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Brandschutz 11. April 2022

Wie Denkmal- und Brandschutz in Bibliotheken gelingt

Bibliotheken beherbergen Werke von unschätzbarem Wert. Oft sind sie in Gebäuden untergebracht, in denen Denkmal- und Brandschutz unter einen Hut gebracht werden müssen.

Beim Brand der Anna Amalia Bibliothek in Weimar im Jahr 2004 wurden über 50.000 Werke vernichtet und noch mehr beschädigt, die hinterher aufwendig restauriert wurden.
Beim Brand der Anna Amalia Bibliothek in Weimar im Jahr 2004 wurden über 50.000 Werke vernichtet und noch mehr beschädigt, die hinterher aufwendig restauriert wurden.

Bibliotheken sind in Sachen Brandschutz gerade im Bestand je nach Größe komplexe Objekte. Häufig sind die Räumlichkeiten ursprünglich gar nicht für das Dasein einer bibliothekarischen Nutzung vorgesehen worden und je nach Alter des Gebäudes, spielt der Denkmalschutz eine wichtige Rolle, dem sich architektonische, aber auch brandschutztechnische Lösungen unterordnen müssen. Moderne, neu gestaltete Bibliotheken an Hochschulen oder für die allgemeine Öffentlichkeit in Städten und Gemeinden folgen heute in der Regel einer offenen Raumgestaltung und entwickeln sich im digitalen Zeitalter immer mehr zu einem Kommunikations- und Wissenstransferzentrum. Große, offene Flächen sind die Regel, mit vielen Arbeitsplätzen für Studierende. Aktuelle brandschutztechnische Lösungen müssen in solchen Objekten ganzheitlich und innovativ gedacht werden, um allen Anforderungen des Brandschutzes zu genügen.

Brandschutz und Risiken in Bibliotheken

Brände in Bibliotheken kommen vergleichsweise selten vor. Doch wenn sich ein Feuer ausbreitet, sind die Schäden nicht nur durch das Feuer selbst, sondern auch durch die Löscharbeiten oft beträchtlich. Traurige Referenz ist hier immer noch die Anna Amalia Bibliothek in Weimar, bei deren Brand im Jahr 2004 über 50.000 Werke vernichtet worden sind. Auslöser war hier ein defektes Elektrokabel. Ein Jahr zuvor führte Brandstiftung in der Stadtbibliothek Stade zu deren Totalverlust und kompletten Neubau. Die beiden Beispiele zeigen zusammen mit anderen Statistiken zu Brandursachen, dass die häufigste Gefahr von Bränden in Bibliotheken Brandstiftung, defekte oder fehlerhafte elektrische Anlagen oder Verkabelungen und unsachgemäße Arbeiten an solchen Anlagen sind (siehe Kasten).

Der Brandverlauf hängt dabei von verschiedenen Faktoren ab: Einer davon sind die in einer Bibliothek befindlichen Medien, wie Bücher oder Computer. Anschließend der Bau selbst sowie die Raumordnung und Aufteilung. Schließlich der technische Brandschutz, folglich die Ausstattung mit Brandmelde- und Löschsystemen sowie die Pläne für Löschtätigkeiten der Feuerwehr. Daraus ableiten lässt sich, dass gerade der Umfang eines notwendigen Löschwasserseinsatzes von der Fähigkeit des Brandschutzes zur Früherkennung und Eindämmung abhängt. Denn Wasser ist für viele Medien ebenso gefährlich wie Feuer. Für das Brandschutzkonzept ist die vorhandene Brandlast, das heißt die Menge brennbarer Stoffe unter Berücksichtigung ihres Heizwertes und Brandverhaltens zu berücksichtigen. Die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) hat in einer Untersuchung festgestellt, dass Büchereien mit einer Brandbelastung von 1.500 MJ/m² mit Ausnahme von Lagern den höchsten Wert der üblichen Nutzungen aufweisen. Zum Vergleich: Ein Wohnraum hat einen Durchschnittswert von etwa 780 MJ/m². Bei Bibliotheken ist aufgrund der Anordnung von Regalen und der sehr dicht gestellten Bücher das Brandverhalten insgesamt angesichts dieser Bedingungen zu bewerten, wie auch das von anderen Medien und Arbeitsplätzen, die sich häufig eingebunden in „Regalwände“ mit Büchern finden. Insofern haben die Raumgestaltung und das Benutzungskonzept einen wesentlichen Einfluss auf eine Brandausbreitung und die Gefährdungsanalyse.

ZHAW Hochschulbibliothek – Beispiel für eine Umnutzung

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Ein Beispiel für die gelungene Kombination aus Erhaltung eines alten Gebäudes mit neuer Nutzung und einem maßgeschneiderten Brandschutz ist die Hochschulbibliothek der ZHAW (Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften) in Winterthur. Die Bibliothek ist in einer alten Fabrikhalle des Sulzer-Konzerns untergebracht. Die Sanierung und Umbau der Halle begann 2012 und dauerte zwei Jahre. Typisch für die damalige Zeit besteht die denkmalgeschützte Halle aus einem Stahlskelettbau mit großflächigen Verglasungen, die auch bei der Umnutzung erhalten geblieben sind. Die Halle ist elf Meter hoch und bietet auf etwa 6.000 m2 eine moderne Bibliothekslandschaft mit allen gängigen Medienformen und zahlreichen Arbeitsplätzen für Studierende. Um in der Halle Raum für Bücher und Studierende zu schaffen, sind zwei von der Fassade getrennten Zwischenebenen eingezogen worden, die allerdings nicht über die gesamte Breite der Halle laufen und somit für sich eine Art Galerie bilden. Die Höhe zwischen den Ebenen beträgt etwa 2,50 Meter. Vom Boden der Halle zur ersten Ebene sind es etwas über drei Meter. Es gibt ferner zwei weitere Geschosse darüber, die baulich davon getrennt sind. Ebenso eine Cafeteria mit rund 320 m2 Fläche und ein Großraumbüro mit etwa 400 m2, die einen eigenen Brandabschnitt bilden sowie drei Treppenhäuser.

Die Stahlkonstruktion und die beiden Zwischengeschosse dominieren das innere Erscheinungsbild der Halle in der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur.
Die Stahlkonstruktion und die beiden Zwischengeschosse dominieren das innere Erscheinungsbild der Halle in der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) in Winterthur.

Großzügige Brandabschnitte in denkmalgeschützten Gebäuden

Die Stahlkonstruktion und andere Elemente mussten aus Gründen des Denkmalschutzes erhalten werden, es musste also ein Weg gefunden werden, diese brandschutztechnisch zu ertüchtigen, denn die damalige Konstruktion entspricht nicht den heutigen Anforderungen. „In der Schweiz gilt, dass ein solches Gebäude aufgrund eines Brandes mindestens 60 Minuten lang nicht in sich zusammenfallen darf. Die gängige Ausführung mit H-Stahlträgern bietet je nach Brandeinwirkung in der Regel eine Stabilität für etwa zehn Minuten“, erklärt Dr. Alois Schälin von der AFC Air Flow Consulting AG. Die Stahlkonstruktion hat daher neben einem Korrosionsschutz auch einen speziellen Brandschutzanstrich erhalten. Dieser musste auf etwa 2.100 m2 der statisch relevanten Stahloberfläche angebracht werden. Der Anstrich, Pyroplast ST-100 von Sika, bildet unter Hitzeeinwirkung eine wärmeisolierende Dämmschicht, indem das Material auf das 40-fache aufquillt und so die Feuerwiderstandsdauer erhöht, in diesem Fall auf die geforderten 60 Minuten. Das bedingt, dass um die Träger entsprechend Raum ist, damit sich diese Schicht im Brandfall auch voll entfalten kann. Ferner muss sie jedes Jahr kontrolliert und gewartet werden. Bereits kleinste Lücken können die Effektivität der Beschichtung beeinträchtigen.

Der Nutzungsbereich der Bibliothek inklusive der beiden Galerien bildet einen einzigen Brandabschnitt. Die Abschnitte der Cafeteria und des Großraumbüros sind über Glasabtrennungen mit Feuerwiderstand sichtbar. Um hier den geforderten Feuerwiderstand von brandabschnittbildenden Verglasungen reduzieren zu können, setzt man auf eine beidseitige Besprinklerung. Da die Bibliothek nicht über wertvolle Bücher in der Halle verfügt, ist hier kein besonderer Schutz gegenüber Löschauswirkungen notwendig. Andere Bibliotheken müssen bei wertvollen Medien auf andere Maßnahmen setzen, etwa spezielle Magazine, mehr Brandabschnitte oder Sondersprinkler (Hochdrucknebelanlagen), damit sich Beschädigungen durch Wasser reduzieren lassen. Bedingt durch die offene Hallenkonstruktion ist in der ZHAW Hochschulbibliothek der effektive und rasche Rauchabzug ein entscheidendes Element, wenn es um die Entfluchtung und Personenrettung geht. Maßgeblich hierfür ist eine großzügig dimensionierte RWA. Über zahlreiche Absaugpunkte zwischen den Trägern in der Decke über der 2. Galerie kann entstehender Rauch großflächig abgesaugt werden.

Die Anlage schafft rund 400.000 m3/h und ist in ihrer Leistung damit mehr als ausreichend. Um die Effektivität der RWA zu testen, sind verschiedene Simulationen durchgeführt worden. Diese haben ergeben, dass innerhalb von 15 Minuten eine Evakuierung ohne Probleme möglich ist. Da aufgrund der Nachströmung über die Fassade Frischluft zugeführt wird, verbleibt außer in unmittelbarer Nähe zum Brandherd genügend rauchfreier Raum mit einer Konzentration von maximal 40 mg/m3, entsprechend einer Sichtweite von >20m. „Die Simulationen sind aber nur ein Werkzeug zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit der RWA gewesen. Wir haben auch anhand von Heißrauchversuchen die Werte bestätigen können“, so Dr. Schälin. Da die Absaugöffnungen in der Decke über der oberen Galerie verbaut sind, kann durch die enorme Leistung auch der Rauch einer Brandquelle im EG oder auf der ersten Galerieebene wirkungsvoll in kurzer Zeit angesaugt werden. Es bildet sich eine stabile Rauchschicht unter der Decke, die eine Entfluchtung ohne Probleme ermöglicht.

Der Großteil des Rauches steigt bis zur Decke des 2. Zwischengeschosses, wo er durch die Entrauchungskanäle (verdeckt) abgesogen wird.
Der Großteil des Rauches steigt bis zur Decke des 2. Zwischengeschosses, wo er durch die Entrauchungskanäle (verdeckt) abgesogen wird.
Notfallpläne für Museen
Wenn Kulturgüter durch Brand zerstört oder gestohlen werden, ist der Worst Case eingetreten. Um dies zu verhindern, bedarf es angepasster Notfallpläne.

Personenrettung hat Priorität

Einhergehend mit einem effektiven Rauchabzug muss auch die zügige Evakuierung des Gebäudes oder der Brandabschnitte gewährleistet sein. Eine Sprachalarmierung löst im Brandfall entweder über die BMA (üblicherweise wesentlich schneller, etwa ein- bis zwei Minuten nach Brandausbruch) oder die Sprinkleranlage automatisch aus. Ebenso sind umfangreiche und gut sichtbare Fluchtweg-Kennzeichnungen vorhanden. Die Notstromversorgung ist anders als in der Regel in Deutschland nicht über ein eigenes Aggregat angeschlossen. Notbeleuchtung und die BMA sind batteriegepuffert, während die RWA einen eigenen Stromabzweig vor der Hauptsicherung hat. Dieser ist in einem gesonderten Raum untergebracht, der einen eigenen Brandabschnitt bildet. Ein eigenes Notstromaggregat ist daher nicht notwendig. Das Gleiche gilt für das Sprinklernetz, das nicht über einen eigenen Wasservorrat verfügt, sondern aus dem öffentlichen Netz gespeist wird. Für die Einhaltung der Brandschutzvorschriften und den Unterhalt der Sicherheitsanlagen sorgt ein Sicherheitsbeauftragter und es gibt ein betriebliches Evakuierungskonzept, dass jährlich geübt wird, damit auch neu eintretende Studierende und Mitarbeitende dieses aufnehmen und heranziehen können.

Das Fluchtwegkonzept trägt der Bibliothek, die eine Kapazität von etwa 480 Personen aufweist, Rechnung. Ausreichende Fluchtmöglichkeiten über die Treppenhäuser ermöglichen eine zügige Räumung der Geschosse und der Galerien. Denn je nach Monat (insbesondere vor den Prüfungen) können sich im Tagesverlauf mehrere hundert Menschen in der Bibliothek und den Lernbereichen in den Obergeschossen aufhalten. Den Mitarbeitenden kommt naturgemäß eine besondere Verantwortung zu, denn sie müssen die zahlreichen potenziellen Gefahren im Auge haben. Dies können zugestellte Fluchttüren oder heimlichen Raucher sein. Solche Restrisiken müssen so weit als möglich minimiert werden. Auch der Umgang mit den vorhandenen Löscheinrichtungen will daher geübt sein. Die Feuerwehr ist ebenfalls in das Brandschutzkonzept und die Abläufe mit eingebunden, sodass hier auch im Ernstfall externe Hilfe schnell zur Stelle ist.

Das Beispiel der ZHAW Hochschulbibliothek zeigt, wie sich ein gesamtheitliches Brandschutzkonzept auf eine bestimmte Nutzungsart optimal ausrichten lässt. Auch der Denkmalschutz einschließlich der Vorgaben muss hier kein Hinderungsgrund für eine sichere und gleichzeitig optisch ansprechende Brandschutzlösung sein.

Hendrick Lehmann, freier Mitarbeiter PROTECTOR

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