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Öffentliche Sicherheit 13. März 2024

KI im Einsatz beim Risikomanagement

Wie kann Künstliche Intelligenz (KI) im Risikomanagement eingesetzt werden? Wie müssen Prozesse und Richtlinien dazu aussehen? Michael Jahn-Kozma, Vorstandsmitglied der RMA Risk Management & Rating Association e.V. und Corporate Risk Manager bei der Kuka AG, gibt Antworten.

Wie kann Künstliche Intelligenz (KI) im Risikomanagement eingesetzt werden?
Wie kann Künstliche Intelligenz (KI) im Risikomanagement eingesetzt werden?

PROTECTOR befragte zum Einsatz von KI im Risikomanagement Michael Jahn-Kozma, Vorstandsmitglied der RMA Risk Management & Rating Association e.V. und Corporate Risk Manager der Kuka AG.

Für die Veranstalter des World Economic Forums (WEF) birgt die Künstliche Intelligenz das Potenzial, globale Herausforderungen zu bewältigen. Gleichzeitig sieht man aber auch das Risiko, bestehende digitale Klüfte zu vertiefen oder neue zu schaffen. Wie beurteilen Sie den Segen und Fluch von KI?

Michael Jahn-Kozma: Wir haben es beim Thema der Künstlichen Intelligenz, sprich KI, mit einem Megathema zu tun. Das Ganze ist weniger ein Trend, als vielmehr eine disruptive Technologie, wobei wir schon mitten im Sturm der Veränderung sind. Und diese Veränderung zwingt Unternehmen, aber auch Politik und Wissenschaft, sich mit dem Themenkomplex intensiv auseinanderzusetzen. Mit Blick auf Unternehmen sehe ich die Rationalisierungsmöglichkeiten als möglichen Segen, sprich eine klare Chance. Damit einhergeht die Schnelligkeit ganzer Prozesse und Arbeitsabläufe.

Damit aber der viel beschworene Paradigmenwechsel der KI zum Positiven gedeiht, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Denn die Maschine ist zunächst einmal dumm. Von daher kommt es darauf an, sich im Vorfeld genau zu überlegen, wie die KI-Anwendung funktioniert und was ich mit dem KI-Einsatz erreichen möchte. Leider wird vonseiten vieler Nutzer nicht vernünftig hinterfragt, was als Ergebnis erreicht werden soll. Damit bin ich dann schnell beim Fluch der Digitalisierung. Es geht um Daten, das notwendige Know-how und der Definition eines klaren Zieles. Wenn ich nicht weiß, wie ich das Ganze zielführend einsetze, kann Nonsens herauskommen beziehungsweise ist ein richtiges Ergebnis purer Zufall. Das heißt im Umkehrschluss, dass ich als Organisation ein Konzept benötige. Ansonsten laufe ich als Unternehmen in das Risiko, falschen Annahmen hinterherzulaufen und mich gegebenenfalls in eine Richtung zu bewegen, die nicht zielführend ist.

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Nun wird seit Jahren viel über KI geschrieben, trotz des oft missverständlichen Gebrauchs der beiden Buchstaben KI. So ist KI nicht klar definiert und dient oft als Oberbegriff, der im Rahmen vieler Beschreibungen zu kurz greift. Wie würden Sie das Thema umschreiben?

Michael Jahn-Kozma: Für mich ist es eine Möglichkeit, mittels der Kombination von Simulationen menschlicher Gedankengänge mit Maschinen Lerneffekte zu erzielen. Allgemein gesprochen umreißt das meiner Ansicht nach die Künstliche Intelligenz, wobei es am Ende um den Kontext und die Wahrscheinlichkeit geht. Das heißt, die Maschine oder KI setzt einen Begriff in einen Kontext mit anderen Begriffen, um im Ergebnis die größte Wahrscheinlichkeit zu erzielen, dass diese Begriffe zusammenpassen. Das wiederum ist kein neues Thema. Denn in der Forschung beschäftigt man sich schon lange damit, wie Daten in Kombination etwas Neues ergeben können.

Der Einsatz unterschiedlicher Typen von KI ist hierzulande mal mehr, mal weniger gut ausgeprägt. Woran liegt es, dass wir in Deutschland keine durchgängige digitale Strategie hinbekommen?

Michael Jahn-Kozma: Hier sehe ich als ein wesentliches Hindernis die allgemeine Zufriedenheit mit einem seit Jahrzehnten vorherrschenden Status quo. Dieser machte es vielen Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft in der Vergangenheit leicht, sich auf dem Erreichten auszuruhen. Und damit sank die Bereitschaft, in Forschung und Entwicklung mehr zu investieren. Ein Fehler, wie wir heute deutlich erkennen müssen. Während beispielsweise die deutsche Wirtschaft früher für ihre Innovationsfähigkeit gelobt wurde, haben uns längst andere Länder den Rang abgelaufen. Ein Blick nach China und auf die dortige Automobilindustrie genügt, um zu erkennen, dass wir unter anderem bei Thema der Elektromobilität um Jahre zurückliegen. Ein hausgemachtes Problem. Denn die Politik der letzten zehn bis 20 Jahre hat es schlicht versäumt, den Rahmen zu setzen, damit der Industriestandort Deutschland wettbewerbsfähig bleibt. Dazu zählt auch, dass wir hierzulande kein ausgeprägtes Verständnis für Mathematik mitbringen.  

Wenn KI-generierte Ergebnisse in Unternehmen nicht vernünftig hinterfragt und qualitätsgesichert werden, kann dies zu neuen Risiken führen. Dies gilt  es, mit einem entsprechenden Risikomanagement zu verhindern.
Wenn KI-generierte Ergebnisse in Unternehmen nicht vernünftig hinterfragt und qualitätsgesichert werden, kann dies zu neuen Risiken führen. Dies gilt  es, mit einem entsprechenden Risikomanagement zu verhindern.

Aber gerade die Auseinandersetzung mit der Mathematik ist die Grundvoraussetzung, will ich mich in der modernen Datenwelt bewegen. Das fällt uns auf die Füße. Auch hier gilt es, in die asiatischen Länder, wie China, zu schauen. Dort wird die Mathematik großgeschrieben, und es herrscht ein ganz anderer Zugang dazu. In China beispielsweise adaptieren die Menschen die Chancen der Digitalisierung fast spielerisch und ohne ein Verlangen, dass der Staat an dieser Stelle in irgendeine Vorleistung gehen muss. Demgegenüber herrscht bei uns vielfach eine Mentalität der staatlichen Vollkaskoversicherung vor, bei der Unternehmen und Bürger glauben, bei jeder Veränderung von außen müsse der Staat sie subventionieren. Das ist natürlich fatal, denn damit wird jede Notwendigkeit zur Eigeninitiative nicht eingesehen oder zumindest langsamer adaptiert.

Ralf Kimpel, Vorstandsvorsitzender der RMA, im Rahmen des RMC 2023 in Köln.
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Im Grunde hätten hinsichtlich der Digitalisierung und damit der KI längst die Weichen in Richtung Zukunft vonseiten der Politik, aber auch von Gesellschaft und Unternehmen, gestellt werden müssen. Das heißt auch, die Chancen der Digitalisierung erkennen und adaptieren. Doch anstatt sich umfassend mit digitalen Prozessen und Strukturen auseinanderzusetzen, jammern viele Unternehmen zum Beispiel über das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz. Ein Jammern, weil Firmen digital schlecht in ihren Supply-Chain-Managementprozessen sind. Dabei zählt das zu den Basics im Risikomanagementprozess eines Unternehmens. Wenn ich aber als Organisation meine Hausaufgaben in der Digitalisierung nicht mache, ist das Ganze dementsprechend ein massiver Mehraufwand. Gleiches zählt auch auf Behördenseite. Unsere Verwaltungsstrukturen funktionieren noch immer an vielen Stellen analog. Das verlangsamt nicht nur die interne Arbeit, sondern auch behördenübergreifend sowie im Austausch mit Bürgern und Unternehmen. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass ein qualitatives Mehr an Digitalisierung in allen Bereichen des Arbeitslebens vonnöten wäre.

Wenn wir nochmals konkret auf die Risiken des KI-Einsatzes in Unternehmen blicken, welche sehen Sie hier?

Michael Jahn-Kozma: Eines der großen Risiken im Umgang mit KI besteht darin, wenn ich mich mit der Sache nicht auskenne. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass ich nicht absehen oder hinterfragen kann, ob die KI die jeweilige Projektierung in den richtigen Kontext setzt. Ich kann die Maschine nur schlauer machen mit meinem Know-how. Wenn ich genau sage, wie die Arbeitsschritte aussehen müssen, kann KI das schneller erledigen. Aber dazu muss ich mich zunächst mit den Arbeitsschritten auseinandersetzen. Zudem besteht das Risiko darin, dass KI-generierte Ergebnisse nicht vernünftig hinterfragt und qualitätsgesichert werden. Wir brauchen darüber hinaus Richtlinien, damit zum Beispiel ChatGPT nicht mit sensiblen Unternehmensdaten gefüttert wird. Denn diese Daten kommen in einen Datenpool und landen am anderen Ende der Welt, wo sie bei einer Datenabfrage zum jeweiligen Thema in einen falschen Kontext gesetzt werden können. Und das kann für Unternehmen fatale Folgen haben, mit enormen Kosten und Reputationsverlusten. Dem gilt es, vorzubeugen und zunächst die Menschen vor der Maschine in der Lage zu versetzen, mit der Digitalisierung in Gänze sorgfältig und dem notwendigen Wissen umzugehen. Im Grunde führt das zum Ausgangspunkt der Überlegungen: Ich muss als Unternehmen wissen, was die Ziele des KI-Einsatzes sind und mir über die Arbeitsschritte, Strukturen und gewünschten Ergebnisse im Vorfeld im Klaren werden. Ein Gesamtprozess, in dem der Mensch noch immer eine wesentliche Rolle spielt, um die KI-Risiken zu minimieren und die Chancen des Einsatzes zu erhöhen.

Apropos Chancen. Welche Entwicklungen wird das Thema der Künstlichen Intelligenz ihrer Meinung nach in den kommenden Jahren nehmen?

Michael Jahn-Kozma: Die Unternehmen, die es schaffen, KI schnell und zielführend in der eigenen Organisation zu integrieren, werden im Wettbewerb die Nase vorn haben. Es geht um Geschwindigkeit, Effizienz und Ressourcenallokation mit einer vernünftigen KI-Unterstützung. Wer hingegen als Unternehmen an seinen alten Prozessen festhält, der wird abgehängt. Diese Unternehmen werden unter einer starken Ineffizienz und höheren Kosten leiden, was vermutlich das disruptive Element ausmacht und zum Scheitern dieser Unternehmen führen. Zudem haben wir es heute noch mit einer Vielzahl an Aufgaben zu tun, bei denen Dokumentationen analog niedergeschrieben und in digitalen Managementsystemen hinterlegt sind. Daran und damit arbeitet eine Vielzahl von Menschen beispielsweise in Ämtern, was mithilfe von KI-Prozessen schon heute einfacher und schneller zu bewerkstelligen wäre. Diesen und weiteren Berufsgruppen bleibt wohl nur, sich weiterzuentwickeln und die digitalen Möglichkeiten als Chance anzunehmen. Denn diese Tätigkeitsfelder werden in absehbarer Zeit verschwinden.

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Nun sind Sie ja auch Vorstandsmitglied der RMA Risk Management & Rating Association e.V. Also einem Verein, der sich im gesamten deutschsprachigen Raum zu den Themen Risikomanagement, Rating, Compliance und Governance in die wirtschaftliche und wissenschaftliche Diskussion einbringt. Wie kann die RMA im KI-Umfeld Unternehmen unterstützen und gleichzeitig den Wissenstransfer befruchten?

Michael Jahn-Kozma: Hierzu haben wir zahlreiche Arbeitskreise, die am KI-Thema indirekt oder direkt anknüpfen. Sei es der Arbeitskreis Human Risk Factors, in dem wir uns viel mit Denkmodellen beschäftigen. Dort geht es unter anderem um die zentralen Elemente der Risikowahrnehmung und Risikokultur. Darüber hinaus ist KI ein Tagesthema und damit für den RMA-Arbeitskreis Supply Chain Risk Management von Bedeutung, wie oben bereits beschrieben, aber auch für unsere weiteren Arbeitskreise, sei es zum strategischen Risikomanagement über das Krisenmanagement bis zum Arbeitskreis der Risikoquantifizierung. In Summe gibt es vielfältige Anknüpfungspunkte innerhalb der RMA-Arbeit, um das Thema der KI in den verschiedenen Arbeitskreisen zu behandeln, Unternehmen zu unterstützten und den Wissenstransfer weiterzutreiben. Nicht zu vergessen unsere Veranstaltungen, Regionaltreffen und Konferenzen. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle exemplarisch unseren jährlichen Risk Management Congress, bei dem die Themen der Digitalisierung und der KI gesetzte Inhalte sind. In diesem Jahr können Interessierte übrigens am 13. und 14. Mai in Hamburg beim kommenden Risk Management Congress neue Impulse und Ideen für ihre Risikomanagementarbeit mitnehmen. Und das sicher auch rund um das Thema KI.

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