Direkt zum Inhalt

Wahlprüfsteine Bundestagswahl 2017

Teil 3

<b>Frage 5: Die Vergaberichtlinien von Aufträgen aus öffentlicher Hand an die Sicherheitswirtschaft orientieren sich häufig immer noch billigsten Anbieter. Dies hat in der Vergangenheit, zum Beispiel im Bereich der Bewachung von Flüchtlingsheimen, bisweilen zu erheblichen Problemen geführt. Wie ist Ihre politische Meinung zum Wechsel von der Billigstvergabe hin zum Kriterium Qualität der Sicherheitsdienstleistung?</b>

SPD Niedersachsen

Auch dazu haben wir als SPD eine ganz klare Position: Der gesetzliche Mindestlohn ist die unterste Schwelle, die gilt, wenn es keine Tarifvereinbarungen gibt. Gerade in wichtigen Bereichen wie der Bewachung von Flüchtlingsheimen ist es aber absolut geboten, auf gut ausgebildetes und erfahrenes Personal zu setzen.

Das entspricht unserer Politik nach dem Leitbild der „Guten Arbeit“ mit fairer Bezahlung. Bereits 2014 hat die SPD-geführte Landesregierung mit dem Niedersächsischen Tariftreue- und Vergabegesetz ein Mindestentgelt bei allen öffentlichen Aufträgen eingeführt. Im Anschluss haben wir uns auch für eine Regulierung der Leiharbeit eingesetzt, um Dumpinglöhne und den Ersatz von Stammbelegschaften sowie den Missbrauch von Werkverträgen zu verhindern. Die gesetzlichen Änderungen dazu sind 2017 in Kraft getreten.

CDU Bremen

Anzeige

Weder die Vergabeordnungen des Bundes noch die Vergabegesetze der Länder beinhalten den Grundsatz, dass das billigste Angebot den Zuschlag erhält. Vielmehr geht es für die Vergabestellen stets darum, das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln. Dieses muss gerade nicht mit dem billigsten identisch sein. Darüber hinaus besteht für die Vergabestellen in Abhängigkeit von den einschlägigen gesetzlichen Regelungen die Möglichkeit, weitere im Zusammenhang mit den Auftrag stehende Kriterien und Anforderungen, beispielsweise im Hinblick auf die Qualität der Dienstleistung und die Qualifizierung der Mitarbeiter zu definieren.

Generell halte die Gewährleistung der Sicherheit im öffentlichen Raum – dazu zählt auch die Bewachung von Flüchtlingsunterkünften - für eine Kernaufgabe des Staates und damit der Polizei. Wenn dies im Einzelfall nicht möglich ist, müssen an beliehene private Sicherheitsfirmen hohe Anforderungen gestellt werden. Die vergaberechtlichen Möglichkeiten sind dafür möglichst auszuschöpfen.

In der kommenden Legislaturperiode wollen wir das Landesvergabegesetz auf alle öffentlichen Aufträge und Dienstleistungen ausweiten und die Einhaltung allgemeinverbindlicher beziehungsweise repräsentativer Tarifverträge vorschreiben.

Spätestens dann werden seriöse Sicherheitsanbieter, die Ihre Mitarbeiter nach Tarifverträgen bezahlen, bei öffentlichen Auftragsvergaben nicht mehr automatisch von Billiganbietern ausgestochen werden können.

DIE LINKE Bremen

DIE LINKE setzt sich generell dafür ein, dass die öffentliche Hand wieder größere Spielräume in Ausschreibungsverfahren dafür erhält, die Einhaltung von Sozial- und Tarifstandards, fairer Arbeitsbedingungen, ökologische Standards etc. in den Vergabekriterien zu berücksichtigen. Diese Vergrößerung des politischen Spielraums in Vergabeverfahren sollte auch dazu dienen, vermehrt auch wieder Fragen der Qualität der angebotenen Produkte und Dienstleistungen einzubeziehen.

Bündnis 90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern

Wir wollen, dass in der öffentlichen Vergabe von Bewachungsdienstleistungen qualitative Vergabekriterien ein deutlich höheres Gewicht bekommen, um die Qualität der Erfüllung sicherzustellen. Ein Wettlauf allein um preisgünstige Lösungen könnte rechtsstaatliche Standards bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben aufweichen. So sollte ein Vergabekriterium an private Sicherheitsfirmen sein, dass diese den International Code of Conduct for Private Security Service Providers unterzeichnet haben sowie nach der entsprechenden DIN-Norm zertifiziert sind.

FDP

Besonders in sensiblen Bereichen, wie der Bewachung von Flüchtlingsheimen, muss deutlich Wert auf Qualität der Sicherheitsdienstleistung gelegt werden. So sollten sich Vergaben danach richten, ob der beauftragte Dienstleister Mitarbeiter beschäftigt, die Fachkraft für Schutz und Sicherheit sind oder die zweijährige Ausbildung als Servicekraft für Schutz und Sicherheit absolviert haben. Zudem sollte immer überprüft werden, ob die Mitarbeiter bereits strafffällig geworden sind.

<b>Frage 6: Die Aufsichtsbehörden für die Sicherheitsdienstleistung sind derzeit die Gewerbeämter in den Wirtschaftsministerien der Bundesländer. Welches Ressort sollte Ihrer Auffassung nach die Kompetenz der Aufsicht über die private Sicherheit erhalten? Ist der derzeitige rechtliche Rahmen nach Ihrer Auffassung langfristig ausreichend? </b>

SPD Niedersachsen

Wir als SPD sehen keine Notwendigkeit einer Änderung der Verwaltungsstrukturen hinsichtlich einer Verlagerung der Aufsichtskompetenz über die private Sicherheit in den Unternehmen. Im Falle von Niedersachsen arbeiten die dem Wirtschaftsministerium unterstellten Gewerbeämter ohnehin sehr eng mit Ministerium für Inneres zusammen.

Seit drei Jahren führt das Wirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Innenministerium eine Wirtschaftsschutztagung durch, die die Unternehmen zum Thema Cybersicherheit sensibilisieren soll. Ein umfangreiches Programm aus Vorträgen zu verschiedenen Problemen, Diskussionen und Gesprächsmöglichkeiten informiert Unternehmen und zeigt konkrete Lösungsansätze auf. Darüber hinaus unterstützen die Mitarbeiter des Wirtschaftsschutzes (Ministerium für Inneres und Sport, Abteilung Verfassungsschutz) Unternehmerinnen und Unternehmer durch konkrete Beratungen und stehen für einen Austausch zur Verfügung.

Auch der derzeitige rechtliche Rahmen zur Verfolgung von Kriminalität ist dafür ausreichend. Vielmehr wird eine SPD-Landesregierung in den kommenden Jahren die für Sicherheit zuständigen Abteilungen personell und finanziell dauerhaft stärken. Dazu gehören eine effiziente IT-Infrastruktur sowie IT- und wissenschaftliche Analysekompetenz.

CDU Bremen

Wir sehen in diesem Bereich derzeit keine Änderungsnotwendigkeit.

DIE LINKE Bremen

DIE LINKE hält die derzeitige Aufsicht durch die Gewerbeämter für sachgerecht. Bei einzelnen Aufgaben wie der Zuverlässigkeitsüberprüfung sind bereits die originär zuständigen Sicherheitsorgane einbezogen. Eine aufsichtsrechtliche Unterstellung der Sicherheitsbranche unter die Landesinnenbehörden wäre nicht nur vollkommen sachfremd, sondern würde die notwendige deutliche Trennung von Behörden, die mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet Aufgaben der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung wahrnehmen, und Unternehmern der privaten (und notwendigerweise profitorientierten) Sicherheitswirtschaft aufweichen. Das wäre angesichts des sich verstärkenden Gefühls in der Bevölkerung, der Staat könne die Sicherheit nicht ausreichend gewährleisten, politisch fatal.

Bündnis 90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern

Vorfälle in privat bewachten Einrichtungen, unter anderem schwere Straftaten gegenüber Flüchtlingen, waren Anlass für die Reform der bewachungsrechtlichen Vorschriften im September 2016, die uns aber nicht weit genug ging. So wollen wir umfangreichere Kriterien für die Ausschreibung von Bewachungsdienstleistungen, eine genauere Beschreibung von Inhalt und Umfang der Sachkundeprüfung, sowie eine Regelanfrage beim Verfassungsschutz – diese ist bislang nur optional. Die Aufsicht über die Sicherheitsdienstleister sollte so gestaltet werden, dass die Einhaltung entsprechender gesetzlicher Vorgaben effektiv und vor Ort erfolgen kann.

FDP

Es sollte geprüft werden, ob das Innenministerium als Aufsichtsbehörde besser geeignet wäre. Auch in vielen anderen europäischen Staaten ist das Innenministerium für dieses Gewerbe zuständig.

<b>Frage 7: In einigen Bundesländern existiert bereits eine „Wachpolizei“ mit eingeschränkten hoheitlichen Aufgaben im Ordnungsrecht. In Hamburg unterstützen Angestellte im Außen- und Objektschutzdienst die Polizeibeamten. Unter welchen Bedingungen könnten Sie sich zur Entlastung der Polizei eine Übernahme dieser Aufgaben durch ausgebildetes Personal privater Sicherheitsdienstleister vorstellen?</b>

SPD Niedersachsen

Dazu vertreten wir als SPD seit Jahren eine klare und eindeutige Position: Eine „Hilfspolizei“ lehnen wir entschieden und mit größtem Nachdruck ab.

Die Übernahme von hoheitlichen Aufgaben im Ordnungsrecht ist eine verantwortungsvolle und anspruchsvolle Tätigkeit, die eine entsprechend gute, profunde und langjährige Ausbildung verlangt. Daher kann und soll diese in Zukunft ausschließlich von der Polizei übernommen werden.

Um das zu gewährleisten, haben wir in den letzten Jahren den Stellenbestand im Polizeivollzug kontinuierlich auf jetzt 21.061 Stellen erhöht. Er befindet sich damit zurzeit auf dem Höchststand seit Gründung des Landes Niedersachsen. Auch eine entsprechende Ausrüstung der Polizeibeamten war uns wichtig. Vor dem Hintergrund der aktuellen Terrorgefahr hat die SPD-geführte Landesregierung in Sicherheit und Einsatzkraft der Beamtinnen und Beamten investiert. Sie werden derzeit mit neuen ballistischen Schutzwesten und First-Response-Helmen ausgerüstet.

Niedersachsen ist eines der ersten Länder, das flächendeckend Tablets im Einsatz- und Streifendienst einführt und damit die schnelle Vernetzung voranbringt.

CDU Bremen

Die Aufstellung einer Wachpolizei mit einer verkürzten Ausbildung, eingeschränkten Befugnissen und teilweise eingeschränkter Bewaffnung, wie sie Sachsen, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern in unterschiedlicher Ausgestaltung praktizieren, ist aus meiner Sicht eine Möglichkeit, die „normale“ Polizei bei Aufgaben wie dem Streifendienst, dem Objektschutz und dem Dienst im Straßenverkehr zu entlasten, wenn die Polizei bereits an ihrer Belastungsgrenze arbeitet. Allerdings ist sie für uns nicht das Mittel der Wahl. Priorität haben für uns die Aufstockung der regulären Polizeikräfte (siehe dazu die Antwort auf Frage Nr. 1; für das Land Bremen fordern wir schon seit langem eine Zielzahl von 2.600 Polizisten) sowie die Entlastung der Polizei bei Verwaltungsvorschriften und Bürokratie.

DIE LINKE Bremen

Unter keinen Bedingungen. Die Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben ist Aufgabe staatlicher Organe, die dem demokratischen Souverän gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Die Polizei ist personell entsprechend auszustatten, die ihr übertragenen Aufgaben wahrnehmen zu können.

Bündnis 90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern

Die Verantwortung für eine gesetzeskonforme Anwendung polizeilicher Befugnisse ist untrennbar mit dem verfassungsmäßigen Auftrag jeder Regierung verbunden. Das staatliche Gewaltmonopol ist daher notwendigerweise nur bestimmten staatlichen Organen vorbehalten. Polizeiliches Handeln erfordert darüber hinaus eine genaue parlamentarische Kontrolle, eine besondere mehrjährige Ausbildung und eine Organisation, die über Vorgaben und Weisungen jede Rechtsanwendung genau steuert.

Dieser unmittelbaren staatlichen Verantwortung entsprechend ist daher für die Bürgerinnen und Bürger auch die Erkennbarkeit polizeilichen Handelns sehr wichtig. Eine Zusammenarbeit im Übrigen ist im Rahmen der jeweiligen Befugnisse jedoch möglich. Sicherheit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

FDP

Wir Freie Demokraten wollen die Sicherheitsbehörden von Nebensächlichkeiten entlasten. Ihre Tätigkeit unterziehen wir einer umfassenden Aufgabenkritik. So muss insbesondere die Polizei den nötigen Freiraum für ihre zentralen Aufgaben bekommen – den Schutz von Leib, Leben und Eigentum der Bürgerinnen und Bürger. An vielen Stellen der Polizeiarbeit ist Entbürokratisierung und Entlastung möglich. Man könnte bei Ruhestörungen, Verkehrsunfällen ohne Verletzten, der Begleitung von Schwertransporten und dem Objektschutz die Zuständigkeit auf andere Behörden verlagern oder gegebenenfalls in Einzelfällen, wie in Hamburg, private Sicherheitsdienstleister beauftragen. Alle diese Wege wollen wir prüfen.

<b>Frage 8: Besonders personalintensive Sicherheitsaufgaben, zum Beispiel im Veranstaltungsschutz, können ohne Zusatzkräfte weiterer Unternehmen kaum gelingen. Im Rahmen der Gesetzesneuregelung beim Arbeitnehmerüberlassungsgesetz werden massive Probleme in der Sicherheitsdienstleistung in der Verwendung von Subunternehmern festgestellt. Welche Nachbesserungen plant Ihre Partei dazu? </b>

SPD Niedersachsen

Wir bedanken uns für diese interessanten Fragen, verweisen jedoch darauf, dass es sich hier um rein bundesgesetzliche beziehungsweise bundespolitische Themen handelt. Daher haben wir Ihre Fragen an den SPD-Bundesverband in Berlin weitergeleitet.

DIE LINKE Bremen

Die Kritik kann hier nicht nachvollzogen werden. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz in seiner Neufassung ermöglicht weiterhin uneingeschränkt die Beschäftigung von Leiharbeitern während Spitzenzeiten, soll aber einen Missbrauch von Leiharbeit zum Unterlaufen tariflicher Standards verhindern, indem eine "equal pay"-Regelung und eine Höchstdauer der Entleihung des einzelnen Arbeitnehmers geschaffen wurde. DIE LINKE hat deutlich kritisiert, dass die Neuregelung zahlreiche Schlupflöcher lässt, gerade indem die auch im Wachgewerbe übliche Praxis der Überlassung mittels Werkverträgen nicht wirksam ausgeschlossen wird. Generell sollten Unternehmen in der Lage sein, von ihnen qua Bewerbung eingeholte Aufträge auch mit ausreichend Personal erfüllen zu können.

Bündnis 90/Die Grünen Mecklenburg-Vorpommern

Unternehmen sollen weiterhin Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter beschäftigen dürfen. Wir wollen allerdings die Grenzen enger ziehen. Leiharbeit soll dazu dienen, vorübergehende betriebliche Auftragsspitzen abzufedern. Lohndumping soll damit in Zukunft nicht mehr möglich sein. Deshalb müssen Leiharbeitskräfte vom ersten Tag an mindestens die gleiche Entlohnung erhalten wie Stammbeschäftigte - plus Flexibilitätsprämie.

Infolge der gesetzlichen Änderungen ist es heute noch wichtiger, dass Sicherheitsunternehmen vor Ort durch qualifizierte Ansprechpartner vertreten sind, die gegenüber den eingesetzten Sicherheitskräften tatsächlich weisungsbefugt sind. Auch ist es wichtig, dass Aufgaben bereits im Vorfeld klar abgegrenzt werden. Beides sollte auch einem besseren Sicherheitskonzept insgesamt dienen. Dazu ist es jedoch nötig, die vom Gesetz vorgegebenen Strukturen qualitativ zu nutzen. Der eingeschlagene Weg der Qualifizierung der Sicherheitsdienste ist daher fortzusetzen und sollte vom Gesetz auch mit Blick auf die Inhalte der Leistung weiter entwickelt werden.

FDP

Wir Freie Demokraten wollen überflüssige Regulierungen bei der Zeitarbeit abbauen. Denn Deutschland braucht auch in Zukunft einen flexiblen Arbeitsmarkt. Unternehmen müssen flexibel reagieren können um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Zeitarbeit ist hierfür ein wichtiges Instrument. Die Unternehmen können damit Auftragsspitzen abfangen oder kurzfristig spezialisierte Fachkräfte finden. Zugleich profitieren die Beschäftigten von der Zeitarbeit. So erhalten viele Menschen eine Einstiegschance am Arbeitsmarkt.

Missbrauch ist in den vergangenen Jahren erfolgreich unterbunden worden: Die Tarifpartner haben bereits Lösungen gefunden, damit der Lohn der Zeitarbeitenden bei längeren Einsätzen an den der Stammbelegschaft angeglichen wird (Equal Pay). Trotzdem hat die Große Koalition hier bürokratisiert. Die unnötigen gesetzlichen Vorschriften zur Überlassungsdauer und Entlohnung führen zu Unsicherheiten und Aufwand. Dies wollen wir ändern.

F.d.R.d.Ü.

Klaus Kapinos

vorige Seite 1 - 2 - 3

Passend zu diesem Artikel