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Die Quadratur des Kraiss 14. Juni 2012

Wohlfühlraum – vorbereitet auf den Krisenfall?

Erhöhte Sicherheit an Schulen soll nicht dazu führen, dass Schulen zu Festungen ausgebaut werden. Die Handlungsmaxime soll lauten: „Ein Wohlfühlraum für Kinder – vorbereitet auf den Krisenfall“. So steht es in einem Bericht der interministeriellen Arbeitsgruppe der Bayerischen Staatsregierung zu Ursachen und Gesamtzusammenhängen von Amokläufen.

Der Bericht war eine Konsequenz aus den Amoktaten in Ansbach und Winnenden. Ähnliches ist auch im „Expertenbericht Amok – gemeinsam handeln, Risiken erkennen und minimieren“ zu lesen, der im Auftrag der Landesregierung Baden-Württemberg erstellt wurde. Nahezu jedes Bundesland hat zwischenzeitig reagiert und unterschiedlichste Aktivitäten entwickelt. Allerdings ist die Kluft zwischen dem Geschriebenen und der Realität noch sehr groß.

Krisenplan, Notfallplan, Leitfaden des Handelns, Notfallwegweiser für Schulen, Notfallordner werden die Handlungsanweisungen und Empfehlungen der Bundesländer unter anderem genannt. Von den Einen als Krise, von den Anderen als Katastrophe bezeichnet, werden Amok, Bombenattentate, terroristische Anschläge, komplexe Schadenslagen durch Brand, Feuer, Gebäudeeinsturz, Gas-, Elektro- oder Chemieunfall, Geiselnahme oder Naturkatastrophen aufgeführt. Die Handlungsanweisungen sind in einigen Bundesländern sehr ausführlich beschrieben, in anderen Bundesländern leider weniger zielführend. Oft fehlen Regeln und Mechanismen eines Krisenmanagements. Ganz zu schweigen von länderübergreifenden Sicherheitsstrategien oder individuellen Sicherheitskonzepten, die sich umfassend mit den Sicherheitsproblemen an speziellen Schulen befassen.

Die Krise ist selten – der Wahnsinn ist täglich

Das Bedrohungspotential an Schulen wird allerdings nicht von Amok, Geiselnahme, Terror oder Naturkatastrophen bestimmt. Der tägliche Wahnsinn an Schulen hat andere Namen: Mobbing, Abziehen, Drogenkriminalität, einfacher und schwerer Diebstahl, Einbruch, Erpressung, schwere und gefährliche Körperverletzung, Brandstiftung, Sachbeschädigungen, Vandalismus, Graffiti. Viele dieser Straftaten könnten durch geeignete Präventivmaßnahmen eingeschränkt und sogar verhindert werden.

Im Rahmen einer jüngst durchgeführten Veranstaltungsreihe des BHE zum Thema Sicherheit an Bildungseinrichtungen wurde allerdings klar, dass den zuständigen Schulleitungen wenig Möglichkeiten für eigenverantwortliches Handeln bleibt. Es sind nicht nur die leeren Kassen der Kommunen, in vielen Fällen fehlt auch der politische Wille, der den Handlungsspielraum der Schulleitungen einschränkt. In Frankfurt am Main machte die scheidende Oberbürgermeisterin Petra Roth Sicherheit an Schulen zur Chefsache. Sie veranlasste einen über mehrere Jahre dauernden Investitionsplan, der systematisch umgesetzt wird. Andere Kommunen machen es ähnlich und handeln vorbildlich und verantwortungsvoll im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten. Dagegen erwähnte eine, von der Stadt Wiesbaden Mitte Mai veröffentlichte, Sanierungsliste zum Thema Sicherheit an Schulen nur den Brandschutz und den Ausbau der Fluchtwege.

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Befindlichkeiten und Datenschutz

Anlässlich der BHE-Veranstaltung wurde aber auch deutlich, dass in vielen Fällen erheblicher Widerstand der Lehrerschaft und der Elternvertretungen sinnvolle Maßnahmen verhinderte. Die Verantwortlichen und die Sicherheitsbranche sind daher gut beraten, Sicherheitsmaßnahmen wohlüberlegt und auf der Grundlage eines individuellen und nachvollziehbaren Sicherheitskonzeptes mit eindeutigen Schutzzielen, Bedrohungsszenarien und Risikoanalysen, zu planen. Eltern und Lehrkräfte müssen überzeugt und „mitgenommen“ werden.

Speziell bei der viel zitierten Videoüberwachung muss der Landesdatenschutz einbezogen werden. Die kriminalpräventive Beratung der Polizeibehörden bietet zwar eine unterschiedlich ausgeprägte und unverbindliche Beratung und Mitarbeit an, die Umsetzung kann allerdings auch nur einvernehmlich mit den mitbestimmungsberechtigten Gremien erfolgen. Diesbezüglich berichteten Teilnehmer der Tagung von teils erheblichem Überzeugungsaufwand, bis eine finale Lösung – oft zu Lasten der Sicherheit - gefunden werden konnte.

„Das Sicherheitssystem“ für Bildungseinrichtungen gibt es nicht und wird es wohl nie geben können. Ob jede Schule auf den Krisenfall vorbereitet werden kann, mag auch zu bezweifeln sein. Umso mehr sind sinnvolle und pragmatische Lösungen gefragt. Die Sicherheitsbranche ist gefordert.

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