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Personalien 22. Juni 2022

Sicherheitsberater von zur Mühlen verfasst Autobiographie

Der Sicherheitsberater Rainer von zur Mühlen legt seine Autobiographie vor: Ein Einblick in die ansonsten verschlossene Welt der Geheimdienste und Sicherheitsberater.

In seiner Autobiographie beschreibt der Sicherheitsberater Rainer von zur Mühlen drei Lebensabschnitte.
In seiner Autobiographie beschreibt der Sicherheitsberater Rainer von zur Mühlen drei Lebensabschnitte.

Der Doyen der deutschen Sicherheitsberater, Rainer Adalbert Heinrich von zur Mühlen hat seine Autobiographie verfasst.

Schon als Kind lernte von zur Mühlen, auffällige Verhaltensweisen zu erfassen und auszuwerten. Damals ging es um die Sicherheit seines Vaters, der in West-Berlin einen Nachrichtendienst aufgebaut hatte und vom russischen Geheimdienst gejagt wurde. Aufklärungsgebiet waren die Sowjetische Besatzungszone, Ukraine, Russland und die Baltischen Staaten. Die Familie lebte zunächst in Berlin und später in Bonn. Schon im Studium machte sich von zur Mühlen selbständig und baute ein heute international operierendes Beratungshaus auf.

Autobiographie beginnt in den Nachkriegsjahren

Seit ihrem vierten Lebensjahr sind Geheimdienste für Sie nichts Fremdes, weil ihr Vater einen aufbaute und weitere Familienmitglieder für Dienste arbeiteten. Wäre eine solche Karriere nicht reizvoll gewesen?

Rainer von zur Mühlen: Man hat es mir mehrfach angeboten. Ich habe mich dagegen entschieden und bereue es nicht. Mein Leben war so freier, aber mindestens genauso spannend.

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Als Kind im Vorschulalter unternahmen sie Sprengversuche mit Eierhandgranaten, die sie in Berliner Trümmergrundstücken fanden. Später landeten Sie auf der Beobachtungsliste der RAF, wurden von Startbahn-West Gegnern in Frankfurt fast gelyncht, und bei der Bekämpfung der Korruption am Bau gerieten Sie mit mächtigen Gegnern aneinander. Wie geht man mit solchen Gefahren um?

Rainer von zur Mühlen: Als Kind habe ich die Gefahren als beherrschbar wahrgenommen. Aber man war „genetisch“ vorsichtig und viel selbständiger als die behüteten Kinder heute. Außerdem kann ich mich eigentlich weder richtig ärgern noch fürchten. Mein Vater hat mir schon als Kind beigebracht, wie man feststellt, dass man observiert wird. Spielerisch für unsere Räuberspiele. Nützlich ist Reaktionsvermögen. So konnte ich vermeiden, von Startbahn-West Demonstranten schwer verletzt zu werden.

Wieso haben Sie sich Anfang der 70er Jahre für IT-Sicherheit interessiert? Ein Thema, das damals eigentlich kein Thema war.

Rainer von zur Mühlen: Ich wollte Wirtschaftsprüfer werden, habe das studiert und mir sind während des Studiums die mangelnden EDV-Kenntnisse der Wirtschaftsprüfer aufgefallen. Ich fragte mich, wie man etwas prüfen soll, von dem man nichts versteht. Darum lernte ich selbst programmieren, schrieb zwei Programmanipulationen, um die Gefährdung zu beweisen. Daraus entstanden meine Diplomarbeit und anschließend ein Buch zum Thema Computerkriminalität, das sich erstaunlich gut verkaufte. Trotzdem gab es viel Gegenwind, da man mir vorwarf, das Problem aufzubauschen.

Von zur Mühlen als erster deutscher Hacker

Dann waren Sie der erste deutsche Hacker …

Rainer von zur Mühlen: So würde ich es nicht nennen, denn es war alles abgesprochen und eher ein akademischer Test. Doch es gelang mir, eine IBM 360 so zu manipulieren, dass ich nicht existente Mitarbeiter besolden und bei der Zinsberechnung anfallende Rundungsbruchteile auf ein verstecktes Konto buchen konnte. Dazu war es nötig, den Manipulationsschutz, die „Mischsummenkontrolle“ mittels eines geeigneten Algorithmus auszuhebeln. Für die nötigen Kalkulationen nutzte ich damals eine Brunsviga Handkurbel-Rechenmaschine. Anschließend wurde alles mit Lochkarten erfasst und in den Großrechner eingespielt. Das brachte mir erste Aufträge, der Beginn einer langen Arbeit für die Sicherheit. Es wurde nötig, nicht nur den Rechner vor Manipulationen zu sichern, sondern auch seine Infrastruktur und das Gebäude, in dem er stand. Das Zeitalter des RAF Terrorismus hatte begonnen. Mehrfach wurde versucht, Rechenzentren durch Sprengstoffanschläge auszuschalten. Der Gebäudeschutz musste massiv nachgebessert werden. Ich wurde Deutschlands erster professioneller Rechenzentrumsplaner. Aber es blieb nicht bei der IT.

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Wie kommt man auf die Idee, linke Sprayer mit Jungstieren zu verscheuchen, Herointote durch blaues Licht zu bekämpfen oder Punker mit Heino zu vertreiben?

Rainer von zur Mühlen: Ich bin Querdenker im Sinne von Edward de Bono, einem Arzt, Hirnforscher und Philosophen! Er bezeichnete das übliche konsekutive Denken als linear oder lineare Logik. Das laterale Denken folgt hingegen nicht den klassischen, logisch aufeinander aufbauenden Schritten, sondern baut in den Denkprozess oder Kreativprozess Assoziationen aller Art ein, die völlig neue Fragen aufwerfen und meistens auch verblüffende Antworten oder Lösungen beinhalten. Das bedeutet, neue Ideen zu generieren, indem Wissen aus anderen Bereichen mit der aktuellen Problemsituation kombiniert wird.

Das Verhalten von jungen Büffeln lernte ich während eines Stipendiums in Kanada kennen. Sie sind robust, leben das ganze Jahr draußen und sind aggressiv. Niemand wird freiwillig ein Feld mit jungen Bullen betreten, nur um eine Wand mit Parolen zu verzieren. Eine legale, preiswerte und zuverlässige Schutzmethode. Durch Gespräche mit der Polizei lernte ich das Verhalten von Drogensüchtigen kennen. Sie benötigen für den „Schuss“ Blickkontakt mit ihren Adern, und den machte ich unmöglich, als ich die betroffenen Örtlichkeiten in 15000 Kelvin kaltes Licht hüllen ließ. Diese Technik hat sich schnell bewährt und wurde weltweit kopiert, leider ohne Lizenzzahlungen an meine Firma. Apropos Einkaufzentren. Als wir gebeten wurden, etwas gegen Punker zu unternehmen, war es mein Partner, der die entscheidende Idee beisteuerte. Musik! Punker mögen weder Heino noch Rudolf Schock! Sie empfinden das als strafrechtlich nicht verfolgbare Körperverletzung und verlassen das Gelände freiwillig. Ausgaben für Wachpersonal mit Hunden konnten wir dem Auftraggeber so ersparen.

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Worauf sollte ein Sicherheitsberater auf Reisen ins Ausland achten?

Rainer von zur Mühlen: Unterschiedlich. Jedes Land hat andere Risiken. Wenn sich Ihre Frage auf Nachrichtendienste bezieht, dann keine sensiblen Daten auf Computern oder Telefonen mit sich führen, die nicht hochverschlüsselt sind. Im Hotelzimmer davon ausgehen, dass es verwanzt sein könnte. Auch empfiehlt es sich, brav allein zu übernachten und so versteckte Kameras wirkungslos zu machen. Und man sollte immer aufmerksam sein. Ich bin in Kiew einmal überfallen worden, weil man mir einen USB-Stick mit Daten stehlen wollte. Die rabiaten Methoden des KGB, die ich während meiner Kindheit in Berlin kennengelernt hatte, werden weiter praktiziert.

Sind Geheimdienste eigentlich omnipräsent?

Rainer von zur Mühlen: Wir haben mehr Berührungspunkte als wir glauben. Aber man weiß ja, was für sie interessant sein kann. Man sollte die Versuche, ausspioniert zu werden, mit Humor und Sarkasmus ertragen. So wie missliebige Konkurrenten und hasserfüllte Neider, die es in unserer Branche in großer Zahl gibt. So erträgt man drei Leben im Gegenwind, ohne Schaden zu nehmen. Ich habe meine Neider und Intriganten durchnummeriert und in dem Buch eine Auswahl ihrer Aktivitäten beschrieben. Juristisch wasserdicht - aber sie selbst werden sich wiedererkennen, Dritte leider nicht.

Haben Sie je bereut, Sicherheitsberater geworden zu sein, und nicht Professor?

Rainer von zur Mühlen: Keine Sekunde. Dazu ist der Beruf viel zu spannend. Andere lesen Thriller, ich erlebe sie!

Das Interview führte Bernd Schöne für PROTECTOR

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