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Sind neue Geschäftsmodelle nötig?

Die Diskussionen um die Sicherheit hat eine neue Bedeutung erlangt. Wurde bis dato der Begriff der Sicherheit in erster Linie mit der von Privathaushalten und Firmen sowie dem Schutz vor Terrorrisiken in Verbindung gebracht, so gewinnt infolge der jüngsten weltpolitischen Entwicklungen auch die äußere Sicherheit, die Landesverteidigung, wieder an Bedeutung.
Sicherheitslösungen wie Videosysteme sind zunehmend auf Netzwerkstrukturen ausgelegt.
Sicherheitslösungen wie Videosysteme sind zunehmend auf Netzwerkstrukturen ausgelegt.

Dieses Auf und Ab in den übergeordneten Trends bleibt nicht ohne Folgen auf die Entwicklungs-perspektiven und die Geschäftsmodelle in der Branche. In der Sicherheitstechnik existieren im Gegensatz zu vielen anderen Branchen weltweite Trends, welche das Wachstum auch in Zukunft nicht abreißen lassen. Die Gründe für weiter steigende Investitionen sind vielfältig und werden von aktuellen, gesellschaftlichen Megatrends getragen: So fördern latente Terrorrisiken und die zunehmende Bandenkriminalität das Sicherheitsbedürfnis der Bürger ebenso, wie das global und rasant wachsende Migrationsaufkommen, welches die Nachfrage nach Überwachungssystemen vor allem an den südlichen und östlichen Grenzen nach Europa deutlich steigert.

Hinzu kommen Trends, die auf den ersten Blick nicht unmittelbar mit der Sicherheitstechnik in Verbindung gebracht werden, die aber auf deren Produkte zwingend angewiesen sind. Zunehmend beschleunigend wirkt sowohl die fortschreitende Urbanisierung, welche völlig neue Ansprüche an Steuerungs- und Informationssysteme komplexer Infrastrukturen verlangt, wie auch das wachsende Verkehrs- und Transportaufkommen, welches eine bessere Absicherung in Kombination mit der Effizienzsteigerung der Verkehrsnetze und Verkehrsknotenpunkte verlangt. Aber auch die wachsende Vernetzung von Smart Building und Smart Security treiben das Marktwachstum voran und fordern integrierte und ganzheitliche Lösungsangebote.

Gerade diese Breite an sicherheitstechnischen Motiven macht es den Anbietern nicht gerade leicht, sich erfolgreich zu positionieren: Die Interessenslagen von Privatpersonen, Firmen, der inneren Sicherheit und der Landesverteidigung sind grundverschieden. Dennoch kommen in allen Bereichen mitunter die gleichen, oder aber ähnliche Produkte zum Einsatz, wenngleich die qualitativen Anforderungen sehr weit auseinanderlaufen können, wie sich zum Beispiel anhand der Videotechnik für zivile Anwendungen auf der einen Seite, und für öffentliche oder militärische Anwendungen auf der anderen Seite, leicht verdeutlichen lässt. Im einen Fall ist die Kamera lediglich ein Mittel zur Identifizierung eines Besuchers an der Haustür oder am Firmeneingang, im anderen Fall ist sie Teil eines komplexen Systems zum Schutze kritischer Infrastruktur, wie zum Beispiel eines Atomkraftwerks, oder Teil eines Zielerfassungs- und Feuerleitsystems.

Die Spannweite der Sicherheitstechnik geht daher von einfachen, mechanischen und (opto-)elektronischen Komponenten mit Schwerpunkt im B2C-Business, hin zu komplexen und intelligenten Sicherheitslösungen, welche unterschiedliche sicherheitstechnische Funktionen miteinander kombinieren und durch Einbindung von leistungsfähigen Software-Lösungen steuern, mit Schwerpunkt im B2B-Business. Die Abbildung verdeutlicht die Spannbreite und die Heterogenität der einzelnen Produkte und Geschäftsfelder der sicherheitstechnischen Branche.

Die aktuellen Marktentwicklungen zeigen trotz der interessanten Wachstumsperspektiven vielfältige Veränderungen, die bis hin zu Strukturbrüchen führen können:

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  • Wurden früher Einzelprodukte aus den jeweiligen technischen Bereichen angeboten, stehen heute vielfach kombinierte Lösungen, das heißt sicherheitstechnische Systeme im Vordergrund, zum Beispiel Zutrittskontrolle plus Videoverifizierung oder aber komplette Systeme für den Perimeterschutz von Industriebetrieben. Am einen Ende der Geschäftsmodelle steht das Komponentengeschäft, in dem Volumen und Herstell- beziehungsweise Stückkosten dominieren; am anderen Ende finden sich die Systemanbieter wieder, deren Geschäftsmodell sehr viel stärker von der zielorientierten Funktionsintegration und einem leistungsfähigen Projektmanagement bestimmt ist.

  • Die Produktebene ist von den gegensätzlichen Geschäften mit Lowtech- und Hightech-Produkten geprägt. Während auf der einen Seite mechanische, allenfalls einfache mechatronische Komponenten auf dem Markt sind, finden sich am gegensätzlichen Ende des Spektrums hoch komplexe Lösungen. Diese fallen nicht nur durch die beschriebene Kombination verschiedener Einzelgewerke der Sicherheitstechnik auf, sondern auch dadurch, dass sie über hochwertige Software-Algorithmen beispielsweise zur automatisierten Erkennung von Gefährdungssituationen gewissermaßen mit einer mehr oder weniger hohen „Intelligenz“ ausgestattet sind.

  • Auf der Nutzer-/Anwenderseite gilt es den bereits angeschnittenen Spagat zwischen den Bereichen zivile Sicherheit, öffentliche Sicherheit und Landesverteidigung zu realisieren, oder sich auf eines der Segmente zu konzentrieren. Allerdings wird letzteres nicht so einfach werden: Der Boom in der zivilen Sicherheitstechnik führt zu klaren Veränderungen in der Strukturen der bisher solide gegliederten Branche. Existierten augrund unterschiedlicher Marktmechaniken bisher klare Grenzen zwischen dem militärischen und dem zivilen Bereich, drängen aufgrund der Limitationen im Verteidigungssektor zunehmend Rüstungsunternehmen in die zivilen und öffentlichen Marktsegmente vor. Ihr Vorteil: In der Regel sind sie vergleichsweise ressourcenstark und haben durch eine hohe internationale Vernetzung den besten Zugang zu Großprojekten, wie zum Beispiel kompletten Grenzabsicherungssystemen.

  • Immer mehr branchenfremde Unternehmen, vor allem aus dem Bereich der ITK-Industrie entdecken die Attraktivität der Sicherheitstechnik für sich: Firmen wie zum Beispiel Cisco Systems beteiligen sich an Herstellern von Videosystemen, umgekehrt ist die sicherheitstechnische Branche zunehmend auf die Netzwerkstrukturen und das Equipment von Unternehmen wie Cisco angewiesen, um ihre Inhalte zu transportieren. Nicht zu vernachlässigen ist der Wettbewerb aus den Bereichen Building Automation beziehungsweise Smart Building, deren Player sich zusehends als Komplettanbieter von „Convenience & Security“ mit Gesamtlösungen etablieren, welche Heizung, Licht und Energiesteuerung mit Einbruchmeldung, Zutrittskontrolle und Videoüberwachung vernetzen.

Die Branche wird in den nächsten Jahren starken Veränderungen unterliegen. In Teilsegmenten werden die Marktanteile zukünftig völlig neu verteilt werden. In Zukunft geht der Trend noch stärker als bisher weg von Insellösungen hin zu integrierten Gesamtsystemen und Dienstleistungen. Der Markt wird sich daher weiter polarisieren. Demgegenüber wird es auch am unteren Ende mittelfristig zu einer Konzentration der Komponentenanbieter kommen.

Um nicht in das dritte vierte Glied der Supply Chain abgedrängt zu werden, sind eine stärkere Fokussierung des Geschäftsmodells und der enge Kontakt zu den Systemintegratoren zwingend für den Erfolg. Unternehmen, denen diese Neuausrichtung nicht rechtzeitig gelingt, sind in ihrer Zukunftsfähigkeit gefährdet. Hinzu kommt, dass im „preiswerten“ Marktsegment zunehmend neuer Wettbewerb über die etablierten IT-Hersteller und asiatische Komponentenanbieter zu erwarten ist.

Im Hinblick auf die Strukturveränderungen in der Branche muss aber daher das Geschäftsmodell auf den Prüfstand, denn selbst aus einer heute marktführenden Position heraus muss die eigene Marktpositionierung und Wertschöpfungsstruktur unter Berücksichtigung des Wettbewerbsumfelds ständig kritisch hinterfragt werden. Nur wer sich nicht auf seinem bisherigen Unternehmenserfolg ausruht, hat die Chance, den sich verändernden Markt auch künftig mitzugestalten.

Dr. Peter Fey, Senior-Manager, Dr. Wieselhuber & Partner GmbH

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