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Die Quadratur des Kraiss 10. November 2015

And they fake it

Wikipedia erklärt den Begriff Fake (englisch für Fälschung) als ein Imitat, einen Schwindel oder eine Vortäuschung falscher Tatsachen. Fake ist auch ein Begriff für den damit verbundenen Betrug. Wie dem auch sei, VW erklärt jedenfalls auf seiner Konzern-Website zur Compliance: „Grundlage für nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg ist rechtmäßiges Handeln.
Volker Kraiss.
Volker Kraiss.

Die Verhaltensgrundsätze des VW-Konzerns beinhalten wesentliche Grundprinzipien, schaffen Orientierung und fördern somit richtiges Verhalten aller Mitarbeiter im Geschäftsalltag.“ Sind also die Schuldigen im VW-Skandal höchstdotierte Faker? Wie elend muss sich der Compliance Officer des Konzerns fühlen? Hat er bereits voller Enttäuschung still und leise seinen Hut genommen? Wurde die Compliance nicht bei den Mitarbeitern, sondern im Top-Management bewusst ausgehebelt? Es gibt Anzeichen dafür.

Fake auf ganzer Linie

Realistisch betrachtet wurden nicht nur Kunden, Umwelt und die Legislativen vieler Staaten belogen und betrogen. Ganz besonders traf es alle pflichtbewussten Mitarbeiter, Dienstleister und Zulieferer. „Wir sind der Überzeugung, dass nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg nur sichergestellt werden kann, wenn Regeln und Normen befolgt werden. Wir stehen für ein achtbares, ehrliches und regelkonformes Verhalten im Geschäftsalltag.“ Wer so etwas auf seiner Website schreibt und gerade entgegengesetzt handelt, muss schon ziemlich abgebrüht sein. Gut, wir sind es von den Banken gewohnt: dort wo das schnelle Geld lockt, liegt Gut und Böse nah beieinander. Wenn allerdings eine internationale Finanzkrise ausgelöst wird, wenn der Steuerzahler die Zeche zahlen muss oder wenn ein Konzern mit 600.000 Mitarbeitern ins Wanken geraten könnte, hört der Spaß auf und die für den Fake Verantwortlichen sollten konsequent zur Rechenschaft gezogen werden.

Im Fall der Banken hat das in Amerika relativ gut funktioniert. Bei uns beschränkte man sich auf das Reden und Retten, nicht auf das Bestrafen und Abschrecken. In Amerika wetzen auch jetzt Behörden, Staatsanwälte und Rechtsanwälte die Messer. Es dürfte für VW sehr teuer werden. Doch egal, Strafen zahlt man aus der Portokasse, Kurseinbrüche zahlt der Aktionär, und wenn es wirklich klemmen sollte, können konsequentes Kostenmanagement und wegrationalisierte Arbeitsplätze den Karren aus dem Dreck ziehen. Schuldige sind schwer zu finden oder machen sich gut saniert aus dem Staub, und der neue Vorstandschef erhält sogar einen deftigen Schmerzensgeldzuschlag. Also, es geht doch!

Der Origami-Effekt

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Die japanische Origami-Kunst hat die faszinierende Falttechnik der Natur perfektioniert. Wissenschaft und Hochtechnologie nutzen diese Technologie, mit der Objekte kleingefaltet und dann an ihren Bestimmungsort gebracht werden, um sich dort effektiv zu entfalten. Gefäßstützen in der Herzchirurgie, Sonnensegel oder Weltraumteleskope sind damit erst möglich geworden.

Nun, im Fall von VW ist es eine kleine kompakte Software, die sich im richtigen Moment wirkungsvoll entfaltet, dann allerdings ausschließlich kriminellen Zwecken dient. Aufgeschreckt vom VW-Betrug schaut man in die Runde und fragt sorgenvoll, wann und wo entfaltet sich der nächste Betrug zu einem medienwirksamen Skandal? Etwas Geduld, er wird kommen.

Risiko contra Nutzen

Hand aufs Herz, der Täter ist nicht immer der Gärtner beziehungsweise der Ingenieur. Betrügereien dieser Größenordnung werden strategisch entschieden. Bedrohungen durch Image-Schäden oder Rechtsverletzungen gehören zwar zum Standardrepertoire von Risikoanalysen, doch der VW-Fall zeigt wieder einmal, dass die Gier nach mehr Profit oder Marktanteilen alle Risiken vergessen lässt oder aber der mögliche Schaden zu vertreten ist.

Machen wir uns nichts vor: In vielen Unternehmen sind Regelverletzungen an der Tagesordnung. Sie bleiben meist unentdeckt, erfüllen ihren Zweck und werden gerade deshalb immer wieder mit Erfolg praktiziert. Wenn sie ausnahmsweise doch mal entdeckt werden, entschuldigt man sich reuevoll, Besserung wird gelobt, Bauern werden geopfert, eventuell wird auch ein neuer Compliance Manager eingesetzt und anschließend stellt man befriedigt fest: das Krisenmanagement hat hervorragend funktioniert.

Schlagworte wie Compliance, Qualität, Sicherheit oder Vertrauen verkaufen sich gut. Das, was allerdings bei VW passiert ist, führt uns einprägsam vor Augen, wie weit Theorie und Praxis auseinander liegen. Mir würde es gefallen, wenn Compliance nicht so sehr nach unten zu den Mitarbeitern, sondern mit Hilfe der Origami-Kunst klein gefaltet und hochkomprimiert nach oben ins Management getragen wird und sich dort mit nachhaltiger Kraft entfaltet.

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