Direkt zum Inhalt

Smart und sicher zugleich?

Videoüberwachung bedeutet im IP-Zeitalter ein komplexes Zusammenspiel von Komponenten. Diese müssen clever aufeinander abgestimmt werden, damit sie ein Mehr an Sicherheit und Komfort bieten können. Basis für eine effektive Überwachung ist eine IT-Infrastruktur, die mit stetig steigenden Auflösungen, Bandbreiten und Speichermengen zurechtkommen muss. Über die verschiedenen Ansätze zur Videospeicherung sowie deren Vor- und Nachteile diskutierten die Experten im PROTECTOR Forum Videoüberwachung 2010.

Die Teilnehmer des ersten Forumstages: R. Keiser, O. Koch, H.-J. Wilke, A. Hauschke, J. Hagenlocher, H. Zander, O. Nachtigal, J. Kraus, P. Reithmeier, A. Franusic, H. Mehl und L. Bergschneider (v.l.).
Die Teilnehmer des ersten Forumstages: R. Keiser, O. Koch, H.-J. Wilke, A. Hauschke, J. Hagenlocher, H. Zander, O. Nachtigal, J. Kraus, P. Reithmeier, A. Franusic, H. Mehl und L. Bergschneider (v.l.).

Es gleicht oft einer Quadratur des Kreises: Anwender möchten überwa- chen, am liebsten alles und rund um die Uhr. Sämtliche Daten sollen hochverfügbar, geschützt gespei- chert und jederzeit problemlos auffindbar sein. Und – hier kommt der Haken – es soll bitteschön recht preiswert bleiben. Anforde- rungen, die freilich kaum miteinander zu vereinbaren sind, aber dennoch oft in den Köpfen herumgeistern – auch weil das nötige Verständnis für die Funktionsweise und die Beschränkungen von digitalen Videospeichern fehlt. Aber ist es ein Wunder, dass der Laie bei der kryptischen Frage „NAS und SAN oder doch NVR und DVR?“ oft nur ein Schulterzucken übrig hat?

Nasser Sand?

So eröffnete Moderator Heinz-Joachim Wilke die Diskussion gleich mit der provokanten These: „Vielleicht verstehen die Anwender oft nur NASser SANd und wissen gar nicht, was das mit Video zu tun haben soll?“ Auch wenn es wohl nicht ganz so schlimm um den Kunden bestellt ist, liegt dem eine gewisse Wahrheit zugrunde. Nämlich, dass Anwender mit der Entwicklung der Technik oft kaum Schritt halten können und schlicht keine Zeit haben, sich mit den Auswirkungen auf Sicherheit und Kosten zu befassen. Der Wissenstransfer hinkt hinterher.

"Speicherkosten machen einen erheblichen Teil des Budgets aus, auch wenn die Kosten für Storage-Systeme nun erheblich nach unten gehen. Die Hersteller solcher Systeme versuchen das Geld dann anderweitig zu erwirtschaften, etwa mit Wartungsverträgen. Das wird in der Videobranche ebenfalls immer wichtiger und gleichzeitig auch besser durchsetzbar. Denn es wird immer mehr akzeptiert, für Service etwas zu bezahlen, weil die Verantwortlichen es schon von der IT gewöhnt sind."
Oliver Koch, IT-Leiter, Dallmeier Electronic GmbH & Co. KG

"Wir kämpfen manchmal gegen die Versprechen, die die Werbung verursacht. Man setzt auf IP und denkt, man kann in jedem Fall die vor- handene Infrastruk- tur ohne zusätzliche Kosten benutzen. Aus Erfahrung kann diese Infrastruktur nicht immer genutzt werden und daher sind die Kosten oft höher als erwartet. Daher kann IP- Technik teurer sein als Analog-Technik."
Andreas Franusic, Manager Product Management Team, CBC Deutschland GmbH

Anzeige

"Es ist nicht nur so, dass unser traditioneller Markt die IP-Technologie lernen muss. Es geht auch viel um Kompatibilität und die Probleme, die auftauchen können. Ein NAS ist relativ einfach kompatibel zu handhaben, SAN-Systeme können aber oft Kompatibilitätsprobleme mit sich bringen, auch weil die Hersteller sich nicht einig werden. Und ich denke, das führt dazu, dass einige Anwender dem Ganzen noch vorsichtig gegenüberstehen."
Achim Hauschke, Geschäftsführer, Vidicore KG

"Es ist immer die Frage, wie hoch die Anforderungen der Kunden an die Sicherheit der Daten sind. Wo muss ich stärker absichern, damit es dem Schutzbedürfnis des Anwenders entspricht? Wird mehr Redundanz und/oder Hochverfügbarkeit gefordert und wie passt dies ins Budget? Egal, um welches Projekt es sich handelt, wichtig ist es, sich stets zuerst an den speziellen Anforderungen der Anwender zu orientieren."
Jürgen Hagenlocher, Geschäftsführer, Videor E. Hartig GmbH

Eine Tatsache, die Oliver Koch, IT-Leiter bei Dallmeier Electronic häufiger begegnet: „In Großunternehmen herrscht der Ansatz, dass man in Sachen IT auf Höchstverfügbarkeit setzt und Risk-Management, Datensicherheit und Ausfallwahrscheinlichkeit in den Vordergrund stellt. Das bedeutet natürlich, dass ein erheblicher Teil des Budgets in den Bereich Storage fließt. Für mich als IT-ler ist das logisch, doch bei einem Projekt in der Videoüberwachung ist es den Kunden sehr schwierig zu vermitteln, dass er einen Großteil seines Budgets in Speicher investieren soll, obwohl er doch ein Videosystem wollte. Das wurde in der Vergangenheit meist nicht akzeptiert. Es kann jedoch sein, dass sich das ändert, wenn mehr und mehr Verantwortliche aus der IT die Entscheidung treffen.“ Damit wäre schon ein wesentlicher Aspekt aus Sicht der Anwender genannt: die Kosten. Letztlich sind diese neben der erreichten Sicherheit das Argument, das über den Einsatz eines Systems entscheidet.

Darf‘s ein bisschen mehr sein?

Setzt man auf die erwähnte Hochverfügbarkeit und Datensicherheit – und damit auf ein separates Speichernetzwerk, das Storage Area Network (SAN) – so muss man mit erheblichen Investitionen rechnen. Achim Hauschke von der Vidicore KG sieht die Kosten hier ebenfalls als ein großes Hindernis an: „Die Anschaffungskosten eines SAN-Systems liegen etwa bei 50 Prozent der Gesamtkosten. Wenn ein Projekt also 500.000 Euro kostet, muss man mit etwa 250.000 Euro für das SAN rechnen, das sind 1,00 bis 1,30 Euro pro Gigabyte. Da hat man große Schwierigkeiten, ein SAN-System zu verkaufen – selbst bei Flughafenprojekten. Man muss sich also genau überlegen, was ein SAN wirklich mehr an Funktionalität und Sicherheit bietet, und wo man vielleicht mit einem günstigerem Network Attached Storage auskommt.“

Auch Hardy Mehl von der Basler AG sieht hier noch Schwierigkeiten: „35 bis 50 Prozent der Kosten können für Speicher entstehen. Deshalb halte ich es auch aus Sicht eines IP-Kameraherstellers für sehr wichtig, die Kosten für Speichersysteme durch moderne Komprimierungsverfahren sowie intelligente Features, wie etwa Video-analyse oder Multiple Streaming, zu minimieren. Momentan stellen diese hohen Kosten für den Integrator oder das Systemhaus nach wie vor einen Hinderungsgrund dar, ein digitales System anzubieten.“

Verwandlungen

Der Wandel zu IP-Systemen ist in der Tat nicht aufzuhalten, so dass alle, die auch in Zukunft noch in der Branche der Videoüberwachung Geschäfte machen wollen, gut beraten wären, sich möglichst schnell fit zu machen in Sachen Netzwerktechnik und Speicherlösungen. Deshalb rät auch Oliver Nachtigal von Everfocus: „Im Zuge der Einführung der IP-Technik wird man insgesamt umdenken müssen, auch die Errichter müssen sich da noch heftig umstellen. Es reicht nicht mehr, das Kabel von A nach B zu ziehen. Jetzt geht es um Bandbreiten, Speichersysteme und Server – und das für riesige Datenmengen. Es muss ein stabiles Netzwerk sein, in dem natürlich noch andere Komponenten hängen. Da gibt es ein großes Wissensdefizit, dem wir mit sehr viel Beratungsleistung begegnen.“

Doch es gibt auch das andere Extrem, wie Johann Kraus von Geutebrück zu berichten weiß: „Im Zuge der IT-Standardisierung ist es wichtig, dass bereits frühzeitig ein Video-Spezialist miteinbezogen wird. So wird von Anfang an auf die Eigenschaften der Systemarchitektur geachtet und neben einer Vielzahl von Faktoren auch der zu erwartende Datendurchsatz berücksichtigt. So kann es nicht passieren, dass beispielsweise ein RAID-System mit 16 Festplatten à zwei Terabyte geplant wird, jedoch das verwendete Betriebssystem sich nur sehr schwer in 32 Terabyte Videodaten zurechtfindet. So große Datenmengen zu verwalten ist zwar theoretisch möglich, jedoch videotechnisch nicht immer sinnvoll hinsichtlich Betriebssicherheit, Performance und Bedienkomfort.“

1 - 2 - 3 nächste Seite

Passend zu diesem Artikel