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Gefahrenmeldetechnik 27. März 2024

Museen im Spannungsfeld

Museen machen ihre Objekte öffentlich zugänglich, was sie in ein Spannungsfeld aus Offenheit auf der einen und Sicherheit auf der anderen Seite zwingt.

Beim Raub im Bode-Museum hatten die Täter auch eine gute Portion Glück.
Beim Raub im Bode-Museum hatten die Täter auch eine gute Portion Glück.

Museen sind immer wieder Opfer mitunter spektakulärer Einbrüche und Raubzüge. Im Fokus der Täter stehen große wie kleine Einrichtungen, es kommt quasi auf den „Inhalt“ an – und natürlich, wie ein Objekt zugänglich und gesichert ist. Museen und Kunstsammlungen sehen sich seitjeher mit dem Problem konfrontiert, dass sie ihre Kunstobjekte zur Schau stellen wollen, diese aber gleichzeitig damit nicht so sichern können, wie häufig technisch maximal möglich wäre. Museen wollen ja ihre Objekte erlebbar machen, um so beim Besucher ein Interesse und Verständnis für die Arbeit der Einrichtung zu wecken, was schwer möglich ist, wenn Besucher sich nicht einigermaßen ungehindert mit den Objekten auseinandersetzen könnten. Die Kunst besteht für eine Museumsleitung besteht darin, diesen scheinbaren Widerspruch aufzulösen und ein Höchstmaß an Sicherheit zu bieten, ohne das Besuchererlebnis nachhaltig einschränken zu müssen. Und wie einige der letzten Einbrüche gezeigt haben, gibt es  beim Thema Sicherheit viele Stellschrauben, an denen  gedreht werden kann und oftmals muss.

Vielfältige Risiken für Museen

Museen müssen sich auf eine Reihe von Tätern und Ereignissen einstellen, die sich in den letzten Jahren auch gewandelt haben. Von den Motiven der Täter hängt auch das Sicherheitskonzept ab. Da gibt es zunächst die „klassischen“ Einbrüche, bei denen Objekte gezielt gestohlen werden, etwa im Auftrag von Sammlern oder um die Objekte als geldwerte „Sicherheit“ für kriminelle Geschäfte zu nutzen. Auch Erpressung ist eine Variante, die immer wieder vorkommt. Das Objekt wird gestohlen und mit dessen Zerstörung gedroht, sollte kein „Lösegeld“ gezahlt werden. Eine weitere Tätergruppe nutzt Museen und Kunstsammlungen zur „Rohstoffgewinnung“, also dem gezielten Diebstahl von Objekten – vorzugsweise aus Edelmetallen oder Schmuck – die nach der Tat eingeschmolzen oder anderweitig weiterverarbeitet werden. „In diesem Fall kommt es den Tätern nicht darauf an, die Objekte unbeschädigt zu entwenden, sondern nur, sie möglichst schnell wegzuschaffen, ohne Rücksicht auf Beschädigungen“, erklärt Remigiusz Plath, Sicherheitsexperte beim Deutschen Museumsbund. Die Täter benötigen nur wenige Sekunden und gehen mit maximaler, brachialer Gewalt vor, denn der Faktor Zeit entscheidet in den meisten Fällen über das Gelingen der Tat. Und schließlich gibt es noch das Phänomen des (politisch motivierten) Vandalismus an Kunstobjekten. Gerade in der jüngeren Zeit gab es vermehrt Angriffe auf Objekte, um mediale Aufmerksamkeit zu erzeugen. Auch ein solches Verhalten muss in ein Sicherheitskonzept einfließen.

Nicht nur die Technik, auch Prozesse müssen laufen

Das Thema Sicherheit ist in Museen häufig sehr komplex, vor allem In denkmalgeschützten Gebäuden oder aufgrund besonderer architektonischer Gegebenheiten. Umso wichtiger ist es, dass die für ein Gebäude festgelegten Prozesse, gerade im Alarmfall, reibungslos laufen. Wie überlappen sich Technik und organisatorische Maßnahmen, wer tut was wann, wer wird wie informiert – diese auf den ersten Blick eher als gegeben angesehenen Fragen müssen dennoch in der Praxis geübt und überprüft werden. Wie lange Täter für ihre Aktion brauchen, spielt bei Einbrüchen eine große, wenn nicht entscheidende Rolle. Greift ein Prozessschritt nicht, kann dies zu Verzögerungen führen, die es den Tätern ermöglicht, zu entkommen. Dafür ist es unabdingbar, ein konsequentes Risikomanagement zu betreiben. Hierbei wird unter dem Begriff „Risiko" die Möglichkeit verstanden, dass ein Ereignis eintreten kann, welches Zerstörung oder Verlust von Sammlungsstücken nach sich zieht. Ein zentraler Aspekt dieses Prozesses ist der Schutz gegen Diebstahl und Einbruch, welcher integral mit anderen Sicherheitsüberlegungen verbunden ist. Effektives Risikomanagement setzt voraus, dass die Sammlung vollständig erfasst und bewertet wird, um geeignete Schutzmaßnahmen für die Kunstwerke festlegen zu können. Dabei wird zunächst die Anfälligkeit der Objekte für Diebstahl anhand ihres materiellen, kulturhistorischen oder ideellen Werts beurteilt, woraufhin die spezifischen Risiken ermittelt werden. Die Risikoanalyse offenbart die relevanten Bedrohungen für das Museum und deren Eintrittswahrscheinlichkeit, was zur Festlegung von Schutzzielen führt. Diese bilden die Grundlage für die Entwicklung und Umsetzung von Sicherheitsstrategien und Notfallplänen, die im Sicherheitskonzept dokumentiert werden. Risikomanagement ist ein dynamischer Prozess, der eine regelmäßige Überprüfung und Anpassung der Sicherheitsmaßnahmen erfordert. Dabei ist es entscheidend, nicht nur das unmittelbare Umfeld des Objekts zu betrachten, sondern auch das breitere Umfeld, einschließlich der Aufbewahrungsorte, Räume, Gebäude und deren Umgebung.

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Technische Möglichkeiten nutzen

Es gibt eine Vielzahl an technischen Sicherungsmaßnahmen, die Museen zum Schutz ihrer Exponate nutzen können. Der VdS bietet hierzu in seiner Richtlinie 3511 für Museen eine Vielzahl an Empfehlungen, welche Sicherungsmaßnahmen es für unterschiedliche Anforderungen gibt. Welche Maßnahmen sinnvoll sind, muss letztlich das Risikomanagement ermitteln. Sollten bauliche Gegebenheiten bestimmte Maßnahmen wie besondere mechanische Sicherungen an Fenstern nicht zulassen oder das nachträgliche Verkabeln von Videotechnik verhindern (Denkmalschutz), gilt es, kompensatorische Möglichkeiten auszuloten. Mechanischer Einbruchschutz in Kombination mit flächendeckender Videoüberwachung und anderer Sensorik bietet oftmals ein hohes Schutzniveau. „Es gibt Häuser, die auf eine vollflächige Videoüberwachung verzichten. Dabei bietet aber nur diese die Möglichkeit, Besucher und Exponate im Blick zu haben – oder ich muss versuchen, dies über Personaleinsatz zu gewährleisten“, so Plath. Das Personal muss aber auch ausreichend geschult sein, um verdächtiges Verhalten zu erkennen – idealerweise, bevor die Person Zugang zu den Ausstellungsräumen erhält. Und auch beim Personal sollte genau hingesehen werden, ob das Museum sich eigene Mitarbeiter leistet oder auf externe Dienstleister zurückgreift. Background-Checks empfehlen sich auf jeden Fall.

In den USA gibt es bereits Versuche, das Verhalten von Personen in Museen mittels KI zu bewerten. Dies dient zwar zunächst dem Zweck festzustellen, welche Exponate besondere Aufmerksamkeit genießen oder wo Besucher sich besonders lange vor welchem Objekt aufhalten. Diese Technik ließe sich auch auf Verhaltensanalysen anwenden, ob ein Besucher beispielsweise torkelt, auffällig nervös ist oder anderweitig auffällig ist. Dies würde es dem Personal gestatten, gezielt auf solche Personen zuzugehen. Von einem Einsatz solcher Technik ist man in Deutschland allerdings noch weit entfernt – nicht zuletzt eben, weil eine flächendeckende Videoüberwachung nicht überall möglich oder erwünscht ist.

Die virtuelle Dimension

Die Fragen rund um die Sicherung von Exponaten drehen sich – logischerweise – vornehmlich um die physische Sicherheit. Doch heutzutage darf auch der Cyberspace nicht davon getrennt gesehen werden. Besonders prominent war der erfolgreiche Cyberangriff auf das Berliner Naturkundemuseum, in dessen Verlauf Rechner verschlüsselt worden waren (Ransomware-Angriff). An die 450 Mitarbeiter und Forschende wurden dadurch von ihrer Arbeit zunächst ausgeschlossen, Rechner standen nicht mehr zur Verfügung. Zudem sind mehrere Tausend Datensätze gestohlen worden, die Täter wollten das Museum damit erpressen. Auch in den USA und Großbritannien kam es zu ähnlichen Vorfällen, teilweise verursacht durch eine Cyberattacke auf einen Softwarenanbieter für Museen. Die Befürchtungen sind, dass es Kriminellen gelingen könnte, über solche Angriffe die teilweise unschätzbaren Datensätze zu Exponaten zu verschlüsseln und damit die teils jahrelange Arbeit von Kuratoren zunichtezumachen. Solche Angriffe mehren sich in den letzten Jahren, denn Cyberkriminelle haben erkannt, dass Museen vergleichsweise „weiche“ Ziele darstellen, deren Fokus auf dem physischen Schutz ihrer Objekte liegt. Insofern gilt für Museen wie für alle anderen kultur- und Bildungseinrichtungen auch, sich verstärkt auch mit dieser Bedrohungslage auseinanderzusetzen.

Spannungsfeld zwischen Offenheit und Sicherheit

Der Spagat zwischen Zugänglichkeit der Kunstobjekte auf der einen und deren Sicherheit auf der anderen Seite lässt sich für Museen oft nicht einfach lösen. Selbst wenn baulich-technisch vieles an Sicherungstechnik möglich wäre, so sind häufig auch finanzielle Aspekte solcher Investitionen abzuwägen, denn die meisten Museen müssen sehr genau darauf achten, wofür sie ihr Geld ausgeben. Umso wichtiger ist eben ein etabliertes Risikomanagement, um Schwachstellen und Gefährdungen zu bewerten und die Maßnahmen daraufhin abzustimmen.  Hilfestellungen hierzu gibt es von vielen Seiten, der Polizei, den Versicherern oder dem Museumsbund. Sich bewusst zu machen, dass es im Prinzip jede Einrichtung unabhängig ihrer Größe mit Objekten von Wert treffen kann, ist sicherlich ein erster Schritt.  Im Rahmen der Risikoanalyse und des Sicherheitskonzepts gilt es dann, die technischen, organisatorischen und personellen Maßnahmen aufeinander abzustimmen und diese Prozesse durchzuspielen und wiederholt zu proben. Eine einhundertprozentige Sicherheit kann es zwar nicht geben, aber wie überall, wenn es um Einbruchdelikte geht, gilt es, den Tätern das Leben so schwer wie möglich zu machen, sodass diese von ihrem Vorhaben ablassen oder gefasst werden können. Bei den letzten prominenten Raubzügen gab es zwar Verhaftungen und Verurteilungen, doch nicht immer taucht die Beute wieder auf. Dem unwiderruflichen Verlust von Kulturgütern vorzubeugen, sollte jede Kultureinrichtung mit einem wirkungsvollen Maßnahmenmix entgegenwirken.

Hendrick Lehmann

  • Dresden, November 2019: Aus dem Grünen Gewölbe in Dresden stehlen Täter mehrere Kunstobjekte und 21 Schmuckstücke mit insgesamt 4.300 Diamanten und einem Versicherungswert von mindestens 113,8 Millionen Euro.
  • Berlin, März 2017: Aus dem Bode-Museum auf der Museumsinsel stehlen Einbrecher eine 100 Kilogramm schwere Goldmünze im Wert von 3,75 Millionen Euro. Die Polizei nimmt an, dass die Münze eingeschmolzen wurde.
  • Verona, November 2015: Bewaffnete rauben aus dem Museum Castelvecchio 17 Renaissance- und Barockgemälde im Wert von geschätzt etwa 15 Millionen Euro. Die Bilder etwa von Tintoretto und Peter Paul Rubens tauchen wieder auf.
  • Zürich, Februar 2008: Bewaffnete Männer rauben vier Ölgemälde im Wert von 180 Millionen Schweizer Franken aus der Sammlung Bührle, darunter Werke von Claude Monet und Vincent van Gogh. Vier Jahr später sind alle Bilder wieder da.
  • Oslo, August 2004: Bewaffnete überfallen das Munch-Museum und rauben eine Version des Gemäldes "Der Schrei" und das Werk "Madonna". Schätzwert: insgesamt 90 Millionen Euro. Beide Gemälde tauchen wieder auf.
  • Berlin, April 2002: Neun Gemälde bekannter Expressionisten im Wert von rund 3,6 Millionen Euro verschwinden aus dem Brücke-Museum. Wenige Wochen später werden die Bilder von Künstlern wie Emil Nolde oder Max Pechstein sichergestellt.
  • Frankfurt, Juli 1994: Diebe überwältigen nachts den Sicherheitsdienst der Kunsthalle Schirn und stehlen drei Bilder von William Turner und Caspar David Friedrich. Versicherungswert: 70 Millionen D-Mark. Jahre später tauchen die Bilder wieder auf.

 

 

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