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Wasserdetektive

Trinkwasser - ein kostbares Gut. Nur etwa ein Prozent der weltweiten Wasservorräte ist überhaupt für die Menschheit als Trinkwasser nutzbar. Nicht erst seit der steigenden Zahl von Terroranschlägen auf kritische Infrastrukturen sind für diese besonders sensiblen Bereiche maßgeschneiderte Sicherheitskonzepte gefragt.

Trinkwasserspeicher der RWW: Sie gehören zu den kritischen Infrastrukturen. Insgesamt 13 vergleichbare Wasserspeicher stehen im Versorgungsgebiet.
Trinkwasserspeicher der RWW: Sie gehören zu den kritischen Infrastrukturen. Insgesamt 13 vergleichbare Wasserspeicher stehen im Versorgungsgebiet.

„Wir sind in der Tat auch ein Sicherheits-unternehmen“, betont Dr. Christoph Donner, technischer Leiter bei der RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerks-gesellschaft mbH, kurz RWW, im Gespräch mit PROTECTOR. Das Versorgungsgebiet der RWW umfasst das westliche Ruhrgebiet bis zum angrenzenden Münster- und Bergischen Land. Rund 825.000 Menschen werden mit sauberem Trinkwasser versorgt. Hinzu kommen die Gewerbebetriebe der Region, die ihr Betriebswasser über die RWW beziehen. Damit gehört das Unternehmen zu den größeren Wasserversorgern Deutschlands. Und dies bedeutet hohe Anforderungen an die Sicherheit.

Kontinuierliche Investitionen

„Unser Wasser ist das wichtigste Lebensmittel überhaupt, und überall lauern Gefahren. Dies können beispielsweise Unfälle mit Schadstoffen sein, aber auch Sabotage und terroristische Anschläge. Trinkwasserversorgung ist eine versorgungskritische Infrastruktur. Man merkt dies besonders beim Ausfall der Versorgung von beispielsweise Krankenhäusern oder Dialysezentren“, so Dr. Donner. Gerade seit den Anschlägen vom 11. September wurden bei der RWW die Investitionen in Sicherheitstechnik immer weiter aufgestockt. Heute sind die Grundstücke aller Wasserwerke sowie der Wasserbehälter selbstverständlich mit hohen Zäunen gesichert. Dies ist eine erste Hürde.

Die Außentüren an den Gebäuden sind besonders gesichert und mit einer Zugangskontrolle – teils mechanisch, teils elektronisch – versehen. Zusätzlich sind an allen Türen und Fenstern Alarmanlagen angebracht, die jeden Manipulationsversuch sofort anzeigen und ein Signal an die zentrale Leitwarte im Wasserwerk Mülheim Styrum senden. Darüber hinaus sind alle wesentlichen Gebäude mit Videoüberwachung ausgestattet.

In der Leitwarte arbeiten permanent fünf Personen pro Schicht, deren Aufgabe in der Überwachung der Betriebsabläufe inklusive des Objektschutzes besteht. Sofern ein Störfall registriert wird, fährt ein Außendienstteam aus der Region zum Objekt, um vor Ort zu sehen, was vorgefallen ist. Bei Einbruchversuchen wird sofort die Polizei hinzugezogen, denn die Mitarbeiter sollen sich zu keiner Zeit in Gefahr begeben.

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Durch die Organisationseinheit Facility-Management erfolgt die zentrale Freischaltung für die Zugangsberechtigungen. Dort werden die entsprechenden Schlüssel sowie Karten- und Transpondersysteme, die in der Regel von Ikon beziehungsweise Assa Abloy stammen, bereitgestellt.

Eine besondere Herausforderung in den vergangenen Jahren war die lückenlose Überwachung der etwa 300 sichtbaren Brunnen. Gerade in den letzten Jahren gab es durch die Preisexplosion bei Metallen zunehmend Probleme mit Metalldieben, denn jeder Brunnendeckel verfügt über eine rund 3,5 kg schwere Messingkappe. Diese Kappen wurden immer wieder entwendet. Da bei jedem Aufbruch immer auch die Gefahr besteht, das Brunnenwasser zu verseuchen, hat die RWW alle sichtbaren Brunnen mit funkgesteuerten Alarmanlagen versehen. Auch diese Alarmanlagen sind mit der Leitwarte verbunden, sodass auf Manipulationsversuche innerhalb kürzester Zeit reagiert werden kann.

„Viele der Brunnen, die wir in den vergangenen Jahren sicherheitstechnisch nachgerüstet haben, sind teilweise 35 Jahre und älter. Nicht immer war es leicht, die Alarmsysteme unauffällig zu installieren. Doch mit unserem Partner, der Mülheimer Firma Turck, haben wir hier beste Erfahrungen gemacht. Unser Ziel ist natürlich, einerseits den höchstmöglichen Sicherheitsstandard zu bieten, zugleich möchten wir aber nicht den Eindruck erwecken, dass unsere Gebäude und Einrichtungen Hochsicherheitstrakte sind. Es kommt immer auf die Verhältnismäßigkeit an“, so Dr. Donner weiter.

Besonders geschützt ist das zentrale Labor im Wasserwerk Styrum, in dem permanent das Trinkwasser überwacht wird und von dem im Falle einer Störung sofort Alarm ausgelöst würde. Zum Laborkomplex haben nur autorisierte Mitarbeiter Zugang. Im Labor wird das Wasser derzeit auf 300 mögliche Schadstoffe untersucht, und regelmäßig kommen weitere Stoffe hinzu, für die der Gesetzgeber entsprechende Grenzwerte festgelegt hat.

Sicherheit und Datenschutz

Von den installierten Überwachungssystemen sind natürlich auch die 450 Mitarbeiter der RWW betroffen. Doch hier besteht die klare Vorgabe, die Anforderungen des Datenschutzes zu erfüllen, und zwar die Anlagen, keinesfalls aber die Beschäftigten zu überwachen. Die beiden Bereiche Datenschutz und Sicherheit miteinander in Einklang zu bringen, ist nicht immer einfach. „Auf die eigenen Mitarbeiter ist Verlass, denn hier gibt es eine große Identifikation mit dem Unternehmen und unserem Auftrag der Trinkwasserversorgung“, sagt Dr. Donner.

Die RWW ging am 1. Januar 1913, also vor über 100 Jahren, in Betrieb. Heute ist der Wasserversorger in den Essener RWE-Konzern eingebunden, einschließlich 20 Prozent kommunale Anteilseigner. Das benötigte Wasser im rund 850 Quadratmeter großen Versorgungsgebiet stammt zum großen Teil aus der Ruhr und dem Rhein sowie aus Grundwasser-vorkommen – Haltener Sande – im nördlichen Teil des Einzugsgebietes.

Neun Wasserwerke und 13 Wasserbehälter mit einer Speicherkapazität von etwa 63.000 Kubikmetern, mehrere Hundert ober- und unterirdische Brunnen sowie ein rund 3.000 Kilometer langes Leitungsnetz sind nötig, um die angeschlossenen Haushalte und Gewerbebetriebe permanent mit Wasser zu bedienen.

Ein Problem könnten aber akkreditierte Dienstleister wie beispielsweise Reinigungsfirmen sein, auf die auch die RWW immer stärker zugreift. Mit den Anbietern wurden Vereinbarungen getroffen, dass immer nur die gleichen „festen“ Personen die definierten Gebäude aufsuchen und dort ihre Aufgaben erledigen. Aushilfskräfte, die kurzfristig einspringen sollen, erhalten grundsätzlichen keinen Zugang, nicht einmal, wenn sie angekündigt wurden.

Solche umfangreichen Kontrollen kosten Zeit. Aktuell testet man bei der RWW eine neue Software, die mit Hilfe von Videokameras am Eingang die Kennzeichen von Fahrzeugen erfasst und auswertet. Ist das Fahrzeug eines akkreditierten Dienstleisters entsprechend registriert, erhält es direkt Zugang zum Gelände, ohne erst den Umweg über den Pförtner gehen zu müssen.

Bei der RWW erstreckt sich das Thema Sicherheit jedoch nicht nur auf die Gebäude allein. An dem in rund einem Meter Tiefe liegenden, gut 3.000 Kilometer langen Leitungsnetz fallen immer wieder Reparatur- und Servicearbeiten an. Normalerweise könnte die RWW als Service für Autofahrer über ihre Website oder die Verkehrshinweise der Lokalsender auf entsprechende Baustellen und Behinderungen hinweisen. Doch genau dies macht man aktuell bewusst nicht, denn jeder Hinweis auf eine entsprechende Baustelle könnte mögliche Attentäter direkt zu den freiliegenden und damit besonders gefährdeten Wasserrohren führen.

Sollte einmal ein Zwischenfall eintreten, gibt es bei der RWW einen Krisenstab mit fest definierten Personen, der sofort einberufen wird. Die Mitglieder des Krisenstabes werden regelmäßig geschult und trainiert, um auf möglichst jede denkbare Gefahrensituation richtig reagieren zu können. Tritt ein möglicher Schadensfall ein, werden umgehend die kommunalen Behörden sowie die zuständigen Einrichtungen des Landes informiert. Im Krisenfall ist das Gesundheitsamt der jeweiligen Stadt weisungsbefugt und trifft Entscheidungen, welche Maßnahmen ergriffen werden. Auch regelt es, wie sich ein Wasserversorger verhalten muss.

Blick in die Zukunft

Ein wesentlicher Aspekt für die optimale Absicherung aller bestehenden Einrichtungen ist die lückenlose Dokumentation, um anhand der vorhandenen Daten die entsprechenden Investitionen in die Sicherheitstechnik vorzunehmen. „Hier sind wir zunehmend auf die Unterstützung externer Fachleute angewiesen, die unsere Einrichtungen mit anderen Augen betrachten und uns mit ihrem Wissen auf mögliche Schwachstellen hinweisen“, beschreibt Dr. Donner. Derzeit läuft ein Projekt, das sämtliche Anlagen und Komponenten unter verschiedensten Sicherheitsaspekten erfasst und bewertet.

Darüber hinaus setzt der Leiter Technik auf die rasche Weiterentwicklung von Drohnen, mit denen sich hoffentlich schon bald das Versorgungsgebiet überwachen lässt. Derzeit steckt das Thema – außer im militärischen Bereich – noch in den Kinderschuhen. Doch wenn sich Drohnen einmal gefahrlos von der Leitzentrale mittels Joystick bewegen lassen, eröffnet dies auch unter Kostengesichtspunkten völlig neue Dimensionen bei der Erhöhung der Sicherheit.

Ein weiteres Thema ist die stärkere Vernetzung der Wasserversorger untereinander. Derzeit agiert im Prinzip noch jedes Unternehmen autark und definiert eigene Sicherheitsstandards. Hier erscheinen mittelfristig bundesweit einheitliche Standards ratsam, wie Dr. Donner abschließend erläutert.

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