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Wenn Video mehr Wert ist

Teil 2

Spaßbremse Datenschutz?

Wie viel Mehrwert am Ende wirklich zu realisieren ist, entscheiden aber nicht alleine Technik und Budget, sondern auch Faktoren wie etwa der Datenschutz. Nicht jeder Zusatznutzen, der möglich ist, wird in den Unternehmen auch von allen gewünscht. So ist gerade die Verknüpfung von Daten, die sich auf einzelne Personen beziehen lassen, für Datenschützer oft ein Problem. Moderator Dirk Ostermann fragt deshalb sinnigerweise: „Sind die für den Datenschutz verantwortlichen Personen denn aufgeklärt genug über die technischen Möglichkeiten? Oder muss man sie eingehender informieren, und am besten schon bei der Planung mit ins Boot nehmen? Denn ich nehme an, hier gibt es einiges zu erklären hinsichtlich der Möglichkeiten von Analyse und Intelligenz in den Videosystemen.“

Wolfgang Brüsch von Euromicron erklärt den Ansatz der Datenschützer: „Aus Sicht des Datenschutzes lautet die Vorgabe in der Regel: So wenig Daten wie möglich produzieren, und am liebsten gar keine Kameras einsetzen. Denn Kamera wirkt oft schon als negativ besetztes Reizwort.“

Kester Brands von Tyco empfiehlt hier Desensibilisierung mit Bedacht: „Man muss stetig an der Akzeptanz arbeiten, um der Abwehrhaltung gegen Videoanlagen beizukommen. Nehmen wir einmal ein Beispiel aus der Zutrittskontrolle: Der Fingerabdruckleser ist lange Zeit verpönt gewesen, weil er sofort eine Assoziation mit Polizeiarbeit und erkennungsdienstlicher Behandlung hervorrief. Das Verfahren war negativ besetzt. Das in erster Linie aber nur, weil man nicht genau wusste, wie es technisch abläuft. Wenn man aber weiß, dass nur abgeleitete Daten erfasst werden, die sogenannten Minutien, und nicht das ursprüngliche Fingerbild, dann sieht es anders aus. Man kann aus diesen Minutien den gescannten Finger nie wieder reproduzieren. Das Verfahren findet mittlerweile mehr Akzeptanz, so dass ich überzeugt bin, dass sich in der Videotechnik durch Aufklärungsarbeit ebenfalls Widerstände abbauen lassen.“

Christof Knobloch, Leiter Produktmanagement, Securiton GmbH, IPS Intelligent Video Analytics
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Albert Unterberger, Director Strategic Alliances, Seetec GmbH
Martin Scherrer, Head of Advanced Security Center, Siemens AG, Building Technologies Division

Eine ebenfalls wirkungsvolle Option erläutert Guido Nehren: „Es gibt gerade zum Thema Datenschutz das Zertifikat Namens EuroPriSe (European Privacy Seal), welches durch das gleichnamige und unabhängige Zentrum für Datenschutz vergeben wird. Es überprüft Produkte auf Konformität mit der EU-Datenschutzrichtlinie und unser Privacy Protector wurde seit 2009 als einziges Videoüberwachungsprodukt damit ausgezeichnet, was bei den großen Installationen enorm hilft. Hier wird nämlich mehr untersucht als nur das Recht am eigenen Bild, sondern auch sichergestellt, dass der Datenschutz tief im System auf technischer Ebene verankert ist. Deshalb freuen wir uns damit werben zu können und damit außerdem viele Bedenken von Datenschutzbeauftragten zu lösen.“

Die grundlegende Problematik von Videoanlagen mit dem Datenschutz scheint also durch Mehrwerte eher noch verstärkt zu werden. Doch ist gerade auch der greifbare Mehrwert ein Hilfsmittel bei der Umsetzung, wie Albert Unterberger von Seetec findet: „Es ist in Sachen Datenschutz auch heute schon so, dass man die Interessenlagen abwägen muss. Wenn das Sicherheitsinteresse einer Firma schwerer wiegt ist als der reine Schutz von Persönlichkeitsrechten, zum Beispiel bei der Geldzählung, dann lässt sich die Notwendigkeit einer Videoüberwachung relativ leicht argumentieren. Das Einvernehmen mit allen Beteiligten vorab sei hier sehr nahegelegt. Dabei wird definiert, welche technischen Rahmenbedingungen einzuhalten sind, damit beidem Genüge getan wird, sei es mit Zugriffsschutz, Verpixelung oder begrenzter Aufzeichnungsdauer.“

Diskussion in der Meta-Ebene

Und auch die Art der Kommunikation ist entscheidend für den erfolgreichen Einsatz mehrwertorientierter Lösungen, wirft Christof Knobloch ein: „Gerade wenn es um Mehrwerte geht, steht das Videobild häufig gar nicht im Vordergrund, sondern die daraus generierten Daten. Es ist in der Regel auch nicht relevant, welche Personen genau darauf zu sehen sind. Es geht vielmehr um Meta-Daten wie zum Beispiel die Anzahl an Personen pro Zeiteinheit als um Bilder der Personen. So lassen sich auch viele Bedenken von Betriebsräten und Datenschützern zerstreuen.“

Christian Ringler von Milestone Systems stimmt zu: „Wir sehen auch das Thema Meta-Daten als wesentlich an, wenn die Analyse ist für uns ein sehr wichtiger Aspekt. Man hat es damit nicht nur leichter in der Argumentation, sondern kann von vielerlei Verbesserungen profitieren. Meta- Daten erleichtern eine spätere Auswertung und machen eine intelligente Suche erst möglich. Sie bieten auch außerhalb der reinen Videosicherheitstechnik enorme Möglichkeiten zur Optimierung von Abläufen – und dies im Idealfall datenschutzkonform.“

Martin Scherrer skizziert einen konkreten Anwendungsfall: „Die Nutzung von Meta-Daten wird in vielen Fällen schon gefordert. Nehmen wir das Beispiel Parkplätze: Wenn hier das rote Auto das grüne streift, kann anhand dieser Informationen in der Datenbank nachgesehen werden, was genau passiert ist. Aus der Masse an Aufzeichnungen können über eine smarte Suche innerhalb von kürzester Zeit exakt die beteiligten Autos ausfindig gemacht und der Ablauf rekonstruiert werden. Darüber hinaus lassen sich mit den Daten auch Berichte versenden, Trendanalysen und Statistiken generieren und vieles mehr. Das bringt Mehrwerte in eine Videoanlage.“

Christian Ringler plädiert für den doppelten Ansatz: „Um für den Kunden eine Anlage mit echtem Mehrwert zu schaffen, ist es wichtig, mehrere Themen auf einmal anzugehen. Einmal die physikalische Sicherheit, dann aber auch die Nutzung von Meta-Daten. Das Beste ist, dass beides wunderbar zusammen funktioniert.“

Nick D‘hoedt sieht weitere Bereiche, in den sich Video-Mehrwert auszahlen kann – vor allem auch angesichts jüngster Ereignisse: „Die smarte Videoüberwachung hat auch ein ganz neues Marktsegment geöffnet, nämlich das der Smart City, die zugleich eine Safe City ist. Die Städte und Gemeinden wollen mit Videosystemen einerseits einen besseren Schutz der Bürger bieten und gleichzeitig mittels Videoanalyse sicherstellen, dass es genügend Parkplätze gibt, dass es zu weniger Staus kommt und die Straßenbeleuchtung optimal eingesetzt wird.“

Mit den aufgeführten Szenarien und Anwendungsbeispielen ist sicher längst nicht das sprichwörtliche Ende der Fahnenstange – respektive des Videomastes – erreicht. Die zunehmende Intelligenz wird künftig für ein klares Plus an Sicherheit und finanziellen Vorteilen sorgen. Essenziell ist das Bewusstsein des Kunden für den Nutzen, den es ihm bringen kann und die Bereitschaft, die Technologien auch einmal gegen anfängliche Widerstände durchzusetzen. Sind diese Rahmenbedingungen erfüllt, kann die Video-Anwendung heute schon vieles leisten, das über das reine Beobachten und Aufklären hinaus geht.

Michael Gückel
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