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So nützen Sicherheitsroboter der Industrie

Viele Industriebetriebe beschäftigen Sicherheitsdienste, um Gelände und Objekte zu schützen. Mittlerweile kann diese Aufgabe teilweise auch von Robotern übernommen werden.

Perimeterschutz ist eine der Haupteinsatzgebiete der Roboter.
Perimeterschutz ist eine der Haupteinsatzgebiete der Roboter.

Der Einsatz von Robotern in der Industrie ist keine Neuheit und bereits seit Jahrzehnten in der Praxis etabliert. Die klassischen Industrieroboter verrichten ihre Arbeit zumeist in Produktionsstätten bei der Fertigung von Gütern oder in der Lagerlogistik. Solche Systeme sind auf ganz bestimmte Tätigkeiten in einem vollautomatisierten Umfeld festgelegt, die sie immer wieder linear gleichbleibend wiederholen.

Im Gegensatz dazu ist in den letzten Jahren ein neuer Typ Roboter am Markt erschienen, der einen nachhaltigen Effekt auf Arbeitsplätze, das private und öffentliche Umfeld haben wird – der Serviceroboter. Er verrichtet seine Aufgaben nicht mehr linear, sondern ist in der Regel durch den Einsatz Künstlicher Intelligenz in der Lage, begrenzt mit dem Menschen zu interagieren. Ob im häuslichen oder gewerblichen Gebrauch, in der Pflege, der Landwirtschaft oder in der Sicherheitsindustrie, die Anwendungsmöglichkeiten erscheinen nahezu unbegrenzt.

Anders als Industrieroboter müssen Serviceroboter in einer sich ständig ändernden Umgebung agieren und zumindest in einem gewissen Umfang, selbstständig entscheiden können. Sie müssen daher lernfähig sein, und in der Lage sein, sich anzupassen und Fehler autonom zu korrigieren. Der internationale Dachverband der Robotik, die International Federation of Robotics (IFR), schätzt, dass zwischen 2019 und 2021 weltweit etwa 730.000 Serviceroboter im professionellen und rund 50 Millionen Serviceroboter im Endkonsumentenbereich zum Einsatz kommen.

Das Wachstumspotenzial in diesem Markt wird als sehr hoch eingeschätzt (siehe Kasten). Der kommerzielle Teilbereich Sicherheit in Abgrenzung zum militärischen ist ebenfalls ein beständig wachsender Markt, vor allem in den USA und Asien. In Europa und in Deutschland ist die Verbreitung halbautonom handelnder Systeme nicht so stark verbreitet, doch die technologischen Möglichkeiten und die Entwicklungen der letzten Jahre zeigen, dass die Akzeptanz sowohl in der Industrie als auch bei Behörden zunimmt.

Die Polizei in NRW erprobt derzeit Roboter und ihre Einsatzmöglichkeiten.
Die Polizei in NRW erprobt derzeit Roboter und ihre Einsatzmöglichkeiten.
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Roboter sollen unterstützen, nicht ersetzen

Spezielle Lösungen für den Sicherheitsbereich sind von verschiedenen Herstellern in der Entwicklung. Diese Systeme eignen sich gerade in der Industrie überall dort, wo klassische Sicherheitsdienste eine Vielzahl an Aufgaben haben: Perimeterbestreifung, Kontrollrunden von Objekten, Überprüfung von Alarmen und dergleichen. Der Einsatz von Robotern ist hier vergleichsweise neu. Ziel ist es, dem Menschen bestimmte, zeitintensive, repetitive und mitunter risikoreiche Aufgaben abzunehmen und ihn damit zu entlasten. Die „Ressource“ Mitarbeiter ist nicht erst seit Corona in vielen Branchen, auch in der Sicherheit, ein zunehmend knappes Gut. Mitarbeiter lassen sich durch den Einsatz von Robotern anderen Tätigkeitsfeldern zuweisen, wo sie höherwertige Aufgaben übernehmen können. Ende 2021 waren laut BDSW über 11.400 Stellen in Sicherheitsunternehmen unbesetzt. Personelle Verstärkung ist also notwendig. Dass Roboter den Menschen allerdings in seinen Aufgaben verdrängen, ist weder intendiert noch zu erwarten.

Florian Graf, BDSW-Hauptgeschäftsführer erklärt dazu: „Der Einsatz von Robotik-Lösungen findet auch in der Sicherheitsbranche bereits im rechtlich möglichen Rahmen Anwendung. Der steigende Mangel an Fachkräften wird das Interesse an innovativen Lösungen natürlich weiter verstärken. Es ist aber auch klar, dass es in unserer Branche keinen vollständigen Ersatz von Menschen durch Roboter kommen wird. Das Zusammenspiel von Mensch und Technik wird in jedem Fall das Qualifikationslevel unserer Mitarbeiter verändern. Damit wird die Branche durchaus auch attraktiver für neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“

Unermüdlicher Kollege in der Industrie

Mobile Robotersysteme gibt es mittlerweile in zahlreichen Ausprägungen: Mit Ketten, Rädern, bipedal oder vierbeinig – wie „Spot“, der hundeähnliche Roboter des US-Unternehmens Boston Dynamics. Der Hersteller bietet den agilen Roboter, der unwegsames Terrain ebenso wie Treppen problemlos beherrscht, als Basisvariante an, die dann von anderen Unternehmen genutzt werden kann, um ihn mit eigener Sensorik und Werkzeugen auszustatten. Der Roboter wiegt etwa 32,5 kg und kann weitere 14 kg an Zubehör aufnehmen. Eine Batterieladung hält bis zu 90 Minuten. Diverse Unternehmen wie Security Robotics verwenden den Spot und andere Systeme als Basis für eigene Lösungen im Sicherheitsbereich, etwa im industriellen Umfeld.

Die Stärke der einzelnen Robotersysteme liegt in der Möglichkeit, sie untereinander zu vernetzen und agieren zu lassen. Security Robotics verfolgt den Ansatz, durch die kundenspezifische Systemoffenheit einen breiteren und flexibleren Einsatz seiner Sicherheitslösungen zu ermöglichen. Verschiedene Systeme sind somit in der Lage, Informationen untereinander und mit einer Leitstelle auszutauschen, in der die Verantwortlichen alle Daten auf einen Blick erhalten und die Systeme auch steuern können. Ein Szenario ist etwa, dass ein mobiler Roboter wie der „Spot“ oder der vierrädrige „Argus“ entlang einer festgelegten Route patrouilliert. Dank seiner Sensorik, die optional eine PTZ-, Wärmebildkamera oder Lidar-Technik umfasst, erkennt er Menschen und andere Objekte. „Sieht“ der Roboter bei seiner Streife etwas Verdächtiges, löst er in der Leitstelle einen Alarm aus und veranlasst gleichzeitig eine Drohne, sich startklar zu machen, die ein Mensch steuert und überwacht. Roboter und Drohne agieren gemeinsam, um das Ziel aufzuklären. Die Vernetzung der unterschiedlichen Systeme führt zu einer schnelleren Reaktionszeit, dank KI und Deep Learning Algorithmen werden Fehlalarme immer seltener. Die Systeme lernen selbstständig immer weiter hinzu.

Die agilen Unterstützer sind auch bestens geeignet, dort hinzugehen, wo es für Menschen gefährlich sein kann, etwa, wenn Schadstoffe austreten. Auch hier wird die Sensorik den Kunden- und Einsatzwünschen entsprechend angepasst. Die Roboter treffen dabei aber keine vollständig autonomen Entscheidungen, im Sinne von eigenen Handlungen. „Die Systeme arbeiten innerhalb vorgegebener Parameter, dies aber aufgrund ihrer KI immer effizienter. Der Mensch ist immer derjenige, der entscheidet, was konkret geschieht und was der Roboter tun soll, nicht die Maschine.“, erklärt Aleksej Tokarev, Geschäftsführer von Security Robotics. Ziel ist es, die Funktionen des Roboters zu optimieren, aber nicht zuletzt innerhalb vom Gesetzgeber festgelegter Rahmenbedingungen.

Unterschiedliche Robotertypen bieten unterschiedliche Vorteile bei der Fortbewegung.
Unterschiedliche Robotertypen bieten unterschiedliche Vorteile bei der Fortbewegung.
Bei einer Veranstaltung der NBS wurde die Unterstützung von BOS durch Drohnen und Roboter diskutiert – Drohnen können auch bei der Wasserrettung eingesetzt werden. 
NBS-Veranstaltung: Drohnen und Roboter bei BOS
Das Thema „Drohnen und Roboter bei BOS“ stand bei der jüngsten Veranstaltung der Hamburger NBS Northern Business School im Fokus.

Nutzen von Robotern sollte immer als Ergänzung gesehen werden

Um Roboter im industriellen Umfeld als Unterstützung einzusetzen, muss derzeit noch einiges an Erklärungsarbeit geleistet werden. Das Interesse ist durchaus vorhanden, es müssen aber immer individuell abgestimmte Lösungen gefunden und der Nutzen von solchen Robotern als Ergänzung gesehen werden. Robot-as-a-Service ist deswegen ein weiteres Konzept, mit dem die Akzeptanz gesteigert werden soll. Der Roboter wird samt Software quasi gemietet, inklusive Wartung. Das hat den Vorteil, dass sich ändernde Anforderungen an das System seitens des Kunden sich schnell und zielgenau umsetzen lassen, beispielsweise der Austausch der Sensorik. Die Frage der Akzeptanz betrifft auch die Einsatzmöglichkeiten, etwa im öffentlichen Raum. Die Polizei in NRW hat einen „Spot“ erworben, zu Testzwecken, um herauszufinden, wie er die Polizei unterstützen kann. Zum Einsatz kam er dann bei einem Gebäudebrand, um im Nachgang die Brandruine zu untersuchen – für Menschen war das Betreten zunächst zu gefährlich.

Die Diskussion, inwieweit Roboter nützlich sind, menschliche Kollegen in ihrer Tätigkeit wie in der Sicherheitsbranche zu unterstützen, nimmt gerade erst Fahrt auf. In der Industrie, wo stationäre Systeme seit Jahren unermüdlich ihre Arbeit verrichten, sind sie nicht mehr wegzudenken. Insofern handelt es sich um eine kleine Revolution der Technik, denn nun steht die Interaktion mit dem Menschen immer stärker im Vordergrund – was durchaus auch auf Skepsis stoßen kann. Nicht nur in Bezug auf Arbeitsplätze, sondern auch in der Frage, was solchen Systemen erlaubt sein wird. In den USA hat die Polizei einen „Spot“ in der Öffentlichkeit zu Testzwecken eingesetzt, die Reaktion hierauf war gespalten. Auch die Frage, ob Roboter Entscheidungen treffen dürfen und können, die den Menschen potenziell gefährden, wird in anderen Ländern bereits geführt.

Hierzulande ist man von solchen Szenarien noch weit entfernt. „Ähnlich wie bei Computern oder Entwicklung des Internets sehen wir einen Entstehungsprozess einer neuartigen Technologie, die umsichtig begleitet werden muss, damit die Menschen den Nutzen sehen“, so Tokarev. Dies erfordert auch Transparenz, was die Technologien, allen voran die Software, angeht. Entscheidungen der KI müssen zumindest für Experten nachvollziehbar und erklärbar sein, damit es nicht zu einem Black-Box-Problem kommt: Erscheint der Prozess der Entscheidungsfindung eines Serviceroboters intransparent, könnten Menschen den Roboter als eine Black Box, ein dunkles, nicht nachvollziehbares System wahrnehmen.

Hendrick Lehmann, freier Mitarbeiter PROTECTOR

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