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Vom Geben und Nehmen

Pessimisten gehen davon aus, dass es keinen Bereich im Geschäftsleben gibt, der frei von Bestechung ist. Ob die Situation wirklich so trostlos ist und welche Lösungsansätze es gibt, wollte PROTECTOR von Robert Kilian, Vorstands-vorsitzender des German Chapter Of Association Of Certified Fraud Examiners (ACFE) e.V., wissen.

Korruption ist ein weit verbreitetes internationales Delikt.
Korruption ist ein weit verbreitetes internationales Delikt.

PROTECTOR: Herr Kilian, erschrecken Sie bei der morgendlichen Zeitungslektüre über spektakuläre neue Korruptionsfälle oder bestätigt Sie das in Ihrer Haltung, dass diese Delikte irgendwann immer ans Licht kommen?

Robert Kilian: Niemand, der mit dem Thema Korruptionsprävention und Aufklärung befasst ist, wird bei der Aufdeckung eines neuen Korruptionsfalles ernsthaft erschrecken. Die Dunkelziffer bei Delikten dieser Art ist bekanntlich hoch.

Gleichzeitig ist die Wahrnehmung und die Sensibilisierung hinsichtlich korruptiver Handlungen in der Öffentlichkeit in den letzten Jahren stark gestiegen. Die Aufdeckung von Korruptionsfällen in allen Bereichen und in allen möglichen Facetten ist eine logische Folge der veränderten öffentlichen Wahrnehmung.

Stichwort Aufdeckung: Die Liste von aufgedeckten Korruptionsfällen in Deutschland, aber auch international wird jeden Tag länger. Täuscht es, oder nimmt dieses Delikt ständig zu?

Die stetig wachsende Anzahl aufgedeckter Korruptionsfälle spricht zunächst für eine gute Ermittlungsarbeit der Strafverfolgungsbehörden, aber auch für eine verstärkte Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen, die in den letzten Jahren in vielen Bereichen etabliert wurden. Ob die Anzahl von Korruptionsfällen tatsächlich gestiegen ist, lässt sich auf Grund der eingangs erwähnten hohen Dunkelziffer schwer beurteilen.

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Welche Bereiche sehen Sie am stärksten von Korruption betroffen? Ist es vorrangig die private Wirtschaft?

Ja, die private Wirtschaft verzeichnet in der Tat in den vergangenen Jahren eindeutig den stärksten Anstieg an Korruptionsfällen. Auch die polizeiliche Kriminalstatistik spricht hier eine eindeutige Sprache. Der zunehmende globale Konkurrenzkampf führt immer häufiger dazu, dass selbst alteingesessene, integre Firmen in Korruptionsfälle verwickelt werden.

In der Vergangenheit traten Unternehmen der Privatwirtschaft meist als „Geber“ in Erscheinung, wobei dies auf spezielle Branchen konzentriert war. Heute können nahezu alle Firmen von Korruption betroffen sein, unabhängig von Branchenzugehörigkeit oder Größe eines Unternehmens und dies sowohl auf der „Geber“- als auch auf der „Nehmer“-Seite.

Gibt es Ursachen für diese Ausweitung des Phänomens?

Die Ursache hierfür liegt meines Erachtens in den globalisierten Geschäftsbeziehungen und in der Tatsache, dass in anderen Wirtschaftsräumen, insbesondere in Asien und Osteuropa, Korruption weitaus stärker ausgeprägt und zum Teil auch gesellschaftlich akzeptiert ist.

Welche Instrumente sehen Sie denn im Kampf gegen die Korruption als die geeignetsten an?

Eine einfache Patentlösung zur Korruptionsprävention gibt es leider nicht. Ursachen, Form und Ausprägung von Korruption sind komplex und vielschichtig. Eine effektive und glaubwürdige Korruptionsprävention im Unternehmen muss dieser Tatsache Rechnung tragen.

Grundlage einer effektiven Korruptionsprävention sollte ein klar kommuniziertes Bekenntnis des Unternehmens zu einem ethisch und gesetzeskonformen Handeln sein. Einige Unternehmen haben in jüngster Zeit ein solches Handeln als Unternehmensziel definiert, was ausdrücklich zu begrüßen ist.

Auf Basis einer solchen ethischen Grundausrichtung kann dann ein effizientes Risikomanagement etabliert werden, welches durch regelmäßige Risikoanalysen gefährdete Bereiche identifiziert und entsprechende Regeln und Maßnahmen zur Prävention entwickelt.

Transparente Prozesse und Organisationsstrukturen sind hierbei zur Korruptionsvermeidung unabdingbar. Eine regelmäßige und effektive Kontrolle der Einhaltung der entwickelten Regeln sowie eine klare und kompromisslose Sanktionierung aufgedeckter Verstöße bilden die weiteren notwendigen Bausteine einer effektiven Korruptionsprävention.

Schließlich hat sich in den letzten Jahren die zusätzliche Etablierung von Hinweisgebersystemen als ein probates Mittel der Korruptionsprävention erwiesen.

Wie schätzen Sie die Instrumente der staatlichen Behörden ein? Sind die gesetzlichen Regelungen ausreichend oder vermissen Sie etwas?

Die gestiegene gesellschaftliche Wahrnehmung und Sensibilisierung hinsichtlich der Korruptionsproblematik hat sich auch auf die öffentliche Verwaltung ausgewirkt. Unterschiedliche Initiativen und Präventionsmaßnahmen haben die Situation grundsätzlich verbessert.

Hinsichtlich der Kontrolle der getroffenen Maßnahmen und erlassenen Vorschriften besteht jedoch noch Handlungsbedarf. Insbesondere auf kommunaler Ebene sind die regelmäßigen Kontrollen der Einhaltung von Anti-Korruptionsvorschriften verbesserungsfähig. Oft steht hier die der angespannten Finanzlage geschuldete mangelnde Personalausstattung einer effektiven Kontrolle der Einhaltung von Anti-Korruptionsvorschriften im Wege.

Hinsichtlich der gesetzlichen Regelungen besteht ebenfalls noch Handlungsbedarf. An erster Stelle ist hier die ausstehende Ratifizierung der UN Anti-Korruptionskonvention und die damit verbundene Verschärfung der Vorschrift zur Abgeordnetenbestechung zu nennen.

Welche Rolle kann bei der Korruptionsbekämpfung der ACFE spielen?

Korruptionsbekämpfung und Prävention ist ein Kernthema des ACFE. Im Rahmen unserer Seminare und Tagungen ist das Thema immer wieder auf der Agenda. So auch bei unserer letzten Fachtagung im Mai diesen Jahres, bei welcher das Thema „Korruption im Spitzensport“ im Mittelpunkt stand.

Die Veranstaltung fand die ungeteilte Zustimmung aller Teilnehmer, wobei insbesondere die Ausführungen des ehemaligen FIFA Direktors Guido Tognoni auf ein starkes Interesse stießen. Auch zukünftig wird das German Chapter des ACFE das Potential des innerhalb unserer Mitglieder vorhandenen praktischen Fachwissens nutzen, um durch Schulungen, Seminare, informative Fachveranstaltungen und der Aktivitäten in verschiedenen internen Arbeitskreisen, zur Korruptionsbekämpfung beizutragen.

Zu aktuellen Fällen werden wir zukünftig verstärkt Stellung nehmen und auch Anstöße zur Korruptionsprävention geben.

Welches sind die mittel- bis langfristigen Ziele Ihres Verbandes?

Seit der Gründung im Jahr 2005 ist das German Chapter des ACFE ständig gewachsen. Mit aktuell 300 Mitgliedern, mehreren Arbeitskreisen und vier bis fünf selbst organisierten Veranstaltungen im Jahr stößt die bisher ausschließlich ehrenamtliche Organisation und Verwaltung des gemeinnützigen Vereins allerdings an seine Grenzen.

Auch wenn die ehrenamtliche Tätigkeit weiterhin die tragende Säule der Arbeit des Vereins bleibt, streben wir mittelfristig eine Professionalisierung der internen Administration und Organisation an. Dies soll ermöglichen, die vorhandenen knappen Ressourcen ausschließlich der fachlichen Arbeit zu widmen und die Unterstützung unserer Mitglieder, aber auch interessierter Nicht-Mitglieder in ihrer täglichen Arbeit zu verbessern.

Konkret heißt dies, die Anzahl der vom ACFE organisierten Veranstaltungen, der angebotenen Informationen soll deutlich erhöht werden. Neben einem hoffentlich weiter anhaltenden Wachstum strebt das German Chapter des ACFE auf längere Sicht an, zu der wegweisenden Instanz in Sachen Fraud-Bekämpfung in Deutschland zu werden.

Stichwort Vernetzung: Wie arbeiten Sie mit anderen Organisationen wie beispielsweise der ASW zusammen? Sie sind ja im letzten Jahr Mitglied geworden.

Die Mitgliedschaft in der ASW war zum einen eine Folge aus vorangegangenen Kooperationen mit verschiedenen Mitgliedsverbänden der ASW und der dabei gewonnenen Synergien. Zum anderen ist die Mitgliedschaft des ACFE in der Zentralorganisation der deutschen Wirtschaft in Sicherheitsfragen eine logische Konsequenz des Selbstverständnisses des ACFE.

Die Ziele des ACFE sind nahezu deckungsgleich mit den Zielen der ASW und dessen übrigen Mitgliedsverbänden. In praktischer Hinsicht eröffnete die Mitgliedschaft in der ASW der ACFE die Möglichkeit, an der Restrukturierung und Neupositionierung sowie an der weiteren Entwicklung der ASW aktiv mitzuwirken. ASL

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