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Smart, sicher, sinnvoll?

Das Schlagwort „smart“ erobert zunehmend die Sicherheitstechnik. Apps und Webservices sind gerade in Videosystemen alltäglich geworden. Hinzu kommt der Trend, immer mehr Intelligenz in die Kameras zu verlagern. Doch wie sinnvoll sind solche Ansätze in der Sicherheitstechnik? Oder geht es längst nicht mehr nur um Sicherheit? Das stand beim diesjährigen PROTECTOR-Forum Videosicherheit zur Debatte.

Teilnehmer des ersten Tages des PROTECTOR-Forums Videosicherheit 2015. Sitzend von links: Andreas Conrad, Michaela Höllering, Andreas Fieberg, Heiko Gutmann. Stehend von links: Moderator Dirk Ostermann, Jan Schwager, Lars Diestel, Torsten Anstädt, Markus
Teilnehmer des ersten Tages des PROTECTOR-Forums Videosicherheit 2015. Sitzend von links: Andreas Conrad, Michaela Höllering, Andreas Fieberg, Heiko Gutmann. Stehend von links: Moderator Dirk Ostermann, Jan Schwager, Lars Diestel, Torsten Anstädt, Markus

Als Einstieg in den Themenkomplex bot sich eine klassische Bestandsaufnahme an, zu der Moderator Dirk Ostermann fragend aufforderte: „Was bedeutet das Schlagwort Intelligenz in Bezug auf heutige Sicherheitskameras? Sind diese Kameras wirklich smart? Oder ist das Marketing der technischen Entwicklung wieder einmal meilenweit voraus?“

Die Antwort darauf fällt gar nicht so leicht, wie auch Jan Schwager von Geutebrück weiß: „Aus technologischer Sicht betrachtet ist es ganz sicher so, dass die Kameras immer leistungsfähiger werden, aber ob sie damit gleichzeitig auch intelligent sind, ist fraglich. Ich würde es nicht unbedingt Intelligenz nennen, auch wenn wir mittlerweile sogar komplexere Algorithmen auf den Kameras laufen lassen können.“

Dabei ist womöglich die Definition von Intelligenz ausschlaggebend und die Frage, ob man synonym auch den Begriff smart verwenden sollte, wie es heute meist geschieht. Albert Unterberger von IPS Videosysteme gibt zu bedenken: „Diese Definitionsfrage hätte man vor fünf bis sieben Jahren auch den Herstellern von Mobiltelefonen stellen können, und wir wissen wo wir in diesem Bereich heute stehen. Wir verfolgen in der Videotechnik einen ähnlichen Trend, auch wenn die Funktionalität in den Kameras aktuell noch nicht auf dem gleichen Level ist. Ganz allgemein ist aber festzustellen, dass die Intelligenz zunehmend in die Kamera wandert, was auch sinnvoll ist, denn eine bestimmte Form der Bildanalyse gehört absolut dorthin.“

Torsten Anstädt, Geschäftsführer, Aasset Security GmbH
Wilfried Joswig, Geschäftsführer, VfS-Verband für Sicherheitstechnik e.V.
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Andreas Fieberg, Gebietsleiter, Moog Pieper GmbH

Michaela Höllering von Allnet stimmt dem Trend zu: „Fakt ist, dass man auf der Kamera immer mehr Ressourcen bekommt, die auch gerne genutzt werden. Das sieht man daran, dass viele Hersteller schon kameraseitig rudimentäre Analysen onboard anbieten, in Form von Bewegungserkennung, virtuellen Stolperdrähten oder auch mal Personenzählung.“

Leistungsreserven nutzen

Dem allgemeinen Leistungszuwachs in den Geräten mag also niemand widersprechen, mit Schlagworten wie smart und intelligent hält man sich jedoch zurück – wohl wissend, dass der Unterschied zum aktuellen Stand der Technik im Smartphone-Bereich noch gewaltig ist. Dennoch ist – der richtige Ansatz vorausgesetzt – eine clevere und nützliche Analyse auf den Kameras durchaus zu realisieren.

Albert Unterberger skizziert folgendes Szenario: „Die Dezentralisierung von Rechenleistung und von Analysepotenzial zahlt sich zum Beispiel aus, wenn wir an Themen wie 4K denken. Hier kann es schnell vorkommen, dass ein zentraler Server, der eigentlich zur Analyse gedacht ist, ab einer gewissen Kameraanzahl schon durch das Dekodieren der Videoströme ausgelastet ist. Hier ergibt es also durchaus Sinn, diesen Vorgang auszulagern, vor allem weil man auf der Kamera die Rohdaten direkt zur Verfügung hat. Dort kann man parallel einen Analyseprozessor einsetzen, der die Kameraleistung nicht beeinflusst.“

Dabei dürfe man jedoch nicht zu viel erwarten, wie Torsten Anstädt von Aasset Security anmerkt: „Die Kamera-Analyse selbst bringt es in der Regel noch nicht auf eine vergleichbare Leistung wie eine zentrale Analyse auf einem Server. Vielmehr muss der Analyse-Algorithmus in der Kamera deutlich abgespeckt werden und ist entweder nicht so schnell oder es sind nur einfachere Analysen möglich. Aus der Vergangenheit weiß ich, dass wir die Analyse-Algorithmen in der Kamera meist um 60 bis 80 Prozent reduzieren mussten, da die CPU der Kamera zu schwach war, so dass letztendlich auf der Kamera noch 20 bis 40 Prozent der ursprünglichen Analyse-Leistungsfähigkeit verfügbar waren. Dessen muss man sich bewusst sein und abwägen, ob das ausreichend für seine Anwendung ist.“

Das sei in erster Linie eine Frage der Anwendung, wie Christian Ringler von Milestone Systems findet: „Man kann heute sehr viel auf der Kamera erledigen, wenn es sich um eine Standardanwendung handelt: Man kann lokal Bilder speichern und ereignisbezogen arbeiten, Alarme ausgeben und dergleichen mehr. Eine Kamera kann also schon eine komplette Sicherheitslösung sein. Die Sinnhaftigkeit ist aber sehr stark anwendungsabhängig. Sobald die Anwendung komplexer wird, etwa um Logistikprozesse abzudecken, braucht man immer im Hintergrund ein intelligentes Managementsystem, um die Daten zusammenzufügen und eine entsprechende Auswertung zu machen.“

Zentrale Vorteile?

Schon wird deutlich, dass die scheinbar smarten Kameras die serverbasierte Analyse und Verwaltung nicht verdrängen können, weil mit den Lösungen unterschiedliche Ansätze verfolgt werden. Das bestätigt auch Jan Schwager: „Aus der Anwendungssicht betrachtet gibt es Vor- und Nachteile sowohl bei einer zentralen Bearbeitung auf dem Server als auch auf der Kamera. Hier muss man immer abwägen, denn Stand heute gibt es ganz klare Grenzen, was man auf der Kamera leisten kann.“

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