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Türen in Fluchtwegen 26. August 2015

Schön geschützte Fluchten

Fluchtwege müssen sicherstellen, dass Menschen in Panik schnell aus einem Gebäude kommen. Bei den Türen in diesen Wegen kommen oft noch weitere Anforderungen hinzu: Sie müssen vor Einbruch schützen, in repräsentativen Gebäuden kommt der Anspruch an die Ästhetik hinzu. Dass die Türen häufig auch dem Brandschutz dienen, ist fast schon eine Randnotiz.

Zutritt für Unbefugte verboten – aber Fluchtweg: Die Tür ist mit einem Fluchtweg-Terminal gesichert, das nur mit einem Schlüssel das Öffnen gestattet.
Zutritt für Unbefugte verboten – aber Fluchtweg: Die Tür ist mit einem Fluchtweg-Terminal gesichert, das nur mit einem Schlüssel das Öffnen gestattet.

Die Planung attraktiv gestalteter, sicherer Fluchtwege ist daher eine komplexe Aufgabe. Einfacher wird die Wahl durch moderne Baukasten-Systeme, bei denen sich die spezifischen Eigenschaften der Türen unkompliziert zusammenstellen lassen – inklusive Qualifikation, Beschlags-ausstattung und Oberflächen. Systemlösungen bieten zudem technische Vorteile, zum Beispiel bei der Montage.

Einbruchschutz im Fluchtweg – das mutet auf den ersten Blick widersprüchlich an: Ein Zugang soll zum einen jederzeit zu öffnen sein, damit alle Personen bei einem Unglück das Gebäude schnell und ungehindert verlassen können. Zugleich soll dieser Zugang immer geschlossen bleiben, damit eben keine Diebe in das Gebäude gelangen können. Das wäre noch einfach, wenn es so klar getrennt wäre: Von innen nach außen Fluchtweg, von außen nach innen Einbruchschutz. Doch im Handel ist auch zu verhindern, dass Kunden kurzerhand den Hinterausgang nehmen und so nicht an der Kasse vorbeikommen. Hier gilt also sowohl die Anforderung „immer zu öffnen“ als auch „immer geschlossen“. Soviel zur Ausgangslage – das lässt sich Schritt für Schritt auflösen.

Normatives

Wer am Bau arbeitet, ist es gewohnt, Normen einhalten zu müssen. Im Brandschutz und in der Fluchtwegsplanung treffen besonders viele Vorgaben zusammen: Deutsche und europäische Normen, eine Vielzahl an Bundes- und Landesverordnungen, der Bauwerkstyp (öffentlich, halb-öffentlich oder nicht-öffentlich), das Zusammenspiel von Feuerschutz-Elementen und Schließsystemen und nicht zuletzt individuelle Wünsche des Auftraggebers an Sicherheit, Komfort und Optik

Für zuverlässigen Brandschutz beziehungsweise zuverlässige Funktion der Fluchtwegstüren ist zudem die fehlerfreie Montage unabdingbar – schon bei kleinen Fehlern drohen böse Folgen. Eine Voraussetzung dafür ist das genaue Einhalten der Einbauvorschriften der Hersteller. Um die Betriebssicherheit dauerhaft zu gewährleisten, sind die Türen außerdem regelmäßig zu warten.

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Anforderungen an Türen in Fluchtwegen

Die erste Überlegung gilt der Größe der Tür. Sie richtet sich danach, wie viele Menschen sich in einem Gebäude aufhalten können. Je mehr Personen evakuiert werden müssen, desto breiter muss der Durchgang sein – und selbstverständlich gilt das Gebot der Schwellenfreiheit.

Weitere gesetzliche Vorschriften hängen vom Gebäudetyp ab. So schreibt beispielsweise die Betriebsstättenverordnung für gewerblich genutzte Bauwerke weitere Anforderungen vor. Einige Bundesländer legen über die jeweilige Landesbauordnung (LBO) Mindesthöhen für Durchgänge in öffentlichen Gebäuden fest – zum Beispiel in Berlin eine Baurichtmaßhöhe von mindestens 2.125 Millimetern. Abhängig davon, ob nur autorisierte Personen Zutritt zum Gebäude haben oder ob es öffentlich zugänglich ist, kommen weitere Auflagen hinzu – wer sich in „seinem“ Gebäude auskennt (am Arbeitsplatz), reagiert bei Gefahr eher rational als bei Ortsunkenntnis. Im zweiten Fall droht Panik. Ein Gebäude muss für diesen Fall so ausgerüstet sein, dass jeder sofort und intuitiv den nächsten Ausgang ansteuert und diesen problemlos öffnen kann. Die richtige Auswahl an Feuerwiderstandsklasse, Element-Größe (lichte Breite) sowie Rauchschutz ist also erst nach einer genauen Analyse der länderspezifischen und bauwerks-typologischen Aspekte möglich.

Immer leicht zu öffnen

Türen in Rettungswegen müssen in Fluchtrichtung leichtgängig jederzeit und in voller Breite geöffnet werden können. Das bedeutet aber auch, dass die Durchgänge nicht verriegelt sein dürfen. Genauer: Die Tür muss sich in Fluchtrichtung ohne Schlüssel oder andere Hilfsmittel öffnen lassen. Immerhin: Verriegelungen, die nur entgegen der Fluchtrichtung wirken, sind also unproblematisch.

Bei der Wahl der Beschläge kommen nur Drücker-Schloss-Kombinationen beziehungsweise Panikstangen-Schlösser infrage, die als geprüfte Einheit zugelassen sind. Dabei ist zwischen Not- und Panikausgängen zu unterscheiden. Welcher Ausgang zu wählen ist, hängt vom Bauprojekt ab – im Panikfall reichen konventionelle Türdrücker nicht aus. Hier kommen meistens Panikstangen zum Einsatz. Besonders elegant sind „Pushbars“: Sie laufen über die gesamte Türbreite, stehen aber im Gegensatz zu den sonst üblichen Stangengriffen rund ein Drittel weniger in den Raum. Diese Technik ist bereits nach der EN 1125 für Fluchtwege zugelassen. So bleibt vor der Tür mehr Platz, und an der kompakten Bauform kann sich nichts verhaken.

Immer häufiger wird zusätzlich zum Feuerschutz auch Rauchschutz (DIN 18095) gefordert oder bedingt durch die Bauordnungen vorgegeben. Die Kombination von Feuer- und Rauchschutz kann mittlerweile als Stand der Technik angesehen werden und sollte möglichst auch immer so umgesetzt werden, um optimale Sicherheit zu gewährleisten. Ist nur eine dieser Leistungseigenschaften gefordert, sollte unbedingt hinterfragt werden, ob nicht doch die Kombination zum Einsatz kommt. Es ist nicht mit Sicherheit auszuschließen, dass ein Gericht im Streitfall die Kombinationsvariante als „allgemein anerkannte Regel der Technik“ wertet – und dann trotz Einhaltung aller Normen sogar ein Regress möglich wird.

Konfliktfall Außentüren

Bei Außentüren kommt es häufig zu einem Interessenkonflikt zwischen der Vorgabe „unverschließbar“ und der Zugangskontrolle oder dem Einbruchschutz. Im einfachsten Fall ist auf der Außenseite ein Knauf anstelle des Drückers – analog einer Hauseingangstür. Selbstverriegelnde Anti-Panikschlösser (SVP) bieten höheren Einbruchschutz bis zur Widerstandsklasse 4: Derart ausgestattete Türen lassen sich von innen einfach über den Türdrücker öffnen, schließen dann selbsttätig und verriegeln sofort. Mittlerweile gibt es diese Systeme auch mit Mehrfachriegeln.

Aufwendiger wird es, wenn der Ausgang nur für den Brandfall geplant ist. Beispiele sind Fluchtwegstüren in Kaufhäusern: Damit Diebe nicht einfach mit der Ware durch den Notausgang marschieren, sind zusätzliche Sicherheitsmodule erforderlich: Alarmanlagen, die das Öffnen einer Tür melden und geschützt liegende Türöffner, die das „versehentliche“ Öffnen verhindern, sind geeignete Schutzvorrichtungen.

Mit elektronischen Steuereinheiten lassen sich noch individueller abgestimmte Lösungen realisieren wie zeitabhängig freigegebene oder geschlossene Türen. Beispiel Kindergarten: Der freie Zugang wird auf die Bringzeiten am Morgen und die Abholzeiten am Mittag beschränkt, am Vormittag bleibt die Tür verschlossen. Diese Regel schützt die Tagesstätte vor unkontrolliertem Zutritt und verhindert, dass die Kinder den Kindergarten alleine verlassen. Ein entsprechend hoch montierter Taster erlaubt das Öffnen der Tür von innen.

Und Innentüren?

Auch bei Innentüren kommt als Zusatzfunktion regelmäßig der Zugangsschutz hinzu. Anspruchsvolle Lösungen sind beispielsweise dort zu finden, wo Gebäudeteile nur von ausgewählten Mitarbeitern genutzt werden, die zugleich Fluchtweg sind: Hier darf also im Normalfall kein Unbefugter hinein, bei einer Katastrophe muss der Durchgang aber für jeden sofort frei sein. Für dieses Profil gibt es Zugangskontrolle mit Fluchtweg-Terminal. „Scharf“ ist die Tür verschlossen und nur durch Schlüssel oder Chipkarte zu entsperren. Im Notfall kann eine Scheibe am Terminal eingeschlagen werden. Das unterbricht die Scharfstellung, und die Tür lässt sich öffnen, löst aber auch sofort Alarm aus.

Umgekehrt sollen viele Feuerschutzabschlüsse im Normalbetrieb offen stehen – Beispiele sind Flure in Altenheimen und Krankenhäusern. In diesen Fällen kommen Feststellanlagen mit autarker Rauch-/Brand-Erkennung zum Einsatz, die die Flügel im Notfall selbstständig schließen. Liegen die Türen im Fluchtweg, gelten die Normen für die Öffenbarkeit des Durchgangs zusätzlich. Generell sind dann Verschlüsse einzusetzen, die die Tür auch ohne elektrische Energie brandschutztechnisch zuhalten. „Fluchttürschlösser“ sind sowohl als Hauptschloss als auch als Zusatzverriegelung möglich. Wird dieser Verschluss als zusätzliche Verriegelung eingesetzt, hat er nach dem Ruhestromprinzip zu arbeiten.

Der Einsatz von Technik steigt: Einbindung in das Facility Management über Bus-Systeme, Zugangskontrolle mit Chip oder Iris-Kennung, Antipanik-Schlösser mit Mehrfachverriegelung erweitern die Variabilität und Individualisierung der nutzerabhängigen Fluchtwegsplanung. Auf der anderen Seite bieten hochentwickelte Systeme immer mehr Möglichkeiten für den Handwerker, komplette Leistungen anzubieten. Montagesysteme mit der ungefährlichen Arbeitsspannung von 12/24 Volt dürfen zum Beispiel auch von Nicht-Elektrikern komplett installiert werden. Die Tür muss dann nur bauseitig von einer Elektrofachkraft an das konventionelle Stromnetz angeschlossen werden.

Ingo Hahn, Produktmanager – Türen und Brandschutzsysteme, Teckentrup GmbH & Co. KG

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