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Produkte 18. April 2023

Wie resilient ist die Bargeldversorgung im Krisenfall?

Nach drei Jahren geht das Projekt „Basic“ zu Ende, in dem die Resilienz der Bargeldversorgung, besonders in Not- und Krisenfällen, untersucht  und ein Sicherheitskonzept entwickelt wurde.

Wie lange kann man im Krisenfall noch Bargeld abheben? Das Projekt Basic untersuchte die Resilienz der Bargeldversorgung.
Wie lange kann man im Krisenfall noch Bargeld abheben? Das Projekt Basic untersuchte die Resilienz der Bargeldversorgung.

Drei Jahre lang wurde der Bargeldkreislauf von Wissenschaftlern und den wichtigsten Akteuren in der Bargeldlogistik auf seine Resilienz hin untersucht. Denn Bargeld erfüllt im Krisenfall eine wichtige Funktion. Bei einer Naturkatastrophe oder einer vom Menschen verursachten Krise, einem Stromausfall oder auch einem Ausfall des IT- und Kommunikationsnetzes funktionieren elektronische Zahlungssysteme in der Regel nicht mehr. Jeder wirtschaftliche Tausch muss in diesen Fällen mithilfe von Bargeld erfolgen. Die Möglichkeit, auch in Not- und Krisenfällen weiter wirtschaften zu können, ist wichtig, damit der Handel einen Anreiz hat, nicht nur seine Türen zu öffnen, um den Warenbestand abzuverkaufen, sondern auch die Regale mit neu bestellten und gelieferten Produkten wieder aufzufüllen. Damit erbringt der Handel einerseits eine notwendige Leistung für die Gesellschaft, indem die Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs in der Krise aufrechterhalten bleibt. Auf der anderen Seite werden Rettungsorganisationen dadurch entlastet.

Glücklicherweise hat Deutschland bisher nur wenig Erfahrung mit Krisen dieses Ausmaßes. Doch die jüngsten Entwicklungen, wie der russische Krieg in der Ukraine und Unsicherheiten bei der Energieversorgung, haben solche Szenarien wahrscheinlicher werden lassen. Hierauf gilt es, rechtzeitig vorbereitet zu sein.

Daher hat ein Verbund aus der Wissenschaft und den wichtigsten Akteuren im Bargeldkreislauf beziehungsweise der Bargeldlogistik, koordiniert durch das Brandenburgische Institut für Gesellschaft und Sicherheit (BIGS), drei Jahre lang den Bargeldkreislauf auf seine Resilienz hin untersucht und über die Zeit Empfehlungen herausgearbeitet, wie dieser widerstandsfähiger gestaltet werden kann. Das Projekt Basic („Resilienz der Bargeldversorgung – Sicherheitskonzepte für Not- und Krisenfälle“) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Sicherheitsforschungsprogramms gefördert.

Sicherheitskonzept für eine resiliente Bargeldversorgung

Grundlage für die Erstellung des Konzepts sind die aus nationalen und internationalen Fallanalysen, aus verschiedenen Befragungen und Experteninterviews sowie aus der Betrachtung der Rolle des Bargelds unter sozioökonomischen Gesichtspunkten gezogenen Erkenntnisse. Die Ergebnisse wurden nun in Form eines Sicherheitskonzepts veröffentlicht.

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Ziel des Konzepts ist es, insbesondere die Geld- und Wertdienstleister – als zentrale Akteure des Bargeldkreislaufs mit Schnittstellen zu allen anderen Akteuren – sowie auch alle anderen Akteure des Bargeldkreislaufs in die Lage zu versetzen, gegebenenfalls ihre bestehenden Konzepte zur Notfall- und Krisenvorsorge gemeinsam mit den anderen Marktteilnehmern weiterzuentwickeln, um ihre Arbeitsprozesse entsprechend abzusichern. Hierzu gibt das Konzept allgemeine Empfehlungen zur Notfall- und Krisenvorsorge an die Akteure des Bargeldkreislaufs. Weiterhin werden präventive und praktische Maßnahmen angesichts von Not- und Krisenfällen skizziert, die Lessons Learned und Best Practices aus Sicht der Geld- und Wertdienstleister darstellen. Im Fokus steht hier unter anderem die Stromversorgung, IT- und Kommunikationssysteme, Personal, aber auch die Priorisierung bei der Bedienung von Kunden. Ganz wichtig ist aber auch die gegenseitige Erwartungshaltung im Not- und Krisenfall.

Schnittstellen besser absichern 

Denn die Akteure des Bargeldkreislaufs verfügen über eigene Notfall- und Krisenkonzepte, welche in den meisten Fällen auch inhaltlich umfassend aufgestellt sind. Defizite hingegen bestehen bei der gegenseitigen Berücksichtigung der anderen Akteure in diesen Konzepten beziehungsweise der Kenntnis darüber, wie sich andere Akteure im Not- und Krisenfall verhalten werden. Im Not- und Krisenfall sind daher Probleme bei der Kooperation der Akteure erwartbar, mit möglichen negativen Auswirkungen auf die Aufrechterhaltung der Bargeldversorgung. Das Verständnis der Bargeldakteure für die Anforderungen der jeweils anderen ist also von zentraler Bedeutung für die erfolgreiche Notfall- und Krisenbewältigung. Daher hat das Sicherheitskonzept diese Schnittstellen in den Fokus gerückt. Unter anderem wurde eine Prüfmatrix für die Notfall- und Krisenkonzepte der Akteure des Bargeldkreislaufs entwickelt, die die Schnittstellen in den Mittelpunkt stellt.

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Die optimale Verteilung von Bargeldbezugspunkten im Krisenfall

Im Not- und Krisenfällen können häufig nicht mehr alle Bargeldbezugspunkte (Geldautomaten und Filialen der Kreditinstitute) wie gewohnt betrieben werden, da es beispielsweise an notwendigen Ressourcen fehlt (zum Beispiel Personal bei Geld- und Wertdienstleistern) oder Bargeldbezugspunkte ausfallen. Das Konzept verweist daher auf einen von der Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen IIS entwickelten Optimierungsalgorithmus. Dieser gibt eine individuell an die Situation anpassbare Empfehlung, welche Bargeldbezugspunkte im Krisenfall mit hoher Priorität in Betrieb gehalten werden sollten. Mittels mathematischer Optimierung kann somit durch eine faire Abdeckung an Bargeldbezugspunkten und einen optimalen Ressourceneinsatz ein Beitrag dazu geleistet werden, im Krisenfall die Bargeldversorgung bis zum Verbraucher aufrechtzuerhalten. Der Algorithmus kann operativ zur Entscheidungsunterstützung während einer Krise, aber auch taktisch zur Krisenvorbereitung eingesetzt werden.

Verbesserung des Informationsaustauschs und der Kommunikation

Kommunikation ist ein elementarer Teil von Krisenmanagement. Denn jede Krise ist auch eine Kommunikationsherausforderung. Im Not- und Krisenfall besteht bei den professionellen Bargeldakteuren ein erhöhter Kommunikations- und Informationsbedarf. Eine klare, koordinierte Kommunikation kann maßgeblich dazu beitragen, dass eine Eskalation vermieden werden kann.

Daher verweist das Konzept auf das Projekt „Care“ (Cash Resilience) der Deutschen Bundesbank, deren gesetzlicher Sorgeauftrag auch die Bargeldversorgung im Not- und Krisenfall umfasst. Mit Care wird eine Anwendung für Not- und Krisenfälle entwickelt, die in ihrer Endausbaustufe entscheidungsrelevante Daten aller professionellen Bargeldakteure enthält, wie zum Beispiel ein elektronisches Bestandsverzeichnis der Bargeldinfrastruktur sowie ein Lagebild für den Not- und Krisenfall. Während Basic wurde hierfür der Grundstein gelegt, nun folgt die Weiterentwicklung im Rahmen eines IT-Projektes der Deutschen Bundesbank.

Das Projekt Basic kam nach knapp über drei Jahren Laufzeit im März 2023 zum Abschluss. Im nächsten Schritt müssen die Erkenntnisse und Empfehlungen des Sicherheitskonzepts umgesetzt werden. Hier sind natürlich in einem ersten Schritt insbesondere die Akteure des Bargeldkreislaufs, aber auch die Politik gefragt. Darüber hinaus haben sich auch weitergehende beziehungsweise offene Forschungsfragen ergeben, die es sich lohnt, in der Zukunft näher zu betrachten.

Esther Kern, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Brandenburgischen Institut für Gesellschaft und Sicherheit (BIGS)

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