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Axis Roundtable 25. August 2015

Videoüberwachung im Einzelhandel

Worauf müssen sich Einzelhändler im Bereich Sicherheit einstellen? Wie können Sie sich vor organisierten Banden sowie Diebstählen besser schützen? Diese und viele andere Fragen standen vor kurzem anlässlich des ersten Axis Roundtables zur Diskussion, an der Hersteller, Einzelhändler, Forscher und Journalisten beteiligt waren.

André Hanekamp (links), Prokurist bei Edeka Lustfeld, berichtete von organisierter Kriminalität.
André Hanekamp (links), Prokurist bei Edeka Lustfeld, berichtete von organisierter Kriminalität.

Frank Horst, Leiter des Arbeitskreises Inventurdifferenzen beim EHI Retail Institut Köln, diskutierte zusammen mit André Hanekamp, Prokurist bei Edeka Lustfeld, und Ralph Siegfried, Business Development Manager Retail bei Axis Communications, mit eingeladenen Journalisten. Neben der Fragestellung, ob zu viele Kameras eingesetzt werden, standen Themen wie die gesetzlichen Vorgaben und der Datenschutz, im Fokus der Diskussionsrunde.

Schwer Diebstähle nehmen deutlich zu

Ist Videoüberwachung im Einzelhandel sinnvoll? Können Kameras Verbrechen verhindern? Diesen Fragen gingen die Experten während des Roundtables auf den Grund und diskutierten unterschiedliche Sichtweisen. Der Einzelhandel beklagt jährlich Verluste von etwa 2,1 Milliarden Euro durch Diebstähle. Besonders beliebt sind Produkte aus dem Spirituosen- und Kosmetikbereich, teure und schnell absetzbare Waren. Die vom EHI durchgeführte, jährliche Studie zu den Inventurdifferenzen in Deutschland zeigt, dass schwere Ladendiebstähle, die angezeigt wurden, um 12,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr zugenommen haben. 2014 wurden 19.600 solcher Delikte zur Anzeige gebracht. Nach Einschätzung der befragten Händler ist ein Anstieg vor allem des professionell organisierten Ladendiebstahls, wie Bandendiebstählen und gewerbsmäßigen Diebstählen, weiter zu befürchten.

Organisierte Banden plündern Geschäfte

So berichtete Frank Horst, dass rund ein Viertel der Verluste auf das Konto des organisierten Verbrechens gehen. Die Banden gehen dabei äußerst strukturiert vor, wie Edeka-Prokurist André Hanekamp selbst schon erlebt hat. Vier bis fünf organisierte Kriminelle köönten ein Geschäft innerhalb weniger Minuten bestehlen. Die Banden hätten teilweise richtige „Einkaufslisten“ dabei und würden äußerst gezielt und strukturiert vorgehen. Besonders betroffen ist der Textilhandel. Das Problem aus Sicht der Diskussionsteilnehmer liegt dabei vor allem bei fehlenden Konsequenzen für die Täter und einer verhältnismäßigen Bestrafung. Da es selten gelingt, mehr als ein Mitglied zu fassen, kann der bandenmäßige Diebstahl meist nicht nachgewiesen werden.

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Doch welche Rolle spielen IP-Kameras? Können sie Verbrechen verhindern? Helfen sie dem Einzelhändler, seine Mitarbeiter, Waren und sein Geschäft zu schützen? Immer wieder hört man die Meinung, Kameras könnten einen Raubzug von organisierten Banden nicht verhindern. Denn wer es sich vorgenommen hat, in einem Supermarkt etwas zu stehlen, wird sich von Sicherheitskameras nicht abhalten lassen. Doch Kameras bieten auch Lösungsansätze. Laut übereinstimmender Meinung von Frank Horst und André Hanekamp sind die meisten Ladendiebe Mehrfachtäter. Daher sei die forensische Aufarbeitung wichtig, um wiederholte Diebstähle zu verhindern. Dank guter Bildqualität von IP-Kameras könnten die Täter identifiziert und beim nächsten Versuch auf frischer Tat ertappt werden. André Hanekamp beschrieb den Vorgang folgendermaßen: Kameras zeichnen den ersten Raubzug auf und die Bilder der Täter werden anschließend an die Mitarbeiter ausgegeben, so dass die Täter bei einem zweiten Versuch sofort erkannt werden. So könnten schon vor dem Diebstahl geeignete Maßnahmen ergriffen werden. André Hanekamp ist zudem überzeugt, dass es in einschlägigen Kreisen schnell bekannt wird, welches Geschäft umfangreich und welches eher dürftig abgesichert ist.

Intelligenz in der Kamera überführt Täter

Eine zweite Ebene, um Diebstähle zu verhindern, bieten immer intelligentere Kameras. Mit einer Videoanalyse-Software zur Gegenlauferkennung ausgestattet, kann registriert werden, wenn Kunden durch den offenen Eingang das Geschäft mit einem vollen Einkaufswagen verlassen wollen. So können die Mitarbeiter eingreifen und einen Diebstahl verhindern, ohne dass zusätzliches Personal am offenen Eingang platziert werden muss. Auch Dome-Kameras erschweren das Geschäft der Verbrecherbanden, da nicht erkennbar ist, welcher Bereich genau überwacht wird. Das erhöht auch den Abschreckungseffekt merklich. Wichtig sind auch die Auswahl der richtigen Kamera sowie die passende Platzierung. Essentiell ist eine ausgewogene Mischung aus den sogenannten Überblicks- sowie Detailkameras. Zudem sollte zumindest eine Kamera ein Bild auf Augenhöhe vom Gesicht eines mutmaßlichen Diebes aufzeichnen. Wichtig ist eine hohe Auflösung der Bilder, damit diese später forensisch auswertbar sind.Ein gutes Videoüberwachungssystem stärkt auch die Mitarbeiter, die damit „Aussage gegen Aussage“-Situationen vermeiden, wenn sie einen vermeintlichen Dieb auf frischer Tat ertappen. Das Videomaterial dient in diesem Fall als Beweismittel.

Entgegen der weitläufig verbreiteten Meinung, ist das Kundenfeedback auf die im Einzelhandel eingesetzten Kameras positiv. Das bestätigte die von der EHI durchgeführte Studie. So bewertet 12 Prozent der Kundschaft die Überwachung positiv. 83,8 Prozent ist weder negativ noch positiv eingestellt. Denn auch die Kunden erfahren dadurch Vorteile. Nicht selten wird ein Portemonnaie verloren oder gar gestohlen oder die EC-Karte im POS-Bereich liegen gelassen. Hier kann die Auswertung der Kamerabilder wertvolle Hinweise geben. Auf Kundenseite überwiegt daher das Gefühl der Sicherheit, dass Kameras vermitteln. Auch für die Mitarbeiter bieten die Kameras eine Erleichterung: Die Gewaltbereitschaft bei Überfällen nimmt stark zu. Intelligente Funktionen der Kameras können zum Beispiel schrille Stimmen oder splitterndes Glas erkennen und daraufhin automatisch Alarm auslösen. Denn gerade in einer so gefährlichen Situation wie einem Überfall ist es für Mitarbeiter schwierig noch daran zu denken, den Alarmknopf zu betätigen. Die Kameras übernehmen diese entscheidende Funktion und lösen beispielsweise im Alarmcenter oder Sicherheitsbereich Alarm aus, bevor der Täter dies verhindern kann. So können viel schneller etwa die Polizei oder das Sicherheitspersonal verständigt werden.

IP überholt analoge Technologie

Auch der Einsatz von Kameras im Kassenbereich war während des ersten Axis Roundtables ein intensiv diskutiertes, vor allem in Deutschland sehr heikles Thema. Hintergrund der kritischen Einstellung sind zum einen die Datenschutzrichtlinien, zum anderen auch auf oft die noch strengeren Vorgaben des Betriebsrates. Dabei kann über die Einrichtung einer Privatzone die Privatsphäre und Sicherheit problemlos miteinander in Einklang gebracht werden.Der Trend geht eindeutig hin zu IP-Kameras, das wurde auch in der Diskussionsrunde bestätigt. 2015 galten laut der gemeinsamen Studie zu CCTV im Einzelhandeln von Axis und EHI erstmals die niedrigen Gesamtbetriebskosten, neben den technologischen Vorteilen, als ausschlaggebend für die Anschaffung verglichen mit analogen Kameras. Sie bringen noch einige weitere Vorteile mit sich: So müssen weniger Kameras bei der gleichen Fläche eingesetzt werden, was wiederum eine große Erleichterung sowohl auf der Kostenseite als auch für Detektive darstellt, die weniger Monitore im Auge behalten müssen. Intelligente Funktionen, wie Heat-Mapping oder Warteschlangenmanagement, können schnell, einfach und kostengünstig wichtige Daten liefern, die auch für andere Abteilungen, wie dem Marketing, interessant sein können. Der Online-Handel kann beispielsweise diverse Daten über seine Kunden erheben und dadurch sein Angebot personalisieren. Hier herrscht im stationären Handel noch Aufholbedarf. IP-Kameras können ebenfalls wichtige empirische Daten erheben, was auch zunehmend als Funktion genutzt wird. Wichtig ist hier, dass diese Lösung datenschutzkonform ist, da sie die empirischen Daten vom Bild trennt und so eine Zuordnung der Daten zu bestimmten Personen deutlich erschwert.

Fazit: Videoüberwachung – ein wichtiges Instrument für den Einzelhandel

Videoüberwachung kann die wachsende Bedrohung von organisiertem Bandendiebstahl nicht verhindern, liefert aber eine wertvolle Unterstützung. Einerseits, um Straftaten aufzuklären und andererseits, um Mehrfachtaten zu verhindern. Eine funktionierende und aktiv genutzte Überwachungsanlage spricht sich in der Banden-Szene schnell rum, sodass die Chance besteht, dass damit ausgestattete Läden eher gemieden werden. Weder Kunden noch Mitarbeiter fühlen sich überwacht, sondern schätzen die installierten Kameras, da diese ein Gefühl der Sicherheit vermitteln und wertvolle Unterstützung im Notfall liefern können.Aufgrund niedrigerer Gesamtbetriebskosten, greifen immer mehr Händler zu IP-Systemen. Die Amortisation der Kosten kann hauptsächlich über den Diebstahlrückgang gerechnet werden. Weiterhin verbessern Zusatzfunktionen der Video-Analyse zur Erfassung des Kundenverhaltens den ROI.

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