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Wirtschaftsschutz/-kriminaltität

Wann Chefs zahlen müssen

Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsräte müssen tief in die eigene Tasche greifen, falls sie gegen ihre Pflichten verstoßen. Doch wann passiert das überhaupt?

Mann am Computer
Mann am Computer

Wer ein Unternehmen leitet, haftet unbegrenzt mit seinem gesamten Privatvermögen, wenn verletzte Pflichten zu einem finanziellen Schaden für die Firma führen. Das geschieht mitunter schneller als viele glauben. Der Grund: Alles, was in einem Unternehmen geschieht, fällt auf den Chef zurück. Der muss dafür nicht einmal selbst etwas falsch gemacht haben. Manager machen sich bereits dadurch persönlich angreifbar, dass sie sich zu wenig darum kümmern, mit gut durchdachten Abläufen größere Fehler zu vermeiden.

Manager haften für Vermögensschäden

Zahlen vom Gesamtverband der deutschen Versicherer (GDV) zeigen, dass Ganoven mit einem einfachen Trick in nur zwei Jahren mehr als 150 Millionen Euro von unbedachten Unternehmen erbeutet haben. Die Rede ist vom „Fake President“, einer Betrugsmasche, bei der Kriminelle sich als Chef ausgeben und Zahlungen auf ein ausländisches Bankkonto in einem Nicht-EU-Land veranlassen wollen. Das lässt sich durch sorgfältig aufgeklärte Mitarbeiter im Finanzwesen, einem Vieraugenprinzip oder doppeltes Hinsehen bei Zahlungen ins Ausland verhindern. Solche Regeln einzuführen und nachzuhalten, ist Aufgabe der obersten Führungsebene. So lassen sich Schäden teilweise von mehr als einer Million Euro pro Fall vermeiden.

Ganz ähnlich funktionieren fingierte Rechnungen, die Betrüger verschicken, um sich vorgetäuschte Leistungen bezahlen zu lassen. Manchmal wird auch behauptet, dass sich die Kontoverbindung eines Kunden geändert hätte. Künftige Rechnungen werden dann unbewusst an die Betrüger überwiesen statt an den ursprünglichen Absender. Häufig fließen die ergaunerten Beträge ins außereuropäische Ausland und können von dort nur selten zurückgeholt werden. Das Geld ist weg. Und Schuld hat auch in diesem Beispiel die Chefetage, weil sie versäumt hat, das Unternehmen wirksam vor solchen Betrügereien zu schützen. Schlimme Folgen für einen Mittelständler hatte auch der Tod eines IT-Mitarbeiters, der als einziger das Passwort für eine Software kannte, über die sich die Steuerung der Spezialmaschinen einstellen ließ. Der Schaden: mehrere hunderttausend Euro. Selbst inzwischen alltägliche Angriffe auf Unternehmen führen zu teils immensen Schäden. In einem weiteren Fall blieb ein virenverseuchter E-Mail-Anhang unentdeckt, weil Mitarbeiter die Gefahr zu spät erkannt haben. Tagelang stand die IT still, und niemand konnte arbeiten. Dieses Missgeschick fällt erneut auf den Chef zurück, der die Belegschaft über die Gefährlichkeit virenversuchter E-Mails und deren Erkennbarkeit hätte aufklären müssen.

Immer in der Verantwortung

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Die finanziellen Folgen trägt jedoch nicht das Unternehmen, sondern der Manager. Sie werden für den Schaden haftbar gemacht. Darauf darf die betroffene Gesellschaft, wenn sie als Aktiengesellschaft organisiert ist, auch nicht verzichten. Das Aufsichtsgremium ist vielmehr gesetzlich dazu verpflichtet, säumige Manager für Pflichtverletzungen in Anspruch zu nehmen und finanzielle Schäden so gering wie möglich zu halten. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Betroffene dagegen wehren müssen, wenn sie mit dem Vorwurf konfrontiert werden, ihre Pflichten verletzt zu haben. Vier von fünf Geschäftsführern in Deutschland glauben zwar, dass ihnen dieser Verstoß nachgewiesen werden muss. Doch das genaue Gegenteil ist richtig. Bei Ansprüchen aus der Managerhaftung gilt eine gesetzlich verankerte Beweislastumkehr. In der Praxis führt das zu teils schwerwiegenden Konsequenzen. Liegt die behauptete Pflichtverletzung schon länger zurück, lassen sich entlastende Dokumente häufig nur noch sehr schwer auffinden. Das gilt umso mehr bei einem Jobwechsel oder im Ruhestand, wenn das alte Büro nicht mehr betreten werden kann. Gleichzeitig gelten Fristen zwischen fünf und zehn Jahren, in denen Manager auch nach dem Ausscheiden noch zur Rechenschaft gezogen werden können.

Die richtige Versicherung finden

Schlimmstenfalls bedeuten die in Deutschland besonders strengen Haftungsregeln den finanziellen Ruin. Deshalb brauchen Berufstätige, die eine „Organstellung“ ausüben, einen besonderen Versicherungsschutz. Viele Unternehmen schließen deshalb eine D&O-Police ab (Directors and Officers Liabilities Insurance). Das Ziel: Ansprüche gegen aktive oder ehemalige Manager sollen im Fall der Fälle durch einen solventen Versicherer abgedeckt werden, damit das Unternehmen selbst bei berechtigten Ansprüchen nicht doch auf dem Schaden sitzen bleibt. Bei dieser Form der Absicherung handelt es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung. Das Unternehmen bezahlt die Prämien, Begünstigte aus dem Vertrag sind jedoch die versicherten Personen. Doch auch eine vom Unternehmen abgeschlossene D&O-Versicherung bietet noch keine absolute Sicherheit. Wer sich beruflich verändert oder nach einer erfolgreichen Karriere in den Ruhestand wechselt, verliert die Kontrolle über die vertraglichen Vereinbarungen, die das Unternehmen mit dem Versicherer getroffen hat. Zudem müssen sich die versicherten Personen die eingekauften Leistungen teilen. Beispiel: Bei einer vereinbarten Versicherungssumme von 500.000 Euro wird Person A für einen Schaden in Höhe von 400.000 Euro in Anspruch genommen und Person B für einen weiteren Schaden in Höhe von 300.000 Euro. In dieser Konstellation müsste Person B trotz D&O-Police den nicht mehr von der Versicherungssumme gedeckten Anteil von 200.000 Euro ganz alleine bezahlen. Auf diese Lücken bei der individuellen Absicherung weist seit 18. Januar 2019 auch die DIN 77230 hin. Zwar zielen die So mancher Manager steht vor dem finanziellen Ruin, wenn ihm eine Pflichtverletzung nachgewiesen wird. www.sicherheit.info neuen Regeln auf die finanzielle Vorsorge für Privathaushalte. Darin wird jedoch gezielt nach Risiken gefragt, die sich aus einer möglichen Organstellung ergeben. Damit adressiert die Norm erstmals die akute Bedrohung, den im Laufe eines Arbeitslebens aufgebauten Wohlstand auf einen Schlag wieder zu verlieren. Vor allem junge Leute, die auf eine Geschäftsführerposition befördert oder zum ersten Mal als Vorstand berufen werden, sehen erfahrungsgemäß zunächst die Chancen und übersehen die damit verbundenen Gefahren. Dabei haften Manager in Deutschland bereits bei einfacher Fahrlässigkeit. Idealerweise verfügen Manager deshalb über eine persönliche D&O-Versicherung, die auf ihren Namen abgeschlossen wird und nur ihnen selbst zur Verfügung steht. Versicherungsnehmer und Begünstigter sind ein und dieselbe Person. Das bedeutet hundertprozentige Kontrolle über alle vertraglichen Angelegenheiten und eine garantierte Versicherungssumme, die vollständig der versicherten Person zur Verfügung steht. Eingeschlossen sind dabei auch Kosten, um unberechtigte Ansprüche abzuwehren oder vom Unternehmen einbehaltene Gehälter fortzuzahlen. Genauso wichtig wie heute eine private Haftpflichtpolice für Verbraucher ist die persönliche D&O-Versicherung für Manager.

Sebastian Preißler ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenzrecht und Senior Schadenmanager beim D&O-Spezialanbieter VOV

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