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„Sprinkleranlagen würden helfen“

Die Deutschen werden älter und leben länger, damit steigt auch die Anzahl der Pflege- und Betreuungseinrichtungen. Und mit den Problemen, die auch für Feuerwehren erwachsen, befasst sich der Amtsleiter der Feuerwehr Bonn, Jochen Stein. Auf dem diesjährigen Symposium „Baurecht und Brandschutz“ des Bureau Veritas legte er dazu Überlegungen für neue und angemessenere Schutzkonzepte vor. PROTECTOR sprach mit ihm nach dem Symposium über das komplexe Thema.

Immer öfter entfällt die Verpflichtung für das Vorhalten von Stellflächen für Hubrettungsfahrzeuge – wenn zwei bauliche Rettungswege im Gebäude vorhanden sind. Mit etwas Chuzpe versucht der Feuerwehr-Amtsleiter bei Vorgesprächen Bauherren, Planer und andere Verantwortliche davon zu überzeugen, dass Feuerwehr-Aufstellflächen durchaus auch ohne Brandbekämpfung nützlich (und Geld sparend) sein können, wenn später einmal Dach- oder Fassadenreparaturen anstehen. Auch normale Zuwege zu Pflege- oder Betreuungseinrichtungen könnten jeweils so breit und so befestigt angelegt werden, dass Feuerwehrfahrzeuge darüber fahren können.

Einbau von Sprinkler-Anlagen

Ein anderes Anliegen ist Jochen Stein der Einbau von Sprinkleranlagen. Dabei sieht er den „deutschen Über-Perfektionismus“ als Hindernis. Bei Sprinklern müssten unnötigerweise hundertprozentige Absicherungen und dreifach abgesicherte Zusatzleistungen erbracht werden, „dabei wäre die Feuerwehr bei diesen Objekten mit 95 Prozent Verbesserung schon sehr zufrieden“. Es brauche keinen eigenen Kellerraum voll Löschwasser-Tanks und allem technischen Gerät – „eine kleine Sprinkleranlage an der Hauswasserleitung“ würde es für diese Anwendungen in seinen Augen auch tun. Und die könnte überall auch nachträglich eingebaut werden.

Oft genug ist nach Steins Erfahrung die irrige Meinung vorherrschend, gute Brandmeldeanlagen böten für Pflege- und Betreuungsanlagen schon Sicherheit genug. „Die sind sehr wichtig, warnen aber nur und löschen nicht“, sagt der Feuerwehrmann plastisch. Und ebenso oft werde die Gefahr der Rauchentwicklung und ihrer Auswirkungen unterschätzt. Wenn es in einem Pflege- oder Krankenzimmer brennt, dann müssen die dort Wohnenden innerhalb von Sekunden aus dem Zimmer gebracht werden. „Da ist keine Zeit für die Bereitstellung von Rollstühlen oder Rettungsmatratzen – für die Personenrettung gilt dann nur noch: Greifen, ziehen, schleppen, was wir Crash-Rettung nennen“. Daher erübrigt sich nach Steins Meinung auch die Diskussion über Türbreiten zur eventuellen Personenrettung in Betten.

Unterschätzter Brandrauch

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Leider weiter verbreitet als vermutbar sei die Vorstellung, der Brandrauch ähnele dem am Lagerfeuer und mit etwas Husten wäre es dann getan. „Zwei Atemzüge aus dem Brandrauch und man ist tot“, formuliert er drastisch. Und wenn in Diskussionen immer mal wieder die Frage auftaucht, ob man als Rettungshelfer nicht doch die Patienten irgendwie transportieren könne, fragt er regelmäßig zurück: Wenn Sie so lange den Atem anhalten können? Insbesondere die vielen Kunststoffe, die allenthalben verbaut sind, machen den Rauch besonders gefährlich.

Auch die Personenrettung über Feuerwehrleitern sei bei diesen Bewohnern nicht realistisch. „Wenn es in einem Zimmer brennt: Raus aus dem Zimmer, allein oder mit Hilfe, Tür hinter sich zumachen“, lautet sein Ratschlag. Selbst eine Flucht über die Rettungswege sollte nicht unbedingt sofort angetreten werden, wenn dort Brandrauch ist. Besser sei es dann, auf die Feuerwehr zu warten. Löschangriffe über die Drehleiter aber seien immer besonders geeignet.

Größe nicht entscheidend

Der Symposiums-Referent sieht bei Überlegungen zum Brandschutz in Pflege- und Betreuungseinrichtungen übrigens keinen Unterschied, ob es sich um große oder – immer öfter anzutreffende – kleine Einrichtungen handelt. Wichtig ist in seinen Augen immer, dass insbesondere nachts mindestens zwei Personen Dienst haben. Aber auch er weiß, dass nachts oft Personal fehlt. Und Vorschriften allein nützen nichts. Jedes Bundesland hat dazu seine Richtlinien-Kompetenz.

Häufig werde von den Erbauern und/oder Betreibern solcher Heime ein „schlüssiges Konzept“ für die Rettung im Brandfall verlangt – eine Definition solcher Konzepte aber fehlt. Bis zu 200 Quadratmetern Größe sind zudem Einrichtungen mit Pflege- oder Betreuungs-Charakter nicht als Sonderbauten definiert. So gibt es inzwischen ja auch Wohngemeinschaften mit gegenseitiger Hilfe, wie sie der frühere Bremer Bürgermeister Henning Scherf propagiert (und lebt). Ob sechs, acht oder zehn Bewohner solcher WGs – hier gelten ohnehin vereinfachte Regelungen.

Brandmeldeanlagen

Auf keinen Fall aber sollte falsch verstanden werden, wenn die Feuerwehr als Optimum zwei Rauchmelder pro Zimmer vorschlägt, die beide auslösen müssen. „Es nützt gar nichts, wenn in den Zimmern je ein Rauchmelder installiert wird und der zweite auf dem Flur“, erläutert Stein. Die doppelte Absicherung dient dazu, Temperaturen und Rauchentwicklungen richtig einzuordnen, um Fehlalarme zu vermeiden. Als Alternative empfiehlt Stein auch Mehrkriterien-Melder. Aufschaltungen zur Feuerwehr sind nach Steins Ansicht zwar empfehlenswert, für kleinere Einrichtungen aber nicht zu stemmen.

Auf Wandhydranten könne in jedem Fall verzichtet werden – Ersthelfer benutzten sie ohnehin nicht und für die Feuerwehr seien trockene Steigleitungen oft besser. Ob große Einrichtung oder kleiner Pflegebetrieb, Stein plädiert nachdrücklich dafür, dass die Ansammlung von Brandlasten in notwendigen Rettungsfluren nur „eng gefasst“ sein dürfe und bei regelmäßigen Kontrollen konsequent zu überprüfen sei. Entsprechendes gilt für Einbauten in solchen Fluren. Ideal sind in seinen Augen Freilauftürschließer für alle Türen von Bewohnerzimmern. Aber auch hier sieht er die finanziellen Grenzen.

Praktikable Lösungen

Aus den Erfahrungen vieler Feuerwehreinsätze konstatierte der Symposiums-Referent Stein, dass es „sehr häufig“ zu Einsätzen in Pflege- und Betreuungseinrichtungen kommt, dass ein Vollbrand sich kurzfristig, „deutlich unter zehn Minuten“ entwickeln kann, oft genug schon in vier Minuten und das ohne Brandbeschleuniger. Häufig seien getötete Bewohner zu beklagen, häufig auch verletzte Pflegekräfte.

Und für die Feuerwehr sei für jeden Einsatz in solchen Einrichtungen „ein hoher Kraftaufwand“ nötig. Es sei aber längst nicht überall möglich, durch Vorbesichtigung oder das Bereithalten von Einsatzplänen auf jeden Brand in jeder Einrichtung vorbereitet zu sein. Auch für die Betreiber von Einrichtungen im Pflege- und Betreuungsbereich sollte der Hinweis von Jochen Stein nützen, auf Über-Perfektionismus zu verzichten und – im Gespräch mit Feuerwehr-Fachleuten – nach praktikablen Lösungen zur Brandvermeidung und, wenn nötig, Brandbekämpfung zu suchen.

Georg Ubenauf

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