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Diskussion zum Bekannten Versender

Wo bleibt unsere Bestellung?

Viele Unternehmen beschäftigen sich derzeit mit dem Thema „Bekannter Versender“ (BV), denn am 25. März 2013 läuft die letzte Übergangsfrist des Luftfahrt-Bundesamtes (LBA) aus. Bis zu diesem Termin muss der Antrag zur Zulassung als Bekannter Versender gestellt sein.

Eine Zutrittskontrolle ist Basisbaustein für zertifizierte Bereiche.
Eine Zutrittskontrolle ist Basisbaustein für zertifizierte Bereiche.

In Deutschland sind davon rund 65.000 Firmen über alle Branchen hinweg betroffen, von denen bis Oktober 2012 allerdings nur knapp 4.000 Betriebe einen solchen Antrag gestellt hatten. Der Countdown läuft, denn die zu erfüllenden Anforderungen sind umfangreich und eine Verlängerung wird es nicht geben. Was ist zu tun? Über diese Frage diskutierten auf der IT & Business 2012 Walter Elsner, Geschäftsführer der PCS Systemtechnik GmbH, Sabine Dörr, Geschäftsführende Gesellschafterin der Tisoware Gesellschaft für Zeitwirtschaft mbH und Rainer Kollberg, Logistikleiter der Endress+Hauser Conducta GmbH+Co. KG unter der Moderation von Hagen Zumpe, Chefredakteur des PROTECTOR. Das Ergebnis: wertvolle Tipps auf dem Weg zum bekannten Versender.

Sicherheitskonzept als erster Schritt

„Wir sind immer wieder überrascht, wie wenige Firmen sich mit diesem wirtschaftlich bedeutsamen Thema beschäftigt haben“, begann Sabine Dörr. Dabei muss für die behördliche Zulassung zum bekannten Versender neben vielen anderen Maßnahmen ein Sicherheitsprogramm erstellt werden, in dem unter anderem die Verfahren der Produktion, der Verpackung, der Lagerung, des Transports sowie der physischen Sicherheit beschrieben werden. Ein Teil dieses Prozesses sind auch Kontrollen von LBA-Inspektoren vor Ort.

Die meisten Unternehmen unterschätzen den Aufwand einer Zertifizierung. Um alle Anforderungen abzudecken, ist ein umfassendes Sicherheitskonzept unerlässlich, denn vor allem sind die individuellen Besonderheiten der Unternehmen zu berücksichtigen. Hierzu gehören bauliche Anforderungen, die IT-Infrastruktur und die Mitarbeiter. „An einem solchen Konzept müssen zwangsläufig verschiedene Abteilungen beteiligt werden. Ohne intensive Gespräche mit der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat geht es gar nicht“, wusste Walter Elsner.

Berater erstellen Umsetzungsleitfaden

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Die meisten Unternehmen schaffen dies nicht ohne Unterstützung eines externen Beraters oder erfahrener Software- und Hardwarehersteller wie Tisoware und PCS. Die Aufgabenstellung ist klar: Aus den gesetzlichen Anforderungen muss ein pragmatischer Handlungsleitfaden werden, der Schritt für Schritt realisiert wird, denn eine Durchführungsverordnung existiert nicht.

Das Gesetz gibt den Unternehmen ein Ziel vor, nämlich die Ware geprüft und manipulationssicher als bekannter Versender auf den Weg zu bringen. Wie sie dies sicherstellen, bleibt ihnen überlassen. „Dies bedeutet im Klartext, dass jedes Unternehmen ein individuelles Konzept erarbeiten muss, das auf die jeweiligen Anforderungen zugeschnitten ist, denn die Unternehmen sind alle unterschiedlich und haben individuelle Anforderungen“, betonte Walter Elsner.

Sicherere Lieferkette im Flugverkehr

Im Kern geht es beim bekannten Versender um eine sichere Lieferkette. Luftfrachtsendungen sind gegen unbefugte Zugriffe zu schützen. Luftfahrzeuge dürfen nur mit Luftfracht beladen werden, die als sicher eingestuft wurde. Konkret bedeutet dies, dass jeder Mitarbeiter, der mit dem Produkt in Kontakt kommen kann, qualifiziert sein muss und diese Kontaktmöglichkeit nachvollziehbar dokumentiert werden muss. Nur dann wird das Unternehmen als bekannter Versender zertifiziert.

Bei Endress+Hauser wären Logistik und Produktion betroffen gewesen, hätte man sich nicht entschlossen, anonym zu produzieren und erst in der Logistik Luftfracht bekannt zu machen. „So waren nur 50 Mitarbeiter zu qualifizieren“, erläuterte Rainer Kollberg, der die Zertifizierung im Hause zusammen mit der PCS umgesetzt hat. Also beschränkte man sich darauf, die Logistik zertifizierungsgerecht zu gestalten. Von der Überlegung, Luftfracht in einem Käfig zu verpacken und zu lagern, hat man schnell Abstand genommen. „Dieser wäre für uns recht bald zu klein geworden, zukünftige Entwicklungen müssen in das Sicherheitskonzept einfließen, will man später nicht wieder von vorne anfangen“, setzte Kollberg fort.

Wer putzt wann?

Konkret bedeutet dies für alle Mitarbeiter, die Zutritt zum zertifizierten Bereich haben – sei es die Putzfrau oder der Sicherheitsdienst: Sie müssen einen lückenlosen Lebenslauf ohne polizeiliche Auffälligkeiten der letzten fünf Jahre vorlegen. Sie müssen sich einer vierstündigen Schulung und einer Abschlussprüfung unterziehen. Alternativ geht dies online auch in zwei Stunden.

Dies gilt übrigens auch für externe Dienstleister und Urlaubsvertretungen. Sonderregelungen für Spediteure, Handwerker, Sanitäter oder andere Mitarbeiter, die kurzfristig Zutritt haben müssen, gibt es nicht. Sie müssen von zertifizierten Mitarbeitern begleitet werden, sonst gilt der Bereich als unsicher und es ist die gesamte bereits verpackte Luftfracht erneut zu prüfen.

Datensicherheit und Zutrittskontrolle

Wenn es um Zutrittssicherheit geht, spielt die Dokumentation eine wichtige Rolle. Da es sich um sensible und auch personenbezogene Daten handelt, müssen diese mit entsprechenden Sicherheitsmechanismen gespeichert und über besondere Zugriffsrechte geschützt werden, die ausschließlich der Sicherheitsbeauftragte oder sein Stellvertreter kennt und im Bedarfsfall nutzen kann.

„Darüber hinaus können bauliche Veränderungen erforderlich sein“, ergänzte Sabine Dörr. Die zertifizierten Bereiche sind räumlich abzutrennen und vor unberechtigtem Zuritt mit elektronischen Sicherheitseinrichtungen, Schleusen, Zäunen und Videokameras zu schützen. Je nach Anforderungen sind on- oder offline Kontrollen erforderlich. „Der berühmte Generalhauptschlüssel der Geschäftsleitung muss aber auf jeden Fall entsorgt werden“, schmunzelte Dörr.

Ohne Zertifizierung steigen Kosten

Was es bedeutet, wenn man sich nicht zertifizieren lässt, brachten die Experten abschließend auf den Punkt: Auf die Unternehmen kommen zusätzliche Kosten für die Prüfung, Freigabe und Abfertigung beim Zoll sowie gegebenenfalls sehr lange Liegezeiten zu, denn das Produkt lagert durchschnittlich 20 Tage beim Zoll, bevor es letztendlich transportiert werden kann. Dies hat klare Auswirkungen auf die Flexibilität, die Termintreue und eben auch auf die Kostenstruktur. Kurzfristig kann kein Produkt mehr per Luftfracht verschickt werden. Produzieren die Unternehmen sogar sensible Güter, muss der Geschäftsführer beim Zoll erscheinen, damit in seinem Beisein das Paket geöffnet und abgefertigt wird.

Stellt man diese zu erwartenden Kosten und erhöhten Liegezeiten dem Aufwand einer Zertifizierung zum bekannten Versender gegenüber, kommt man schnell zu einem klaren Ergebnis. „Auch wenn wir alleine für die Umsetzung des Konzeptes gut sechs Monate gebraucht haben, interne Abläufe ändern mussten und rund zehn Prozent mehr Personal benötigen, gehen wir von einer Amortisationszeit der Investitionssumme von weniger als einem Jahr aus“, schloss Logistikleiter Kollberg.

Dr. Christine Lötters

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