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Brandschutz 3. Juni 2022

Aufkleber schützen durch Rauchgeruch – auch ohne Feuer

Wie spezielle Aufkleber einen Brandausbruch durch künstlichen Rauchgeruch verhindern können.

Elektromobilität, Fabrikanlagen und Fertigungsstraßen, Bürogeräte und vieles mehr: Die Ursachen für einen Brand sind vielfältig, der Schaden durch das Feuer und anschließenden Eintrag von Löschwasser ist immens.
Elektromobilität, Fabrikanlagen und Fertigungsstraßen, Bürogeräte und vieles mehr: Die Ursachen für einen Brand sind vielfältig, der Schaden durch das Feuer und anschließenden Eintrag von Löschwasser ist immens.

Mit speziellen Aufklebern ermöglicht das Biotechnologie-Unternehmen 4-Gene durch über Temperatur aktivierten Rauchgeruch einen wirksamen Schutz vor Bränden, der menschliche und elektronische Nasen bereits vor dem Ernstfall warnt. Feuer ist eine wesentliche Gefahr für technische Anlagen aller Art, allein die steigende Nutzung von elektrischen Antrieben sorgt für besondere Brisanz. Brennende Elektroroller oder ein E-Bus, der Feuer fängt und in der Endkonsequenz ein ganzes Busdepot mit 15 Fahrzeugen in Schutt und Asche legt. Aber auch in der Industrie finden sich mögliche Gefahrenquellen – Maschinenantriebe, Umspannstationen, Verteiler- und Sicherungskästen und vieles mehr können gefährliche Elektrobrände auslösen. Oft ist es schon zu spät, wenn eine Brandmeldeanlage oder Löschanlage eingreifen, und der Schaden ist bereits entstanden. Mit speziellen Aufklebern geht das Unternehmen 4-Gene einen anderen Weg. Die Aufkleber können auf vielen Geräten angebracht werden und enthalten einen gebundenen Warngeruch.

Möglich ist das durch ein Glukosid: Der Duftstoff wird so chemisch gebunden und erst bei Überschreiten eines speziellen Temperaturschwellenwertes in deutlich wahrnehmbarer Stärke freigesetzt. Die Folge: Ein möglicherweise bald ausbrechendes Feuer wird wahrgenommen und kann verhindert werden. „Sniff & Safe“ nennt das Technologieunternehmen 4-Gene den Mechanismus und die Marke, der auf einem erteilten Patent und drei darauf aufbauenden Patentanmeldungen beruht.

Ein Beispiel für komplexe, aus mehreren zusammenhängenden Anlagen bestehende Infrastrukturprojekte ist die Kraftwerksgruppe Kaprun von Verbund.
Brandschutz in Infrastrukturanlagen als komplexe Aufgabe
Infrastrukturanlagen müssen effektiv vor Brand und Betriebsausfällen geschützt werden. Doch oft entpuppt sich das als komplexe Aufgabe.

Aufkleber warnen früher als Brandmeldeanlagen

4-Gene ist als Unternehmen auf glykosylierte Moleküle für Düfte, Aromen und pharmazeutische Wirkstoffe spezialisiert. Ein wesentlicher Vorteil der Glukoside ist die technisch planbare Freisetzung des Stoffes. Die Warngerüche können dabei in Duft und Art variiert werden, die Anbringung auf elektrischen, technischen und mechanischen Anlagen ist einfach und kann nicht nur als Aufkleber, sondern auch in Form eines Sprays oder Stiftes vorgenommen werden. Schon bei der Herstellung einer technischen Anlage kann eine Beschichtung aufgetragen werden. Bei einem technischen Defekt, der Hitze auslöst, werden die an Glukose gebundenen starken rauchigen Warngerüche über eine Sollbruchstelle im Molekül freigesetzt. Das geschieht schon bei Temperaturen, die bereits kritisch, aber noch weit entfernt von der Bildung echter Rauchgase sind, 80° C als Auslöser sind möglich. Das System warnt daher wesentlich früher als herkömmliche Rauch- oder Brandmeldesysteme, die bisher in der Industrie im Einsatz sind. Erste namhafte Industrieunternehmen führen bereits Pilotprojekte mit der Technik durch, weitere Projekte arbeiten mit den künstlichen Brandgerüchen und in Kombination mit „elektronischen Nasen“.

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Einbindung von elektronischen Systemen

Die Wirkung von Sniff & Safe ist dabei wegen der Art des Geruchs intuitiv: Der Rauchgeruch wird wahrgenommen und unmittelbar mit Feuer und Gefahr assoziiert – allerdings lange bevor eine wirkliche Gefahr droht. Katastrophen wie der Brand des Busdepots hätten damit einen wesentlich glimpflicheren Ausgang genommen als den Totalverlust von Bussen und Gebäuden. Die Warnung vor einem drohenden Brand durch starke Gerüche setzt allerdings voraus, dass ein Mensch als „Sensor“ in der Nähe ist. Bei Industrieanlagen kommen Maschinenbediener in Frage, bei Verkehrsmitteln der Fahrzeugführer. Für geparkte Fahrzeuge wäre auch die Einbindung der Technologie in elektronische Warnsysteme möglich. Eine „elektronische Nase“ ersetzt dabei den Menschen und sorgt für die rechtzeitige Warnung vor dem Katastrophenfall.

Bei einem technischen Defekt, der Hitze auslöst, werden die an Glukose gebundenen starken rauchigen Warngerüche über eine Sollbruchstelle im Molekül freigesetzt.
Bei einem technischen Defekt, der Hitze auslöst, werden die an Glukose gebundenen starken rauchigen Warngerüche über eine Sollbruchstelle im Molekül freigesetzt.

Elektronische Nasen sorgen für Sicherheit

Elektronische Nasen sind technische Sensoren zur Analyse von Gerüchen und flüchtigen organischen Verbindungen (VOCs), die entweder bereits primär gasförmig sind oder sowohl von flüssigen als auch von festen Produkten abgegeben werden können. Eine elektronische Nase wurde erstmals schon 1984 von der United States Coast Guard zur Identifizierung flüchtiger Substanzen in Notfällen eingesetzt, um beispielsweise brennbare Gase aufzuspüren. Auch auf der internationalen Raumstation ISS sind elektronische Nasen im Einsatz. Inzwischen erstrecken sich die Anwendungsbereiche neben der Lebensmittelwirtschaft auch auf viele weitere Branchen, darunter in ersten Pilotprojekten auch auf den Brandschutz. Zu den Herstellern von elektronischen Nasen gehören Unternehmen wie SNT, Bosch, Smelldect, Heracles und weitere. Erste Pilotversuche in Kombination einer elektronischen Nase gemeinsam mit der Technologie von 4-Gene konnten bereits erfolgreich umgesetzt werden, im Sommer ist die Markteinführung einer Lösung kombiniert aus Sniff & Safe und einer elektronischen Nase geplant.

Sniff & Safe als eindeutiger Warngeruch

Problematisch bei Bränden sind die Signaturen, die durch Rauch entstehen können. Verschiedene Kunststoffe emittieren Brandgase, die komplett unterschiedlich sind. Auch brennbare Substanzen haben verschiedene Geruchskomponenten, die ein aufwendiges Training der elektronischen Nasen nötig machen. Sniff & Safe hingegen sorgt durch das Glukosid für eine eindeutige Geruchssignatur, die durch eine darauf eingerichtete elektronische Nase ohne jeden Zweifel erkannt wird. So werden zwei Vorteile zusammengefasst: Ein möglicher Brand wird lange vor seinem Ausbruch gemeldet und durch die Nutzung des Glukosids in Form eines Aufklebers, einer Beschichtung oder anderweitig verarbeitet, kann die elektronische Nase jederzeit zuverlässig den möglichen Ernstfall melden. Der Alarm kann dabei mit allen möglichen modernen Informationssystemen gekoppelt werden – neben einem akustischen Alarm ist auch die Einbindung in eine App denkbar. Die Aufkleber können in jeder trockenen Umgebung angebracht werden und benötigen alle zwei Jahre einen Austausch, um die einwandfreie Funktion weiter zu gewährleisten.

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