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Öffentliche Sicherheit 12. November 2019

Cyber-Cops werten Informationen im Internet aus

Mehr Sicherheit im Einsatz durch gezielte Internetaufklärung in Leitstellen durch Cyber-Cops – das ist die Aufgabe des Forschungsprojekts Sentinel.

Bei dem Forschungsprojekt „Sentinel“ der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) handelt es sich um ein Pilotprojekt, das in Zusammenarbeit mit drei Leitstellen der Polizeipräsidien Osnabrück, Dortmund und München Osint-Recherchen (Open-Source-Intelligence) im Internet in die tägliche Arbeit integriert und deren Auswirkungen für die Einsatzbewältigung untersucht; zu diesem Zweck wurden „Intel-Officer“ oder „Cyber-Cops“ implementiert, die einsatzbegleitend Osint-Recherchen durchführen.

Auswertung von Informationen im Internet

Ziel ist eine differenzierte Analyse des Mehrwerts, der Schwierigkeiten und des Aufwands im Einsatz sowie der Nutzungsfrequenz von Osint. Mittels Osint versteht man die Nachrichtengewinnung durch Informationen aus frei verfügbaren, offenen Quellen im digitalen Raum, um durch Analyse der unterschiedlichen Informationen verwertbare Erkenntnisse zu gewinnen.

Die Polizeiforscher der DHPol in Münster untersuchten die folgende Arbeitshypothese: „Bei einer Vielzahl von Einsatzlagen des täglichen Dienstes, wie zum Beispiel Fahndungslagen, Gewalt im sozialen Nahraum und Straßenkriminalität können durch die Nutzung von Osint einsatzrelevante Informationen erlangt werden, die zu einem besseren Schutz der Einsatzkräfte und der Bevölkerung sowie zu einer professionelleren Aufgabenbewältigung beitragen können.“

Für die Polizei von Interesse

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Dazu sagt der Projektleiter Günther Epple: „Wir können mittlerweile feststellen, dass das Thema sowohl bei den verschiedenen Länderpolizeien als auch bei anderen Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) Interesse findet. Untersucht wurde von uns nur eine Nutzung durch polizeiliche Leitstellen. Inwiefern sich die Ergebnisse auf Sicherheitsdienstleister übertragen lassen, kann ich im Moment nicht prognostizieren. Gegebenenfalls müsste hier eine ergänzende Untersuchung mit der Zielgruppe Sicherheitsdienst erfolgen. Allerdings zeichnet sich bereits jetzt ab, dass es auch dann kein einfaches Ja oder Nein als Ergebnis zu erwarten ist. Vielmehr wird eine effektive und effiziente Osint-Recherche von verschiedenen Rahmenbedingungen abhängig sein. Auch diese werden wir in unserem Ergebnisbericht darstellen.“

Die durch Osint potenziell erzielbaren einsatzrelevanten Informationen sind besonders vor dem Hintergrund von Gewaltvorfällen gegen Gesetzeshüter relevant. In der Studie „Gewalt gegen Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte“ wurde von der Forscherin Janine Jager von der Uni Kiel die Empfehlung formuliert: „Ein Abweichen des ursprünglich bekanntgegebenen vom tatsächlichen Einsatzanlass kann verschiedene Ursachen haben, die nicht immer beeinflussbar sind. Dies sollte dennoch möglichst vermieden werden, indem die eingesetzten Beamten vorab viele und präzise Informationen über den bevorstehenden Einsatz übermittelt werden.“

Besondere Ausstattung

Zur Hard- und Software-Beschaffung gehört vor allem die Einrichtung eines geeigneten Arbeitsplatzes in der Leitstelle mit Zugang zum Einsatzleitsystem und einem leistungsfähigen Standalone-PC, der nicht an das polizeiliche Netz gekoppelt ist und mit dem Osint-Recherchen durchgeführt werden können. Je nach Voraussetzung an den Standorten wurden auch Endgeräte (Smartphones) für die Einsatzmittel angeschafft und/oder Messenger-Lösungen erarbeitet, die eine Übertragung von Bildern möglich macht.

Bei der niederländischen Polizei werden bereits seit einiger Zeit „Osint-Operator“ im Wechseldienst beschäftigt, die in Real Time Intelligence Centern (RTIC), angebunden an die Einsatzleitstellen, öffentliche Quellen (zum Beispiel Social Media) in Echtzeit einsatzunterstützend analysieren, auswerten und bewerten. Ziel ist es, Erkenntnisse im Zeitraum zwischen dem Notruf und dem Eintreffen des Streifenwagens am Einsatzort an die eingesetzten Beamten zu übermitteln. Auf diesem Weg werden potenzielle Gefahren frühzeitig erkannt und minimiert. Die Arbeit der Polizisten vor Ort wird dadurch noch professioneller.

Unterstützung für Einsatzkräfte vor Ort durch Cyber-Cops

In der Pilotphase vom 1.7. bis 31.12.2018 hatten die Intel-Officer ihre Arbeit in den Leitstellen aufgenommen. Sie erlangten durch stetige Sichtung des Einsatzgeschehens im Einsatzleitsystem Kenntnis über Sachverhalte mit möglicher Osint-Relevanz. Aber auch besondere Anforderungen per Telefon aus dem Einsatzbereich, per E-Mail oder eigene Feststellungen sind möglich. Der Intel-Officer setzt bei Tätigwerden einen Marker und trägt die ermittelten und für den Sachverhalt relevanten Erkenntnisse ins Einsatzleitsystem ein, woraufhin diese fernmündlich oder über den Messenger an die Einsatzkräfte weitergeleitet werden.

Zur Evaluation wurden im Rahmen einer Einsatzdokumentation die Osint-Einsätze strukturiert erhoben. Im Anschluss an die Einsätze fand zudem eine standardisierte, telefonische Kurzbefragung der eingesetzten Kräfte statt. Die Kurzbefragung zielte auf die Relevanz der Erkenntnisse durch Osint und der subjektiven Einschätzung hinsichtlich der Frage, ob Osint zu einer professionelleren Aufgabenbewältigung und verbesserten Eigensicherung beitragen kann.

In den zurückliegenden Monaten zählten in Osnabrück die Suche nach vermissten Personen, Suizidankündigungen und Fälle von häuslicher Gewalt zu den häufigsten Einsatzanlässen der Osint-Recherchen. Dabei konnten in gut 80 Prozent der Fälle einsatzunterstützende Hinweise ermittelt werden. In 72 Prozent der Einsätze bewerteten die Kollegen im Einsatz- und Streifendienst die erhaltenen Osint-Informationen als relevant für die Aufgabenbewältigung.

In Niedersachen wurden bereits Intel-Officer-Stellen ausgeschrieben. Neben den Fähigkeiten „Datenfilterung von Big Data“ und „Monitoren von Veranstaltungen“ wird von allen Bewerbern ein Hochschulstudium im IT- oder Kommunikationsbereich erwartet. Die Polizeidirektion Osnabrück ist mit der Koordinierung des Einrichtungs- und Betriebs- sowie des Fortbildungskonzepts der Intel-Officer in Niedersachsen beauftragt. Das Ergebnis: 13 neue „Intel-Officer“ wurden eingestellt.

Klaus Kapinos, ehemaliger Geschäftsführer des Studiengangs Sicherheitsmanagement an der Hochschule der Polizei Hamburg, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit der ASWN e.V.

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