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Die Quadratur des Kraiss 5. November 2013

Vergessen und vergeben?

Die Wahlen zum Deutschen Bundestag sind vorbei. Die NSA-Affäre war gestern. Die Sondierungs- und Koalitionsgespräche sind heute. Was ist geblieben vom Aufschrei der Presse?

<b>Ich schwöre…</b>

Zu Beginn der neuen Regierungsperiode werden Kanzlerin, Minister und Bundesbeamte auf ihr Amt vereidigt. Die Eidesformel lautet: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“

Wäre danach nicht angesagt, das Thema „Prism“, Tempora“ und Co. erneut aufzugreifen und endlich für Klarheit zu sorgen? Vielleicht wäre es auch der Zeitpunkt, die Öffentlichkeit über „Indect“ aufzuklären. Völlig aus den Augen der Öffentlichkeit und Medien geraten, greift Indect wesentlich stärker in die Persönlichkeitsrechte der EU-Bürger ein. Das Programm, mit 15 Millionen Euro von der EU finanziert, soll Gefahrensituationen automatisch erkennen, Gewalt,- Bedrohungen sowie abnormales Verhalten analysieren und so eine effektive Lösung zur Bekämpfung des Terrorismus und der Kriminalität sein. Persönliche Internetdaten, Mails oder Chats, Kreditkartenzahlungen sowie Videoaufzeichnungen sollen ausgewertet und ein Verhaltensmuster verdächtiger Personen erstellt werden. Indect wurde sehr realitätsnah entwickelt und soll Ende 2013 abgeschlossen werden. Einige der Lösungen zur computergestützten Auswertung von Audio- und Videoströmen sollen angeblich bereits getestet werden. Wie es weitergeht, ist unklar.

<b>Transparenz oder Täuschung</b>

Der EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser hat sich, wie viele andere auch, gegen Indect ausgesprochen und fordert: „Wer die perfekte Überwachung plant, muss auch ein Mindestmaß an Transparenz zulassen.“ Dagegen nahm Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich die Anschläge in Boston zum Anlass, eine baldige Einführung der Technik zu fordern. Bedenklich ist die Äußerung des Bundesinnenministers nach einer Sitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums zu den Enthüllungen über Prism allemal: Sicherheit sei ein „Supergrundrecht“, das gegenüber anderen Rechten herauszuheben sei. Offensichtlich räumt er Maßnahmen zur Sicherheit Vorrang vor allen anderen Grundrechten ein. Wollte er damit sagen, dass jedes Mittel recht ist, wenn es um Sicherheit geht? Ein Mitglied des EU-Parlaments, Alexander Alvaro, beschwichtigt die Öffentlichkeit: „Es gibt mindestens drei Grundgesetzartikel, die gegen den Einsatz von Indect sprechen“ - und bezweifelt im gleichen Atemzug, dass Indect vom EU-Parlament legitimiert wird. Er schließt allerdings nicht aus, dass einzelne Elemente des Projektes in Überwachungslösungen verwendet werden könnten.

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<b>Wie dem auch sei</b>

Die dem Projekt von Anfang an fehlende Transparenz verursacht berechtigtes Unbehagen, und genau das will die EU künftig besser machen. Das von 2014 bis 2020 angesetzte Forschungsprojekt „Horizont 2020“ enthält wieder Projekte, die sich mit Sicherheitsforschung befassen. Ein Projekt lautet „Integrative, innovative und sichere Gesellschaften“. Egal was dahinter steckt, künftig sollen mindestens 60 Prozent der Ergebnisse transparent veröffentlicht werden. Ob davon auch die Ergebnisse der Sicherheitsforschung betroffen sind, bleibt abzuwarten. Prism, Tempora, Indect und Co. sollten keinesfalls vergessen werden. Vergeben wurde ja bereits, die Wahl hat es gezeigt. Es liegt aber in der Hand der neuen Regierung, wenigstens Transparenz herzustellen. Ich muss bei allem Unbehagen aber zugeben, dass mir der Gedanke gefällt, vielleicht in naher Zukunft über ein Videoanalyseprogramm zu verfügen, mit dem eine leistungsfähige Mustererkennung zur automatischen Objekterkennung und Objektverfolgung durchgeführt werden könnte. Was könnte man im Bereich der Objektsicherung damit doch alles machen...

Volker Kraiss, Senior Security Consultant

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