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Unternehmen 8. Februar 2024

Nachhaltigkeit in der Strategie verankern

Wie Unternehmen der Sicherheitsbranche dem immer größeren strategischen Stellenwert der Nachhaltigkeit Rechnung tragen.

Ein „grüner Anstrich“ allein ist beim Thema Nachhaltigkeit schon lange nicht mehr ausreichend – erwartet wird ein transparenter, glaubhafter Ansatz, der in der Unternehmensstrategie verankert sein muss.
Ein „grüner Anstrich“ allein ist beim Thema Nachhaltigkeit schon lange nicht mehr ausreichend – erwartet wird ein transparenter, glaubhafter Ansatz, der in der Unternehmensstrategie verankert sein muss.

Ein „grüner Anstrich“ allein ist beim Thema Nachhaltigkeit schon lange nicht mehr ausreichend – erwartet wird ein transparenter, glaubhafter Ansatz. Zusätzlich nehmen auch EU-Taxonomie, Rating-Kriterien und ESG-Anforderungen Unternehmen der Sicherheitstechnik in die Pflicht. sind Es gilt das gesamte Unternehmen nachhaltig aufzustellen, das heißt es mit einer langfristigen Perspektive weiterzuentwickeln, die positive Effekte für Umwelt und Gesellschaft aus dem eigenen erfolgsorientierten Wirtschaften schafft und zugleich negative Effekte konsequent minimiert. Nachhaltigkeit muss daher in der Unternehmensstrategie verankert sein.

Systeme der Sicherheitstechnik in den Bereichen Videoüberwachungssysteme, Zutrittskontrollsysteme, Alarmanlagen, Brandschutz und viele mehr sind oft energieintensiv und können potenziell negative Umweltauswirkungen haben. Zunehmend geht der Umgang damit über die Verbesserung von Energie- und Ressourceneffizienz hinaus. War es früher häufig noch ein stilles Selbstverständnis als Unternehmer verantwortlich gegenüber Menschen und Umwelt zu handeln, stellen immer mehr Unternehmen Ihre Motivation auch in der Außendarstellung voran und richten ihr Unternehmen konsequent auf Nachhaltigkeit aus.

Neue Strategie: Veränderungen im Unternehmensumfeld

Hinzu kommt eine ganze Reihe von externen Druckpunkten, die dazu führen, dass Nachhaltigkeit einen immer größeren strategischen Stellenwert bekommt. Dies beginnt bei der öffentlichen Sensibilisierung für das Thema, verbunden mit harten regulatorischen und gesetzgeberischen Anforderungen, zum Beispiel zu erweiterten Berichtslegungspflichten, dem digitalen Produktpass, dem Lieferkettengesetz und weiteren Konkretisierungen des EU Green Deal. Für die Unternehmensfinanzierung wird „ESG-Management“ zu einem gleichwertigen Rating-Kriterium, das die Finanzierungsfähigkeit und die Finanzierungskonditionen neben rein kaufmännischen Dimensionen bestimmt.

Der größte Veränderungsmotivation für Unternehmer geht aber zweifelsohne von den Chancen und Herausforderungen im direkten Marktumfeld und damit im eigenen Gestaltungsspielraum aus: Kunden verlangen zunehmend nach nachhaltigen Produkten und Lösungen und erwarten eine klare strategische Positionierung in dem Thema. Hier stehen viele Unternehmen der Sicherheitstechnik noch ziemlich am Anfang. Darüber hinaus bietet die Transformation der gesamten Wertschöpfung in eine nachhaltige und kreislauforientierte Wirtschaftsweise noch viel Raum für Innovationen und New Business in der eigenen Wertschöpfung und zum „End-of-Life“ der Produkte. Hier entwickelt sich aktuell ein Geschwindigkeitswettbewerb, der Marktanteile verschiebt und neue Anwendungssegmente hervorbringen wird.

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Zusammengefasst beginnt die Nachhaltigkeitswende des eigenen Unternehmens bei der bewussten Positionierung in dem Spannungsfeld zwischen dem Veränderungsdruck in der Branche und den sich bietenden Chancen und Differenzierungsmöglichkeiten im Markt- und Wettbewerbsumfeld. Es kommt darauf an, nicht nur Einzelaktivitäten anzustoßen, sondern die strategische Positionierung des Unternehmens zu bestimmen und konsequent umzusetzen (vgl. Abbildung 1).

Fünf Dimensionen der Nachhaltigkeit

Zum ganzheitlichen Angang an das Thema Nachhaltigkeit und zur systematischen Ableitung von strategischen Zielen für die Nachhaltigkeit im Unternehmen lassen sich fünf Dimensionen unterscheiden.

Motivation und Vision: Motivation und Vision für Nachhaltigkeit dienen als zentraler Orientierungsrahmen für das Unternehmen (normative Dimension). Mit der Motivation wird explizit begründet welche Nachhaltigkeitsziele verfolgt werden und welche Richtungen eingeschlagen werden soll. Eine klare Vision bietet Orientierung und dient als Leitstern, der Entscheidungen, Handlungen und Ressourcenallokation lenkt.

Klimaneutralität: Diese Dimension bestimmt den unternehmensindividuellen Pfad zur Klimaneutralität. Klimaneutralität bezieht sich auf den Zustand, in dem die Netto-Emissionen von Treibhausgasen (insbesondere Kohlendioxid, CO2) auf null reduziert werden. Es geht darum, den Ausstoß von Treibhausgasen so weit wie möglich zu vermeiden und die verbleibenden Emissionen durch Maßnahmen wie Kompensationen auszugleichen.

Ressourceneffizienz: Ressourceneffizienz bezieht sich auf den effizienten Einsatz von Ressourcen, um den maximalen Nutzen zu erzielen und gleichzeitig den Verbrauch zu minimieren. Es geht darum, weniger Ressourcen einzusetzen, um die gleiche Menge an Gütern oder Dienstleistungen zu produzieren oder um eine bestimmte Funktion zu erfüllen.

Gesellschaftliche Verantwortung: Gesellschaftliche Verantwortung im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit bezieht sich auf das Engagement von Unternehmen, über ihre direkten geschäftlichen Aktivitäten hinaus Verantwortung für die Gesellschaft als Ganzes zu übernehmen. Es geht darum, soziale und ökologische Belange in Entscheidungen und Aktivitäten zu integrieren und einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.

Performance: Performance als Dimension von Nachhaltigkeit stellt die grundlegende ökonomische Basis sicher, um als Unternehmen nachhaltig handeln zu können. Nur wenn das eigene Geschäftsmodell tragfähig, robust und zukunftsfähig ist und das Unternehmen gleichzeitig finanz- und leistungswirtschaftlich performant, bestehen Handlungsspielräume für Nachhaltigkeit.

Fünf Gestaltungsfelder zur Umsetzung der Nachhaltigkeit

Wie können nun Unternehmen der Sicherheitstechnik Nachhaltigkeit ganzheitlich in der Unternehmensstrategie verankern? Für die Umsetzung der Ziele in der Nachhaltigkeitsstrategie braucht es eine inhaltliche und organisatorische Verortung von Umsetzungsmaßnahmen im Unternehmen. Hier sind fünf Gestaltungsfelder wesentlich, die an den Dimensionen der Nachhaltigkeit anknüpfen und sich an der funktionalen Strukturierung von Unternehmen orientieren.

Positionierung und Marke

Beginnend bei der Positionierung und Marke des Unternehmens gilt es aus Fragestellungen zu den aktuellen und künftigen Zielgruppen und deren Affinität für Nachhaltigkeit sowie aus der Wettbewerbsbetrachtung eigene Initiativen zu entwickeln. So können bestimmte Zielgruppen angesprochen werden, die ein besonderes Interesse an Nachhaltigkeit haben. Indem das Unternehmen seine Nachhaltigkeitsbemühungen kommuniziert und in seine Markenbotschaft integriert, kann es Kunden gewinnen, die bewusste Entscheidungen treffen und nachhaltige Optionen bevorzugen. Bspw. können Player in der Sicherheitstechnik ihre Kunden über umweltfreundliche Praktiken und Möglichkeiten informieren, wie sie ihren eigenen ökologischen Fußabdruck reduzieren können. Nachhaltige Praktiken stärken das Image des Unternehmens und dienen als differenzierendes Merkmal im Wettbewerb, da immer mehr Kunden und Investoren Wert auf Nachhaltigkeit legen.

Produkte und deren Vermarktung

Produkte in der Sicherheitstechnik müssen sowohl den Sicherheitsanforderungen gerecht werden als auch umweltfreundlich sein. Anbieter von Sicherheitstechnik können darauf abzielen, energieeffiziente Sicherheitssysteme zu entwickeln und anzubieten. Durch die Verwendung energieeffizienter Technologien, den Einsatz von Standby-Modi oder intelligenten Steuerungssystemen können Kunden den eigenen Energieverbrauch reduzieren. Typische Beispiele sind solarbetriebene Überwachungskameras, Beleuchtungssysteme mit Bewegungsmelder oder Sensoren sowie energieeffiziente Alarmanlagen. DIe Langlebig der Produkte sowie ihre einfache Reparatur verringert den Bedarf an Neukäufen und reduziert somit den Ressourcenverbrauch.

Produktion und Supply Chain

Produktion und Supply Chain ist bei vielen Unternehmen das Kerngestaltungsfeld mit der größten Nachhaltigkeitswirkung. und  bezieht sich auf das Bestreben, umweltfreundlichere und sozial verantwortliche Praktiken entlang des gesamten Produktionsprozesses und der Lieferkette zu fördern. Dies umfasst zum einen die eigene Energieeffizienz: Der Energieverbrauch in den Produktionsstätten kann reduziert werden, indem Unternehmen energieeffiziente Maschinen und Ausrüstungen verwenden, Beleuchtungssysteme optimieren, erneuerbare Energien einsetzen und den Energieverbrauch überwachen.

Ressourceneffizienten Produktionsverfahren

Ein zweiter Aspekt ist die Ressourceneffizienz. Durch den Einsatz von ressourceneffizienten Produktionsverfahren, wie etwa dem Recycling von Materialien, der Minimierung von Abfällen und dem Wassermanagement, können Unternehmen ihren Ressourcenverbrauch reduzieren und Abfallmengen minimieren. In Bezug auf die externe Wertschöpfung können Anbieter von Sicherheitstechnik Nachhaltigkeitskriterien in ihre Lieferantenbeziehungen integrieren, indem sie nachhaltige Beschaffungsrichtlinien entwickeln. Dies kann die Bewertung von Lieferanten hinsichtlich ihrer Umweltpraktiken, Arbeitsbedingungen und ethischen Standards beinhalten.

In Bezug auf die soziale Verantwortung sollten Produktionsstätten und Lieferketten menschenwürdige Arbeitsbedingungen bieten, faire Löhne gezahlt und die Einhaltung von Arbeitnehmerrechten sichergestellt werden. Dies beinhaltet auch, Kinderarbeit auszuschließen und Vielfalt, Gleichberechtigung sowie Inklusion zu fördern.

Abbildung 2 zeigt die Gestaltungsfelder der Nachhaltigkeit.
Abbildung 2 zeigt die Gestaltungsfelder der Nachhaltigkeit.

Nachhaltigkeit in Produktion und Supply Chain umfasst auch die Implementierung effektiver Abfallmanagement- und Recyclingprogramme, um Abfälle zu reduzieren, Abfallströme zu trennen und recycelbare Materialien zu nutzen. In Bezug auf Transport- und Logistikpraktiken gilt es den Treibstoffverbrauch zu reduzieren und den CO2-Ausstoß zu minimieren. Dies kann durch die Optimierung von Routen, die Nutzung effizienter Fahrzeuge und den Einsatz von alternativen Transportmitteln wie Bahn oder Elektrofahrzeugen erreicht werden. Schließlich können sich Unternehmen für Nachhaltigkeitszertifizierungen und -standards wie ISO 14001 (Umweltmanagement), ISO 26000 (gesellschaftliche Verantwortung) und Responsible Business Alliance engagieren, um ihre Nachhaltigkeitsleistung zu verbessern und ihre Glaubwürdigkeit zu stärken. Die Integration von Nachhaltigkeit in Produktion und Supply Chain erfordert einen ganzheitlichen Ansatz und die Zusammenarbeit mit Lieferanten, Partnern und Interessengruppen.

Reporting und Finanzierung

Das Reporting und die Finanzierung von Nachhaltigkeit spielen – auch bei den im deutschsprachigen Raum überwiegend nicht börsennotierten Sicherheitstechnikanbietern – eine wichtige Rolle, um Transparenz und Rechenschaftspflicht in Bezug auf die Nachhaltigkeitsbemühungen sicherzustellen.

Zunächst geht es darum, Transparenz über den Umsetzungserfolg herzustellen. Nachhaltigkeits-KPIs, die Fortschritte messen und verfolgen sind hier hilfreich. Diese KPIs können sich auf Bereiche wie Energieverbrauch, Treibhausgasemissionen, soziale Auswirkungen oder Lieferkettenmanagement beziehen.

In Bezug auf externe Stakeholder können Nachhaltigkeitsberichte veröffentlicht werden, um die Nachhaltigkeitsleistung zu kommunizieren. Diese Berichte enthalten Informationen über Umweltauswirkungen, soziale Praktiken, Stakeholder-Engagement und weitere relevante Nachhaltigkeitsaspekte. Investitionen in nachhaltige Projekte und Technologien, um Umwelt- und sozialen Auswirkungen zu reduzieren, sind weitere Optionen. Weiterer Baustein ist die grüne Finanzierung, das heißt die Nutzung grüner Finanzierungsmechanismen, um ergriffene nachhaltige Initiativen zu unterstützen. Dazu gehören grüne Anleihen, grüne Kredite oder andere Finanzinstrumente, die speziell für nachhaltige Projekte und Initiativen entwickelt wurden.

Organisation und Change

Was die Organisation der Nachhaltigkeitswende im Unternehmen angeht, ist ein konsequentes Change Management notwendig. Welche Anpassungen und Veränderungen müssen vorgenommen werden, um nachhaltige Praktiken in die Geschäftsstrategie und -kultur zu integrieren? Als Orientierungspunkt dient die aus der Unternehmensstrategie abgeleitete Nachhaltigkeitsstrategie.

Der organisatorische Aspekt der Nachhaltigkeitsimplementierung umfasst die Integration in Geschäftsprozesse, da Maßnahmen fast immer funktionsübergreifend im Unternehmen umgesetzt werden müssen. Zusätzlich liegt es in der Natur der Nachhaltigkeitswende, dass diese nie vollständig nur im eigenen Unternehmen umgesetzt werden kann. Die Entwicklung von Netzwerken und die Kooperationsfähigkeit von Unternehmen sind entsprechend wichtig.

Unternehmen müssen intern Change-Management-Prozesse implementieren, um Mitarbeiter auf die neuen Nachhaltigkeitsziele und -praktiken vorzubereiten, Widerstände zu überwinden und eine reibungslose Umsetzung sicherzustellen. Schulungen, Kommunikation und Mitarbeiterbeteiligung sind wichtige Elemente des Veränderungsmanagements. Ein wesentlicher Treiber dabei ist das starke Engagement der Führungskräfte. Diese sollten als Vorbilder auftreten, die die Bedeutung von Nachhaltigkeit vermitteln und die Mitarbeiter zur Mitwirkung anregen. Es ist wichtig, eine Kultur des Engagements und der Verantwortlichkeit für Nachhaltigkeit zu schaffen.

Nachhaltigkeitsaspekte als Chance

Nachhaltigkeit sollte für Unternehmen der Sicherheitstechnik weit mehr bedeuten als die reaktive Erfüllung rechtlicher Vorgaben. Vielmehr geht es darum, auf Basis eines entsprechenden Selbstverständnisses Nachhaltigkeitsaspekte als Chance zur Differenzierung im Wettbewerb zu verstehen. Dies kann nur gelingen, wenn Nachhaltigkeit konsequent im eigenen Unternehmen und der eigenen Wertschöpfung strategisch und operativ verankert wird. Dabei hilft eine strukturierte und operationalisierbare Gliederung der relevanten Dimensionen und Gestaltungsfelder.

Dr. Michael Staudinger, Mitglied der Geschäftsleitung; Dr. Stephan Hundertmark, Partner, Dr. Wieselhuber & Partner GmbH

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