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Luftsicherheit: Zu viele Zuständigkeiten am Flughafen

Udo Hansen, Präsident des BDLS, äußert sich zur Situation an deutschen Flughäfen in diesem Sommer und zur Perspektive der Luftsicherheit.

Sicherheitskontrollen sind ein wesentliches Element der Luftsicherheit an Flughäfen. 
Sicherheitskontrollen sind ein wesentliches Element der Luftsicherheit an Flughäfen. 

Die zersplitterten Zuständigkeiten an deutschen Flughäfen müssen laut Udo Hansen, Präsident des Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS), vereinfacht werden, um Sicherheit und Effizienz zu erhöhen.

Die Hauptreisezeit ist gerade zu Ende gegangen. Wie fällt Ihr Fazit aus? Wie hat sich die Sicherheitswirtschaft an den Flughäfen geschlagen?

Udo Hansen: Die Sicherheitsdienstleister haben sich gut geschlagen. Sie konnten bei einem Passagieraufkommen von weniger als 80% mit etwa 90% des Personalstandes, jeweils im Vergleich zur Vor-Coronazeit, die meisten Spitzen des Sommerreiseverkehrs gut bewältigen, ohne dass es zu außergewöhnlichen Wartezeiten gekommen ist. Dass es in den Sommerferien zu längeren Wartezeiten als im „Normalbetrieb“ kommt, ist völlig normal – das kennen wir ja genauso von den Autobahnen oder aus dem Bahnverkehr.

Lange Wartezeiten an deutschen Flughäfen

Die anfangs chaotischen Zustände an den deutschen Flughäfen wurden ja vor allem dem fehlenden Sicherheitspersonal angelastet …

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Udo Hansen: Dieser immer wieder aufgestellten Behauptung muss ich deutlich widersprechen. Mit dem oben genannten Personalbestand konnten wir ganz überwiegend unsere Aufgaben im Sommerreiseverkehr zufriedenstellend bewältigen. Der offenkundige Personalmangel in unterschiedlicher Ausprägung in vielen Bereichen des Flughafenbetriebes hat naturgemäß in Verkehrsspitzenzeiten zu Störungen des Betriebsablaufes geführt. Wenn der Check-in und die Gepäckaufgabe bereits stark verzögert sind und dadurch mit sehr langen Warteschlagen ablaufen, staut es sich natürlich auch an den Sicherheitskontrollen und allen dahinterliegenden Bereichen. Hinzu kamen dann noch massive „Peaks“ – mit sehr vielen Abflügen zur selben Zeit oder in sehr kurzen Zeitfenstern, in denen eine unverhältnismäßig große Passagierzahl die Kontrollen durchliefen. Diese Faktoren führen dann zu vollen Warteschlangen vor den Sicherheitskontrollen – auch bei vollbesetzen Kontrollstellen. Diese Situation wurde außerdem durch einen außergewöhnlich hohen, teilweise coronabedingten Krankenstand verschärft.

Wenn es um die personelle Planung der Luftsicherheit geht: Wie kann man die unterschiedlichen Szenarien – zunächst Zunahme des Flugverkehrs bis zur Coronakrise, dann Stillstand, jetzt Wiederanlaufen, Fliegen wird künftig aus ökologischen Gründen vielleicht verpönter werden – in Zukunft unter einen Hut bekommen?

Die Coronapandemie hat eindrücklich gezeigt, dass die gesamte Wirtschaft mit derartigen Problemen nicht gerechnet und entsprechend nicht vorgesorgt hat. Wir müssen uns daher zunächst mit den bereits bekannten Herausforderungen für den Luftverkehr befassen. Dazu gehört der stetig steigende Personal- und Fachkräftemangel, aber auch bereits lange bekannte andere Aspekte, wie die nicht optimale Abstimmung der einzelnen Vorgänge an den Flughäfen, die Vielzahl der unterschiedlichen Akteure, Entscheider und Grundlagen, auf denen die Qualifikation, Prüfung und Beschäftigung sowie der konkrete Einsatz des Personals basiert.

Auch die Sicherheitsbranche klagt über Nachwuchsmangel. Welche Maßnahmen können ergriffen werden, um diese Herausforderung zu lösen?

Udo Hansen: Die Branche ist, nicht zuletzt durch die aktuelle Tariflohnhöhe, eine sehr attraktive Branche für eine Vielzahl an Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen und Qualifikationen. Ich denke, dass wir vor allem mit der von uns angestrebten Vereinheitlichung der Qualifikations- und Zertifizierungsbasis einen Schritt in die richtige Richtung gehen würden. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die drei Grundfertigkeiten, die in allen Aufgabenfeldern von den Kontrollkräften zu beherrschen sind – nämlich die Kontrolle/Durchsuchung von Personen und mitgeführten Sachen, von Kraftfahrzeugen sowie die Interpretation von Darstellungen in bildgebenden Verfahren - als Grundbefähigung in den genannten Aufgabenfeldern derzeit nach unterschiedlichen Systemen mit unterschiedlichem Aufwand und Methoden unterrichtet und abgeprüft beziehungsweise zertifiziert werden. Neben solchen systematischen Veränderungen halte ich aber auch den verstärkten Einsatz von moderner und leistungsfähiger Kontrolltechnik für unabdingbar.

Hilft hier vielleicht ein Blick in die Nachbarländer?

Udo Hansen: Zweifelsfrei – es ist beispielsweise nicht nachvollziehbar, warum andere EU – Staaten, die auf der Grundlage derselben EU- Regelungen wie wir, die Aufgaben der Luftsicherheit ebenfalls durch private, spezialisierte Sicherheitsdienstleister erfolgreich bewältigen, dies mit einer teilweise bis zu 50% geringeren Ausbildungsdauer realisieren können.

An den Sicherheitskontrollen am Flughafen  kommt es aktuell zu langen Wartezeiten – was  laut BDLS nicht allein auf Personalmangel zurückzuführen ist. 
BDLS: Für Chaos an Flughäfen nicht verantwortlich
Udo Hansen, Präsident des Bundesverbands der Luftsicherheitsunternehmen (BDLS), äußert sich zu den chaotischen Verhältnissen an deutschen Flughäfen.

Luftsicherheit: Zu viele Akteure

Gehen wir weg von der reinen Personalfrage hin zu Struktur und Organisation der Luftsicherheit. Können Sie „kurz“ zusammenfassen, welche Behörde wofür zuständig ist?

Udo Hansen: Kurz ist hier leider das Problem – es sind nämlich deutlich zu viele. Die Hauptakteure sind das Bundesinnenministerium (BMI), die Bundespolizei BPOL), das Bundesverkehrsministerium (BMVI) und das Luftfahrt-Bundesamt (LBA) Zusätzlich gibt es dann aber noch Bereiche, in denen die Luftsicherheitsbehörden der Länder sowie deren jeweils zuständigen Landesministerien zuständig sind. Zu dieser horizontalen Zerstückelung der Zuständigkeiten kommt noch eine vertikale Aufteilung von Aufgaben auf verschiedene Ebenen der den jeweiligen Ministerien nachgeordneten operativ tätigen Behörden.

Sollte die Fluggastkontrolle wieder verstaatlicht werden? Wäre das die Lösung?

Udo Hansen: Nein, denn es gab gute Gründe für die Privatisierung. Diese Forderung nach einer Verstaatlichung wird insbesondere von verschiedenen Gewerkschaftsvertretern mit jeweils unterschiedlichen Lösungsansätzen vorgeschlagen. An einer überzeugenden Begründung, die die Problemstellung aus sicherheitsfachlicher, rechtlicher und wirtschaftlicher Perspektive analysiert und die Vorteile der angeblichen Lösungen aufzeigt, mangelt es allerdings an Vorschlägen. Völlig ignoriert wird zudem auch die Tatsache, dass in den anderen relevanten EU-Ländern niemand auf derartige Ideen gekommen ist. Im Kern ignorieren diese Gedankengänge die Gesamtproblematik einer effizient funktionierenden Luftsicherheit an einem Flughafen, die weit umfangreicher ist als eine Reduktion auf die reine Fluggastkontrolle. Die Verbesserung der Planung und Umsetzung effizienter Maßnahmen, mit dem Flughafen als einem ganzheitlich zu schützenden Objekt im Fokus, wäre deutlich zielführender als die Diskussion über Privatisierung oder Verstaatlichung.

Einheitliches System schaffen

Welche Strukturen und Verantwortlichkeiten würden Sie sich wünschen? Und wer könnte diese umsetzen?

Udo Hansen: Diese Frage muss mit dem Fokus auf das angestrebte, optimale Ergebnis gestellt werden. Wichtig ist, dass mit einer guten neuen Systematik die oben genannte Aufsplitterung der Zuständigkeiten deutlich verringert oder idealerweise aufgehoben wird und ein einheitliches, effizientes System zur Durchführung, Qualifizierung und Zertifizierung der Beschäftigten geschaffen wird. Wenn dies erfolgen würde, wäre es irrelevant, ob eine Behörde, ein Flughafenbetreiber oder ein Dienstleister bestimmte Planungsaufgaben oder ähnliches übernimmt. Des Weiteren muss sichergestellt werden, dass der konkrete Einsatz der Kontrollkräfte durch eine Stelle erfolgt, die möglichst viele der einzelnen Prozessschritte zu koordinieren und verantworten hat und in Echtzeit über die dafür erforderlichen Informationen verfügt. Ein solches System würde wiederum in Echtzeit reagieren können und Informationsverlusten vorbeugen sowie die vorhandenen Kräfte ressourcenschonend und optimal einsetzen können.

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Die Frasec Luftsicherheit GmbH sorgt ab dem 1. Februar 2022 für die Passagier- und Gepäckkontrollen am Flughafen Hamburg.

Anfang nächsten Jahres übernimmt der Betreiber des Frankfurter Flughafens Fraport die Organisation und Steuerung der Luftverkehrssicherheitskontrollen. Ein Schritt in die richtige Richtung?

Udo Hansen: Wie die Umsetzung in der Praxis verlaufen wird, bleibt abzuwarten - aber ja, ich denke es könnte ein Schritt in die richtige Richtung sein. Insbesondere ist mit dem Flughafenbetreiber der Akteur verantwortlich, der die obengenannten Anforderungen und die entsprechende Informationsverfügbarkeit erfüllt. Denn am wichtigsten ist, wie bereits erwähnt, dass Sicherheit und Effizienz der Luftsicherheit im Fokus aller Beteiligten und Abläufe stehen.

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