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„Vielleicht sogar magisch“

Chance oder Bedrohung? Oder beides? Die Digitalisierung sorgt auch in der Zutrittskontroll-Branche für Unsicherheit. PROTECTOR & WIK sprach mit Dr. Andreas Häberli, CTO von Dormakaba, über die Zukunft der digitalen Transformation und die Veränderungen, die er für die Branche im Allgemeinen und sein Unternehmen im Besonderen erwartet.

Dormakaba ermöglicht das Betreiben von Zutrittskontrolle und Zeiterfassung direkt aus „SAP SuccessFactors“.
Dormakaba ermöglicht das Betreiben von Zutrittskontrolle und Zeiterfassung direkt aus „SAP SuccessFactors“.

PROTECTOR & WIK: Herr Häberli, auf dem Dormakaba Partnerkongress 2018 in München hielten Sie eine begeisternde Rede über die Herausforderungen des digitalen Wandels und betonten unter anderem, die Veränderungen werden enorm ausfallen. Was wird auf Gesellschaft und Wirtschaft in den nächsten Jahren zukommen?

Andreas Häberli: Hier muss man zwischen der fortlaufenden Digitalisierung von Prozessen zur Effizienzsteigerung und den disruptiven Lösungen der digitalen Transformation unterscheiden. Letztere werden tatsächlich die Art und Weise wie wir arbeiten, kommunizieren, uns fortbewegen oder wie wir wohnen, stark verändern. Diese neuen Lösungen des digitalen Wandels werden uns überraschen, vielleicht sogar magisch erscheinen. Mit Hilfe von neuen Technologien werden Probleme lösbar, bei denen wir gedacht haben, dass sie gar nicht zu lösen sind oder Probleme, denen wir uns gar nicht bewusst waren. Die Musikindustrie, Massenmedien, der Werbemarkt oder der Detailhandel haben sich ja bereits stark verändert. Dies ist aber erst der Anfang. Technologien wie das Internet der Dinge, künstliche Intelligenz, Blockchain und andere sind daran, den Durchbruch zu schaffen. Wo und wie sich die Wellen, die jede einzelne dieser neuen Technologien auslöst, zu disruptiven Schockwellen kumulieren, ist schwer vorauszusagen. Jede Industrie und jeder Dienstleister müssen jedenfalls davon ausgehen, früher oder später durch einen Wandel in Frage gestellt zu werden. Es werden insbesondere mächtige B2B-Plattformen entstehen und damit neue wirtschaftliche Ökosysteme, die die Machtverhältnisse in der Wirtschaft und unsere Gesellschaft verändern werden.

Was bedeuten die zu erwartenden Umwälzungen konkret für die Sicherheitstechnik-Branche?

Durch die Vernetzung von Menschen untereinander und der Vernetzung von Dingen miteinander entstehen viele Daten. Der physikalischen Realität wird so ein immer genaueres, virtuelles Ebenbild entgegengestellt. Dieser digitale Zwilling kann nun in Wechselwirkung mit der Realität treten. Konkret heißt das zum Beispiel in der Sicherheitstechnik, dass eine Sicherheitslücke noch vor dem Eintreten eines Problems erkannt wird, um entsprechend rechtzeitig präventive Maßnahmen einzuleiten. Wir sprechen heute jedoch meist noch von Produkten und deren Eigenschaften, die isolierte Funktionen erfüllen. Demjenigen, dem es gelingt, diese Einschränkungen durch Vernetzung im Sinne von Mehrwerten für den Kunden zu durchbrechen und Daten für Mehrwerte zu nutzen, gehört die Zukunft. Es interessiert den Kunden letztlich vor allem, wie er sein Gebäude sicherer und effizienter betreiben kann und mit welchen Investitionen diese Bedürfnisse erfüllt werden.

Sie betonten außerdem, die Digitalisierung werde Geschäftsprozesse und Partnermodelle verändern. Wie werden diese in Zukunft speziell bei Dormakaba aussehen?

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Ja, der digitale Wandel findet vor allem auf Prozessebene statt. Die zwei Kernprozesse jeder Wertschöpfung sind das Kundenerlebnis und Prozesse, die die Wirtschaftlichkeit beziehungsweise die Effizienz des Kundenerlebnisses sicherstellen. Beides kann durch neue Technologien verbessert werden. Neue Prozesse, die einerseits das Kundenerlebnis verbessern und dazu auch noch die Effizienz steigern, werden sich deshalb rasch durchsetzen. Bestehende Prozesse werden also abgelöst, aber nur diejenigen Teilnehmer, die auch in diesen neuen Prozessen eine wertschöpfende Rolle spielen können, werden überleben. Wie ich am Partnerkongress 2018 im Rahmen meines Vortrages zur Digitalisierung betont habe, zählen wir bei Dormakaba auch in Zukunft auf unsere Partner und arbeiten mit ihnen im digitalen Wandel auf Augenhöhe zusammen. Dies, weil uns der gemeinsame Qualitäts- und Sicherheitsanspruch verbindet, beziehungsweise weil wir nur gemeinsam die beste Lösung für unsere gemeinsamen Kunden anbieten können.

Liegen in der Verlagerung von immer mehr Anwendungen in die Cloud mehr Chancen als Gefahren?

Die Chancen überwiegen nach meiner Ansicht klar. Ein Beispiel seitens Dormakaba ist das nahtlose Zusammenspiel von „SAP SuccessFactors“ und dem Dormakaba Angebot mittels der „dormakaba jay cloud“. Diese Kombination ermöglicht das Betreiben von Zutrittskontrolle und Zeiterfassung direkt aus „SAP SuccessFactors“ heraus. Dieser Ansatz ist wegen des cloud-basierten Ansatzes nicht bloß effizienter im Betrieb, sondern führt durch den Wegfall von redundanten Prozessen im Organisations- und Autorisierungsmanagement auch zu mehr Sicherheit. Es ist aber richtig, es bestehen Gefahren: Cloud-basierte Dienste stellen eine Herausforderung bezüglich Verfügbarkeit, Cyber-Sicherheit und Datenschutz dar. Diesen Herausforderungen muss man sich als Anbieter stellen und auch entsprechende Investitionen tätigen. Die größte Gefahr besteht jedoch darin, die Chancen, die Anwendungen in der Cloud bieten, nicht zu erkennen. Es gilt im schnellen digitalen Wandel eben das eiserne Gesetz für den Zauderer: Wenn etwas klar ist, ist es auch oft schon zu spät.

Welche Aufgaben kommen vor dem Hintergrund der Digitalisierung auf die Produktentwicklung von Dormakaba zu? Wie muss das Portfolio positioniert werden, um zu den Gewinnern der Digitalisierung zu gehören?

Als erfolgreiches industrielles Unternehmen sind wir stolz auf unsere Ingenieurskunst. Diese ausgewiesene Stärke bietet uns im digitalen Wandel die Möglichkeit, alte Lösungen zu überdenken. Dies auch vor dem Hintergrund des Mergers von Dorma und Kaba zu Dormakaba und den damit verbundenen neuen Möglichkeiten des breiten Produktportfolios. Wir werden unsere Produkte noch konsequenter als Mittel zum Zweck im Sinne eines Kundenbedürfnisses verstehen. Die konsequente Betrachtung von Problemstellungen aus Kundensicht, verbunden mit der Fähigkeit, die neuen Technologien der Digitalisierung erfolgreich anzuwenden, ist die Voraussetzung, um zu den Gewinnern der Digitalisierung zu gehören.

Werden wir in zehn Jahren von „mechanischer Sicherheit“ nur noch in der Vergangenheit reden?

Wir haben bei Dormakaba erlebt, dass sich Mechanik und Elektronik in unserer Industrie sehr gut ergänzen. Wir gehen davon aus, dass die bereits genannten neuen Technologien der digitalen Transformation ebenfalls ergänzenden Kundennutzen bringen und die Mechanik nicht ersetzt werden wird. Es entscheidet ja letztlich immer ein mechanisches Element, ob eine Türe geöffnet, verschlossen oder verriegelt ist. Die mechanische Sicherheit wird auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der physikalischen Zutrittskontrolle spielen.

Andreas Albrecht

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