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Brandschutz 9. Mai 2023

„Brände bedrohen schnell die Existenz“

Interview mit Hekatron zu Auswirkungen und Ursachen von Industriebränden und wirksame Schutzmaßnahmen.

Thomas Litterst, Leiter Normen und Richtlinien bei Hekatron Brandschutz.
Thomas Litterst, Leiter Normen und Richtlinien bei Hekatron Brandschutz.

Immer wieder brechen in der Industrie aufgrund von Stromausfällen Brände aus, die zu schweren Schäden führen. PROTECTOR fragte Thomas Litterst, Leiter Normen und Richtlinien und Swen Drogosch, Produktmanager Markt Brandmeldesysteme bei Hekatron Brandschutz, worauf Planer und Errichter besonders achten müssen und wie sich Unternehmen effektiv schützen können.

Mit welchen Folgen müssen Unternehmen bei Bränden in Folge von Stromausfällen rechnen?

Thomas Litterst: Insgesamt geht mit den auszuführenden Arbeiten in Industriebauten oftmals ein hohes Brandrisiko einher. Zudem werden dort häufig auch brennbare Materialien gelagert. Bricht dann tatsächlich Feuer aus, können binnen weniger Minuten schwere Personen- und Sachschäden entstehen, wenn der Brandschutz nicht optimal auf die Gegebenheiten vor Ort ausgerichtet ist. Leider vernichten Brände auf diese Weise jährlich ein volkswirtschaftliches Vermögen von mehreren Milliarden Euro. Dabei könnten die Risiken wirksam eingedämmt werden.

Warum werden Brände speziell für viele Industriebetriebe schnell existenzbedrohend?

Thomas Litterst: Laut einer Untersuchung der Industrie- und Handelskammer Trier aus dem Jahr 2016 führt jeder dritte Brand in der Industrie zu Sachschäden von mehreren hunderttausend Euro. Der Knackpunkt ist, neben den materiellen Schäden, vor allem der damit verbundene Produktionsausfall. Abgesehen von den direkten finanziellen Auswirkungen droht bei längerfristigen Produktionsstillständen auch der Verlust von Marktanteilen, Image und Vertrauen, sodass die Unternehmen nur schwer wieder auf die Beine kommen. Laut der erwähnten Untersuchung überleben rund dreiviertel der von einem Großbrand betroffenen Unternehmen diesen nicht. 43 Prozent nehmen den Betrieb überhaupt nicht mehr auf und müssen Insolvenz anmelden, weitere 28 Prozent sind innerhalb von drei Jahren nach dem Brandereignis ebenfalls vom Markt verschwunden. Guter Brandschutz spielt in der Industrie spielt also eine existentielle Rolle.

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Wie können Unternehmen die Brandfrüherkennung verbessern und ihre Resilienz erhöhen?

Thomas Litterst: Für die erfolgreiche Brandbekämpfung ist es absolut entscheidend, wie frühzeitig ein Alarm ausgelöst wird und wie schnell danach Löschmaßnahmen greifen. Das zeigt die Brandschadenstatistik der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes. Das Ausmaß der Schäden und Folgen kann durch adäquate Brandschutzmaßnahmen erheblich reduziert werden. Dazu müssen diese allerdings sorgfältig auf die unterschiedlichen Umgebungsbedingungen abgestimmt sein. In der Industrie gibt es beispielsweise hohe Produktions- und Lagerhallen. Sie stellen spezielle Anforderungen die Branddetektion – Standardlösungen kommen hier schnell an ihre Grenzen. Besonders vorteilhaft sind Brandmeldezentralen mit Löschansteuerung. Die Kombination dieser Systeme kann eine Brandausweitung eindämmen, noch bevor die Feuerwehr im Haus ist. Bleibt ein Feuer dagegen ungehindert, kann es sich bereits in sechs bis acht Minuten sehr weit ausbreiten.

Wie gelingt sicherer Brandschutz in luftverschmutzten Industriebereichen?

Thomas Litterst: Die vielfältigen Störfaktoren in industrieller Umgebung sind für die Branderkennung eine besondere Herausforderung. Betriebsbedingte Nebeneffekte, wie Staub in einem Sägewerk, Dampf in einer Wäscherei oder Gase in Stallungen, erschweren die Detektion eines Brandes um ein Vielfaches. Denn diese müssen als solche erkannt werden und dürfen keinen Alarm auslösen. Deshalb sollten hier Lösungen aus dem Bereich Sonderbrand eingesetzt werden. Sie sind resistent gegen diverse Störgrößen.

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Welche Richtlinien gibt es und worauf müssen Planer und Errichter dabei besonders achten?

Thomas Litterst: Zunächst gibt die Muster-Industriebau-Richtlinie (MIndBauRL) Orientierung und regelt die zu erfüllenden Mindestanforderungen. Sie beschreibt beispielsweise die Anforderungen an Rettungswege, die Größe der Brandabschnitte, wann zur Unterstützung der Brandbekämpfung auch eine Rauchableitung erfolgen muss. Das Muster muss in den einzelnen Bundesländern noch als Landesgesetz umgesetzt werden und beschreibt die Anforderungen eher allgemein. Konkretere Angaben findet man in den jeweiligen Normen und Richtlinien. Für die Planung und Ausführung des anlagentechnischen Brandschutzes im Industriebau sind unter anderem die folgenden Normen zu beachten:

  • Normenreihe DIN 14675 Brandmelde- und Sprachalarmierungsanlagen
  • DIN VDE 0833-1 Gefahrenmeldeanlagen für Brand, Einbruch und Überfall
  • DIN VDE 0833-2 Festlegungen für Brandmeldeanlagen
  • DIN 14677-1: Instandhaltung von elektrisch gesteuerten Feststellanlagen für Feuerschutz und Rauchschutzabschlüsse/Feststellanlagen für Feuerschutzabschlüsse im Zuge von bahngebundenen Förderanlagen – Teil 1: Instandhaltungsmaßnahmen

Allein mit der richtigen Planung und Installation der passenden Brandmeldetechnik ist es allerdings nicht getan. Aus der Praxis heraus kann ich nur dazu raten, auch die geforderten zyklischen Instandhaltungsmaßnahmen ernst zu nehmen. Nur dann ist auch der bestmögliche Schutz über die Jahre gegeben. Nachlässigkeit rächt sich hier und im Brandfall geht es für den Errichter oder Betreiber dann auch um die Haftungsfrage.

Welche Lösungen bietet Hekatron Betreibern von Industriegebäuden im anlagentechnischen Brandschutz?

Swen Drogosch: Um maximal schnell auf einen Brand reagieren zu können und die Brandausweitung einzudämmen, setzen wir in Industriebauten die Brandmeldezentrale Integral Evoxx mit Löschansteuerung ein. Sie ist in der Lage, das gesamte Brandmelde- und Löschsystem zu lenken und eignet sie sich sowohl für die Ansteuerung von Gas- als auch Wasserlöschanlagen. Die Auswahl der Sonderbrandmelder treffen wir in Abhängigkeit der individuellen Umgebungsbedingungen. Für staubige und schmutzige Bereiche und Räume bis 20 Meter Höhe beispielsweise eignet sich der linienförmige Rauchmelder Ilia. Sein Sender schickt Infrarotlicht auf die gegenüberliegende Seite des Raumes. Dort trifft der Lichtstrahl entweder auf ein Empfangsgerät, das ihn direkt auswertet, oder ein Reflektor sendet ihn wieder zurück. In diesem Fall fungiert der Sender auch als Empfänger und analysiert das zurückgesandte Signal. Er orientiert sich an zwei Faktoren: Zum einen daran, ob – im Brandfall – der Lichtstrahl durch Rauch abgeschwächt wird. Zum anderen erfasst der Melder die Veränderung der Frequenzen, das Flackern also, das bei einem Brand auftritt. Da die Geräte eine Distanz bis zu 200 Metern überbrücken, sind sie für den Einsatz selbst in sehr großen Hallen geeignet. Eine Alternative zu diesem Melder ist der Ansaugrauchmelder ASD. Dieser zeichnet sich durch hochempfindliche Rauchsensoren aus, was eine schnelle Detektion und Alarmierung bei entstehenden Bränden ermöglicht. Ansaugrauchmelder saugen über ein Rohrsystem permanent Umgebungsluft aus dem Gebäude an und analysieren diese Luft mit Rauchsensoren.

In Räumen mit extremen Temperaturen wie Gießereien oder Umgebungen mit hohen Temperaturschwankungen setzen wir den linienförmigen Wärmemelder ADW ein. Er kommt auch mit extremen Störgrößen zurecht. Sein Wirkprinzip ist einfach: Die Fühlerrohre erfassen permanent die Umgebungstemperatur. Durch eine Erhöhung der Temperatur steigt auch der Luftdruck im Fühlerrohr, welcher dann mit einstellbaren Druckschwellen ab einer vordefinierten Temperatur zur Alarmauslösung führt. Weitere Anwendungsbeispiele aus der Praxis können im kostenlosen Whitepaper „Anlagentechnischer Brandschutz in Industriebauten“ nachgelesen werden.

Andreas Albrecht

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