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Produkte 22. März 2024

Eine Kunst für sich – Sicherheitspersonal in Museen

Kosten und Qualität beim Sicherheitspersonal in Museen in Einklang zu bringen ist eine Kunst für sich – angefangen bei den Ausschreibungen, die aber nicht allein entscheidend sind.

In Museen gilt es, wertvolle Kulturgüter zu schützen. Aufsichtskräfte sind wichtig: in puncto Sicherheit, aber zugleich für den Besucherservice – ein personeller Balanceakt.
In Museen gilt es, wertvolle Kulturgüter zu schützen. Aufsichtskräfte sind wichtig: in puncto Sicherheit, aber zugleich für den Besucherservice – ein personeller Balanceakt.

Spektakuläre Einbrüche haben das Thema Sicherheit-  und Sicherheitspersonal bei Museumsbetreibern wieder verstärkt auf die Tagesordnung gerückt: der Raub der 100 kg schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode Museum 2017, von Schmuckstücken, Edelsteinen und Kulturgütern aus dem Historischen Grünen Gewölbe in Dresden 2019, der Goldschatz-Diebstahl aus dem Kelten Römer Museum in Manching 2022 sowie die Entwendung antiker Objekte aus dem Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim 2023. Stephan Leukert, bei der Beratungs- und Planungsgesellschaft VZM für personelle Sicherheitsdienstleistungen verantwortlich, hat Teile der Kulturbetriebe zuvor in einer Art Dornröschenschlaf wahrgenommen: „Das Thema Sicherheit darf nie nur nebenbei laufen, was leider mitunter noch immer der Fall ist, und die Sicherheitsabteilungen sollten der Größe des jeweiligen Museums entsprechen“, mahnt der Experte an und ergänzt: „Gerade das Thema personelle Sicherheit wird häufig vernachlässigt.“

Museen fokussieren sich meiner Erfahrung nach sehr auf die technische Absicherung. Sicherheitskonzepte sind jedoch im Idealfall homogen, das heißt, alle Säulen der Sicherheit – die bauliche, technische, organisatorische und personelle – sollten gleich gut ausgestaltet sein.“

„Es ist Aufgabe der Museen, die Qualität der Leistung gemeinsam mit dem Dienstleister zu sichern beziehungsweise weiterzuentwickeln“, erläutert Remigiusz Plath, Sprecher Sicherheit des Arbeitskreises Gebäudemanagement + Sicherheit des Museumsbundes.
„Es ist Aufgabe der Museen, die Qualität der Leistung gemeinsam mit dem Dienstleister zu sichern beziehungsweise weiterzuentwickeln“, erläutert Remigiusz Plath, Sprecher Sicherheit des Arbeitskreises Gebäudemanagement + Sicherheit des Museumsbundes.

Die Hürden des Vergaberechts

Wie aber ist eine qualitativ und kostenseitig gute personelle Sicherheit zu erreichen? Die für diesen Beitrag befragten Experten sind sich einig, dass der „Faktor Mensch“ wieder wesentlich stärker zu berücksichtigen ist. Doch der Reihe nach. Zunächst ist zwischen in- und externen Mitarbeitenden sowie öffentlichen und privaten Museen zu unterscheiden. Öffentliche Einrichtungen sind bekanntlich bei Ausschreibungen an das enge Korsett des Vergaberechts gebunden, während private wesentlich freier agieren können. „Das Vergaberecht sagt, dass der Zuschlag dem wirtschaftlichsten Angebot zu erteilen ist. Wirtschaftlich bedeutet: das beste Verhältnis aus Preis und Leistung“, verdeutlicht Stephan Leukert, während in der Praxis doch oft ausschließlich der Preis den Ausschlag gebe. Ein Grund: „Die Haushaltsbehörden haben Sorge vor Rügen oder Nachprüfungsanträgen bei den Vergabekammern.“ Doch es lassen sich vergaberechtskonform auch leistungsbezogene und konzeptionelle Kriterien in die Auswahl externer Sicherheitsdienstleister einbeziehen und, was er empfiehlt, die DIN 77200 als Grundlage der Leistungserbringung vorschreiben. „Entscheidend ist, dass eine einheitliche, transparente und nachvollziehbare Bewertungsmatrix zugrunde liegt und auf alle Angebote die gleiche Anwendung findet“, betont der VZM-Consultant. Um noch weniger anfechtbar zu sein, empfiehlt er, die Entscheidungsfindung auf mehrere Köpfe zu verteilen: „Zum Beispiel, indem die Fachabteilung des Museums, der Einkauf und ein externer Berater jeweils Bewertungen anhand festgelegter und veröffentlichter Kriterien abgeben, die zum Ergebnis zusammengeführt werden. So wird das Risiko vermindert, dass die naturgemäß subjektiven Bewertungen von Konzepten von einem unterlegenen Bieter erfolgreich angegriffen werden können.“

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„Adäquate Bezahlung und Sozialleistungen gehören beim eigenen Personal ebenso dazu wie faire Schichtpläne“, ist sich Ralph W. Krüger, Leiter der Abteilung Sicherheit bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, sicher.
„Adäquate Bezahlung und Sozialleistungen gehören beim eigenen Personal ebenso dazu wie faire Schichtpläne“, ist sich Ralph W. Krüger, Leiter der Abteilung Sicherheit bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, sicher.

Die letzte Ausschreibung bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden hat ähnlich stattgefunden – und das problemlos, berichtet Ralph W. Krüger, Leiter der Abteilung Sicherheit: „Wir haben die Ausschreibung erstmalig nach der Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit –VSVgV durchgeführt und sowohl einen unabhängigen, international anerkannten Sicherheitsplaner als auch einen Fachanwalt für Vergaberecht einbezogen. Diese haben nach einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb auf Basis einer komplexen Matrix drei Bewerber-Favoriten herausgearbeitet. Vor unserer hausintern gebildeten Kommission, zu der unter anderem der kaufmännische Direktor, der Personalrat und ich gehörten, konnten uns die drei Top-Bewerber dann während eines Anhörungsverfahrens ihre Konzepte nochmals detailliert vorstellen.“ In der Leistungsbeschreibung waren dezidierte Vorgaben gemacht und Fragen gestellt worden, nicht nur zur Durchführung der Dienstleistung, sondern auch zu qualitativen und sozialen Aspekten. Der Preis floss dabei nur zu 40 % in die Bewertung ein.

Im Museum sind zahlreiche Exponate aus dem Kalten Krieg zu bewundern.
Digitale Schließzylinder für Museum
Das Cold War Museum in Berlin ist mit digitalen Schließzylindern und anderen Komponenten ausgestattet worden. 

Regelmäßiges Vertragscontrolling

Die qualitativen und sozialen Aspekte sind auch Remigiusz Plath wichtig, Sprecher Sicherheit des Arbeitskreises Gebäudemanagement + Sicherheit des Museumsbundes, der zugleich für die Sicherheit von zwei Museen verantwortlich ist: „Wir fragen ab, wieviel Erfahrung die Dienstleister im Kulturbereich haben, in welchen Museen sie zuvor tätig waren, wie viele Jahre Berufserfahrung die eingesetzten Mitarbeiter haben. Die Mindestqualifikationen auf den verschiedenen Positionen geben wir vor. Sehr intensiv schauen wir uns die Führungsteams an: Wie kümmern sie sich um ihre Leute? Wie erreichbar sind sie?“ Remigiusz Plath empfiehlt zudem, die Sicherheitsdienstleistungen regelmäßig neu auszuschreiben. „Das hilft, die Qualität hoch zu halten.“ Stephan Leukert, VZM, kann das nur bestätigen: „Wichtig ist darüber hinaus das Vertragscontrolling. Man sollte aktiv überwachen, wie die Dienstleistung erbracht wird, insbesondere wenn der Vertrag schon etwas länger läuft, denn dann schleichen sich schneller Nachlässigkeiten ein.“

„Es wird wieder verstärkt in eigene Teams investiert“, bemerkt Stephan Leukert, der hybride Modelle für eine gute Lösung hält.
„Es wird wieder verstärkt in eigene Teams investiert“, bemerkt Stephan Leukert, der hybride Modelle für eine gute Lösung hält.

Weiterqualifizierung von Sicherheitspersonal ist wichtig

Es sei ein Trugschluss zu denken, mit der Vergabe an externe Dienstleister sei der Aufwand externalisiert, betont denn auch Remigiusz Plath: „Es ist Aufgabe der Museen, die Qualität der Leistung gemeinsam mit dem Dienstleister zu sichern beziehungsweise weiterzuentwickeln. Wir sprechen mit der Führungsebene unseres Dienstleisters jede Woche und gehen dann auch die Fortbildungspläne durch.“ Das sog. Echocast-Programm spielt dabei beispielsweise eine wichtige Rolle. Weiterqualifizierung hält auch Dr. Berthold Schmitt für elementar wichtig – und das über reine Sicherheitsthemen hinaus. Der Kunsthistoriker und Inhaber der Beratungsagentur Schmitt Art bietet u.a. die Schulung „QEM – Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal“ an und bereitet Service- und Aufsichtskräfte auf ihren Einsatz vor. „Die Aufsichtskräfte sind die Visitenkarte eines Museums. Damit sie souverän auftreten können, benötigen sie Kenntnis davon, was von ihnen erwartet wird, was sie dürfen, was die Hausordnung und das Leitbild – so hoffentlich vorhanden – beinhalten, und man sollte ihnen Sprachregelungen zu gängigen Besucherfragen an die Hand geben. Leider werden sie da zu oft allein gelassen.“

„Die Aufsichtskräfte sind die Visitenkarte eines Museums. Damit sie sowohl in puncto Sicherheit als auch Besucherservice souverän auftreten können, benötigen sie intensive Schulung“, sagt Dr. Berthold Schmitt, Inhaber der Beratungsagentur Schmitt Art.
„Die Aufsichtskräfte sind die Visitenkarte eines Museums. Damit sie sowohl in puncto Sicherheit als auch Besucherservice souverän auftreten können, benötigen sie intensive Schulung“, sagt Dr. Berthold Schmitt, Inhaber der Beratungsagentur Schmitt Art.

Hybride Teams – eine gute Lösung

Es wird deutlich: Der Aufwand ist auch bei extern beschäftigtem Personal hoch. Ausschreibung und Steuerung der Dienstleistung kosten Zeit und Geld. „Es wird wieder verstärkt in eigene Teams investiert“, bemerkt Stephan Leukert, der hybride Modelle für eine gute Lösung hält. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben die Leitzentrale im Residenzschloss seit Februar wieder mit eigenem Personal – konkret sind es 23 Stellen – besetzt. „Wir wollen die Schaltstellen, die im System der Sicherheit besonders wichtig sind, wieder an uns ziehen“, nennt Ralph W. Krüger eine Konsequenz aus dem Diebstahls-Ereignis im Grünen Gewölbe. Er selbst kam im Juli 2023 an Bord, um die Sicherheitsarchitektur neu aufzusetzen und bringt dabei hochkarätige Expertise aus der Außensicht ein: Ralph W. Krüger war zuvor Vizepräsident der Bundespolizei Berlin.

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