Direkt zum Inhalt
Zutrittskontrolle 14. März 2024

Banken rüsten bei Geldautomaten nach

Banken in Deutschland sind immer wieder das Ziel von Geldautomatensprengungen. Viele setzen verstärkt auf zusätzliche Sicherheitskonzepte und Technologien.

Freistehende Geldautomaten sind besonders gefährdet.
Freistehende Geldautomaten sind besonders gefährdet.

Geldautomaten von Banken sind in Deutschland nach wie vor ein beliebtes Ziel von Kriminellen, vor allem gut organisierten Banden. Das Bundeslagebild des BKA verzeichnet für 2022 einen Anstieg registrierter physischer Angriffe um 14 Prozent gegenüber 2021. Für 2023 dürfte die Zahl ähnlich hoch sein, mit regionalen Unterschieden bei den Schwerpunkten solcher Taten. 2022 stellt Nordrhein-Westfalen den Brennpunkt dar, wo die Fallzahl deutlich anstieg und über dem bisherigen Höchstwert im Jahr 2020 (176 Fälle) liegt. Auf niedrigerem, aber im bundesweiten Vergleich noch relativ hohem Niveau der absoluten Zahlen haben sich die Fälle in Rheinland-Pfalz (+143,5 %) und Bayern (+117,6 %) mehr als verdoppelt. Die Anzahl von Geldautomaten in einer Region wird häufig von der lokalen Bevölkerungsdichte bestimmt, was diesen Faktor zu einem entscheidenden Indikator für die Analyse von Angriffen auf Geldautomaten macht. Besonders Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen sind hiervon stark betroffen. Westdeutsche Bundesländer, die an die Niederlande grenzen, sind im Vergleich zum Rest des Landes erheblich mehr betroffen. Ein wesentlicher Grund hierfür dürfte sein, dass zahlreiche Tatverdächtige gerade aus den Niederlanden nach Deutschland kommen, um Straftaten zu begehen. In den Niederlanden ist einerseits die Geldautomaten-Dichte deutlich geringer und zum anderen gibt es mehr gesetzlich verordnete Sicherungsmaßnahmen, die Wirkung zeigen. Ohnehin gibt es dort vergleichsweise wenige Geldautomaten, etwa 5.000 sollen es noch sein – in Deutschland sind es rund 55.000. Hierzulande kommen somit auf 100.000 Einwohner 68 Geldautomaten, in den Niederlanden dagegen sind es gerade einmal 26. Die niederländische Polizei schätzt, dass es an die 500 Täter in gut organisierten Banden sind, die die Taten überwiegend in Deutschland begehen.

Sprengungen von Geldautomaten werden rabiater

In den letzten Jahren hat sich der Trend zur Sprengung von Geldautomaten durch den Einsatz von festen Explosivstoffen verstärkt. Dabei werden vor allem Feuerwerkssätze und selbst hergestellte Sprengstoffe verwendet. Zusätzlich bleibt die Methode, Geldautomaten durch das Einleiten von Gas oder Gasgemischen und deren anschließende Entzündung zu sprengen, weit verbreitet. Die Ausführung dieser Taten variiert hauptsächlich hinsichtlich der Art und Menge des verwendeten Gases, des Einleitungsortes sowie der Zündquelle und der Art der Zündung. Die Taten werden in der Regel außerhalb von Geschäftszeiten mit Kundenbetrieb begangen – nachts, wenn auch der Verkehr eher gering sein dürfte, was eine schnellere Flucht ermöglicht. Dennoch besteht durch diese Handlungen ein hohes Risiko für die Gesundheit und das Leben Unbeteiligter. Insbesondere die durch die Explosionen verursachten und plötzlich verteilten Trümmer und Splitter stellen eine erhebliche Gefahr dar, die von den Tätern oft unterschätzt wird. Der zunehmende Einsatz von festen Explosivstoffen birgt eine besondere Bedrohung für Menschen in der Nähe von Geldautomaten, da es den Tätern häufig nicht möglich ist, die Explosionen vollständig zu kontrollieren. Zudem sind Rettungskräfte bei versuchten Sprengungen aufgrund der möglichen weiterhin bestehenden Gefahr einer Explosion stark gefährdet. Hinzu kommt oft rücksichtsloses Fluchtverhalten unter Einsatz leistungsstarker Fahrzeuge, was ebenfalls eine erhebliche Gefährdung für Dritte darstellt. Diese Fahrzeuge werden von Hintermännern mit Tatwerkzeugen zur Verfügung gestellt, teilweise werden in spezialisierten Werkstätten vor dem Tateinsatz mögliche Ortungschips der Hersteller entfernt. Auch notwendiges Einbruchwerkzeug wird öfter professionell organisiert (gestohlen), beispielsweise bei der Feuerwehr, die über Gerätschaften wie Spreitzer und anders Ausrüstung verfügt, mit der sich technische Hindernisse überwinden lassen. Zuletzt ist auch eine zunehmende Gewaltbereitschaft bei den Tätern beobachtet worden, die neben Bedrohungen und körperlichen Übergriffen auch Entführungen umfasst.

Bei der Sprengung eines in einer dicken Straßenmauer eingelassenen Automaten in Frankreich blieben nur noch Trümmer übrig.
Auslagerung von Bargeldauszahlungen als Lösung für Banken?
2022 sind so viele Bankautomaten in Deutschland das Ziel von Sprengungen gewesen, wie nie zuvor. Die Täter lassen sich auch von Sicherheitsmaßnahmen nicht abschrecken.

Keine gesetzlichen Vorgaben für Geldautomaten in Deutschland

Anzeige

Trotz hoher Fallzahlen gibt es bislang – anders etwa als in Frankreich – keine gesetzlichen Grundlagen, die die Banken verpflichten, bestimmte Maßnahmen umzusetzen (Kasten). Druck kommt eher von den Versicherungen und seitens der Strafverfolgungsbehörden. Viele Banken wägen ab, inwieweit sich passive oder aktive Sicherungsmaßnahmen für gefährdete Standorte rechnen, beispielsweise im Vergleich zu einer möglichen Schließung des Standorts. Dies ginge dann zu Lasten der betroffenen Bevölkerung, die es gerade auf dem Land immer schwerer hätte, sich unkompliziert mit Bargeld zu versorgen. Die Bundesregierung hält sich hier immer noch bedeckt und setzt auf freiwillige Maßnahmen der Kreditinstitute. Das besonders betroffen Bundesland Nordrhein-Westfalen ist hier auch eher zurückhaltend, wie eine kleine Anfrage im Landtag Anfang 2023 mit Verweis auf andere Länder wie Frankreich oder Belgien in Sachen Sicherungsmaßnahmen ergab. Eine mögliche Adaption von Maßnahmen anderer europäischer Staaten bedürfe, so die Antwort, „einer ganzheitlichen Betrachtung und sorgfältigen Prüfung. Dazu gehören auch gesetzliche Regelungen, die die Kreditinstitute zu Präventionsmaßnahmen von Geldautomatensprengungen verpflichten könnten.“  Die Gesetzgebungskompetenz hierfür liegt beim Bund. Nach den Bestimmungen des Kreditwesengesetzes (KWG) teilen sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und die Deutsche Bundesbank die Aufgaben in der Bankenaufsicht. Darüber hinaus stellt die Sicherstellung der Bargeldversorgung einen Teil des gesetzlichen Auftrags der Deutschen Bundesbank dar. Die Erfüllung dieser Aufgabe erfolgt in Zusammenarbeit mit den Kreditinstituten vor Ort, wobei die Sicherheit der Geldautomaten grundsätzlich der Eigenverantwortung der Institute obliegt. Die Innenminister der Länder sehen inzwischen allerdings die Freiwilligkeit bei der Umsetzung von Maßnahmen kritisch, da sie aktuell nicht zu den gewünschten Ergebnissen zu führen scheint.

Sicherungssysteme und Konzepte der Banken sollen Täter abhalten

Viele Banken haben inzwischen verschiedene präventive und aktive Maßnahmen ergriffen, um Täter entweder im Vorfeld abzuhalten oder zumindest die Durchführung eines Tatvorhabens zu erschweren und im Idealfall zu verhindern. Eine standortbezogene Risikoanalyse ist der erste Schritt für eine wirksame Prävention. Hierfür ist das „Bundesweit einheitliche Raster für eine Risikoanalyse zur Sprengung von Geldautomaten“ geschaffen worden, an dessen Entstehen auch die Kreditwirtschaft mitgewirkt hat. Die Landeskriminalämter unterstützen die Banken bei der Analyse und Beratung zu geeigneten Maßnahmen, die die Sicherheit erhöhen. Eine vergleichsweise simple aber durchaus effektive ist etwa die Reduzierung der Zutrittszeiten zum Foyer, in dem normalerweise der Automat steht. Dadurch sind gerade in den heiklen Zeiten während der Nacht die Außentüren verschlossen und stellen ein erstes Hindernis für Täter dar. „Wir sind uns bewusst, dass dies eine Einschränkung für die Menschen bedeutet, aber gerade deren Sicherheit hat im Falle eines Einbruchs und versuchten Sprengung des Automaten oberste Priorität“, erklärt Carsten Thören, Mitglied des Vorstands der Volksbank Mönchengladbach. Dort wo möglich sind bauliche Maßnehmen effektiv, die den Automaten selbst besser schützen und das Gebäude rundherum. Da die Täter allerdings im Zweifel einfach mehr Sprengmittel einsetzen – mit eben teilweise fatalen Folgen – sind auch Systeme gefragt, die die Täter an der Durchführung effektiv behindern, bis beispielsweise die Polizei eintrifft. Denn letztlich spielt wie bei jedem Einbruch der Faktor Zeit die entscheidende Rolle. Einige Banken wie die Volksbank setzt etwa auf Vernebelungssysteme. Ein solches System kann innerhalb von 60 Sekunden bis zu 850 Kubikmeter Nebel erzeugen. Ein Raum wie ein Foyer ist damit in Sekunden so dicht eingenebelt, dass die Sichtweite gleich Null ist. Kombinieren lässt sich das System überdies mit einem Hochgeschwindigkeits-Blitzlicht, dass mehrere grellhelle Blitze pro Sekunde erzeugt. Ziel ist es, Täter zu verwirren und Chaos zu erzeugen, sodass diese bestenfalls nicht mehr in der Lage sind, etwaige Sprengvorhaben am Automaten selbst durchzuführen. 

In einer Live-Demonstration konnten sich Vertreter der Volksbank Mönchengladbach von der Effektivität eines solchen Kombi-Systems überzeugen, das die Firma TAS installiert hat. Der Nebel löst beim unbefugten Betreten des Foyers aus und hüllt dieses in sekundenschnelle in blickdichten Nebel. Zusammen mit dem Stroboskop ist eine Orientierung im Raum selbst so gut wie unmöglich, geschweige denn, komplizierte Tätigkeiten zur Anbringung einer Sprengvorrichtung. Parallel wird der Alarm ausgelöst und die Polizei verständigt. Zusätzlich werden Sicherheitsmaßnahmen wie Rollläden, Farbpatronen und Klebetechniken eingesetzt.

Der Mix an Maßnahmen ist entscheidend

Um gegen die Kriminellen die Oberhand zu gewinnen, sind der Mix aus effektiven Maßnahmen und das Zusammenspiel der Akteure wie Banken, Polizei und Hersteller erfolgsentscheidend. „Wir sind zuversichtlich, dass die Zahlen versuchter und erfolgreicher Sprengungen in der Zukunft rückläufig sein werden, da immer mehr Kreditinstitute wie unseres, bessere und effektivere Maßnahmen flächendeckend implementieren“, so Thören. Die Hersteller entwickeln ihre Geldautomaten weiter, um sie gegen das Einleiten von Gas und Sprengangriffe im Allgemeinen besser zu schützen. Für existierende Automaten bietet etwa ein Hersteller EAM-Nachrüstkits an (Energieabsorbierende Module). Das sind spezielle, wanddicke Matten, die in den kühlschrankgroßen Tresor von Geldautomaten eingebaut werden. Andere Mittel, wie die in den Niederlanden mit Erfolg eingesetzte Verklebetechnik der Geldscheine, ist in Deutschland derzeit nicht möglich, da die Bundesbank die verklebten Scheine der einreichenden Bank nicht ersetzt – anders als bei durch Farbpatronen markierten oder durch Sprengung teilweise verkohlten Scheinen, die am Tatort zurückbleiben. Doch auch markierte Scheine halten die Täter nicht ab, da es auch für sie einen Markt gibt. Physische Maßnahmen, wie die Automaten mit einem zusätzlichen Schutzrollo dem unmittelbaren Zugriff zu entziehen, könnten eher Wirkung zeigen, weil diese wieder den Faktor Zeit bedienen. Grenzübergreifende Fahndungserfolge haben gezeigt, dass den Tätern auch auf die Spur zu kommen ist, wenn Behörden gut miteinander kommunizieren und zusammenarbeiten. Insgesamt benötigt es eben den richtigen Mix und konkrete Vorgaben, um Tätern künftig das Leben deutlich zu erschweren.

Auszug aus Dekret Nr. 2012-1119 vom 1.10.2012 bezüglich des Schutzes des Geldtransportwesens

2° Der Behälter gewährleistet den ununterbrochenen Schutz der Geldscheine mittels eines Neutralisierungsmechanismus, von einem gesicherten Bereich bis zum Lieferpunkt oder vom Sammelpunkt bis zu einem gesicherten Bereich;

 

5° Der Behälter ist mit einem Mechanismus ausgestattet, der alle Geldscheine im Falle eines Versuchs der unbefugten Öffnung sofort und endgültig neutralisiert;

 

6° Die Neutralisierung betrifft mindestens 20 % jeder Seite jedes Geldscheins, ob verpackt oder nicht; sie ist irreversibel und für die Nutzer offensichtlich erkennbar;

 

7° Die zur Neutralisierung der Geldscheine verwendeten Substanzen oder Elemente enthalten einen oder mehrere Marker, die es ermöglichen, ihre Herkunft und den Behälter, in dem sie platziert wurden, eindeutig zu charakterisieren.

 

Code de la sécurité intérieure, Sicherung der Räumlichkeiten von Personen, die Werttransportunternehmen beauftragen, und deren Zugänge (Artikel D613-60 bis D613-75)

Geldautomaten und Bankautomaten, die direkt von Werttransportunternehmen bedient werden, sind mit einem technischen Raum ausgestattet, der eine Mindestfläche von sechs Quadratmetern aufweist, abgesehen von den Standorten der Automaten und dem Zugangskorridor. Dieser Raum ist am Boden oder an den Wänden verankert, geschlossen und überdacht, aus massiven Materialien gefertigt, zugänglich durch eine gesicherte Schleuse mit Authentifizierungssystem und dessen gepanzerte Eingangstür mit einem Spion ausgestattet ist.

Passend zu diesem Artikel