrale überwacht die vorgegebene Sauerstoffkonzentration und sorgt bei Bedarf für Stickstoffzufuhr. Auch die Anzeigen und Alarmierungseinrichtungen sowie die elektrischen Leitungen kontrolliert sie und setzt bei eventuellen Störungen entsprechende Meldungen ab.

Bei einem Stromausfall wird sie mittels einer eigenen Notstromversorgung über mindestens 30 Stunden in Betrieb gehalten. Der Oxy Sens Sauerstoffsensor misst kontinuierlich den Sauerstoffgehalt der Raumluft in den Schutzbereichen. Acht voneinander unabhängige, hochwertige Sauerstoffsensoren mit einer Messgenauigkeit von ±0,1 Prozent des Messwertes sind dazu im Schutzbereich eingesetzt. Alle Anlagenteile sind redundant vorhanden, sodass beim Ausfall einzelner Komponenten oder bei Wartungsarbeiten der Betrieb weiterhin gesichert ist.

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