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„Axis bleibt unverändert“

Die Börse spielte verrückt, als Canons Übernahme-Angebot über 2,8 Milliarden US-Dollar für Axis Communications bekannt wurde. Axis-Gründer Martin Gren erklärt im PROTECTOR-Interview, wie es weitergeht, und warum eine Übernahme für beide Seiten ein Gewinn sein wird.
Martin Gren, Gründer und Director New Projects von Axis Communications, im Interview mit Britta Kalscheuer.
Martin Gren, Gründer und Director New Projects von Axis Communications, im Interview mit Britta Kalscheuer.

PROTECTOR: Was war Ihre erste Reaktion als Sie vom Übernahme-Angebot von Canon für Axis Communications erfahren haben?

Martin Gren: Beim ersten Treffen mit Canon war meine spontane Reaktion: „Nein, wir möchten Axis nicht verkaufen!“ Einige andere Unternehmen, die ich an dieser Stelle natürlich nicht nennen kann, hatten zuvor schon angeboten, Axis aufzukaufen. Doch warum dann Canon? Hier waren schlussendlich die Fakten ausschlaggebend. Kurz gesagt: es macht einfach Sinn. Wenn der Deal zustande kommt, was wir zum heutigen Zeitpunkt ja noch nicht wissen, kann Canon ganz klar von Axis profitieren. Wir haben unser Geschäftsmodell, bei dem wir unsere Produkte über ein Zwei-Stufen-Modell indirekt verkaufen. Dies ist eine Stärke, die Canon schätzt, und darauf wird auch weiterhin großer Wert gelegt.

Hat das Angebot von Canon im Markt für Überraschung gesorgt?

An der schwedischen Börse stieg der Axis-Wert am Tag der Bekanntgabe des Angebots um fast 50 Prozent. Das zeigt ganz gut, dass es im Markt zuvor keine Hinweise oder Vermutungen auf ein solches Angebot gab.

Aber Sie wussten schon davon?

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Ich war natürlich involviert in den Entscheidungsprozess, der schon früher begonnen hat. Es gab gute Gespräche mit Canon, die mich schlussendlich überzeugten. Ausschlaggebend war auch das Verständnis für unsere einzigartige Firmenkultur und Partnerlandschaft. Canon will Axis nicht verändern, sondern als selbstständiges Unternehmen erhalten. Sowohl die Niederlassungen, die Teams als auch unser Partnerprogramm und Markennamen bleiben unverändert. Auch beim Reporting wird es keine Änderung geben: Die einzelnen Niederlassungen berichten weiterhin an ihre Regionalvertretung – für Mitteleuropa ist das Ismaning bei München – diese berichtet nach Axis Schweden in Lund. Axis in Lund wird dann direkt an den Canon-CEO in Japan berichten.

Das heißt, Axis wird ähnlich wie Milestone Systems ein unabhängiges Unternehmen in der Canon-Gruppe werden?

Richtig, und hier konnte Canon auch schon beweisen, dass sie es ernst meinen. Es ist nun fast ein Jahr her, seit sie Milestone aufgekauft haben, und Milestone ist ein unabhängiges Unternehmen geblieben.

Die Zustimmungsfrist läuft derzeit noch, was passiert jetzt?

Am 1. April läuft die Frist aus, also wird es bis spätestens zum 8. April eine entsprechende offizielle Verlautbarung geben, ob Canon mindestens 90 Prozent der Aktien-Anteile erhalten hat oder nicht. Gemäß des schwedischen Börsengesetzes reichen 90 Prozent der Anteile aus, um die restlichen zehn Prozent zu verpflichten, ihre Anteile ebenfalls zu veräußern.

War die hohe Kaufsumme von rund 2,8 Milliarden US-Dollar eine Überraschung?

Die Summe musste hoch angesetzt werden, da die Übernahme sonst nicht akzeptiert worden wäre. Aus Börsensicht war es mehr als der Markt erwartet hatte.

Alle Anzeichen sprechen dafür, dass die Übernahme vollzogen wird, oder?

Ja, es gibt derzeit niemanden, der dazu negativ eingestellt wäre. Das ist ein gutes Zeichen.

Und wohin wird die Reise Canon führen?

Canon ist der weltgrößte Kamera-Hersteller, der sich in verschiedenen Märkten bewegt: Dazu zählt der Netzwerkkamera-Markt, wo es für Canon bisher nicht ganz so gut lief, im Systemkamera-Markt, wo sie die Speerspitze der Industrie darstellen, der Markt aber gerade stagniert, sowie bei Kompaktkameras und Camcordern, bei denen der Absatz sinkt. Da liegt es nahe, sich auf das Marktsegment zu konzentrieren, dass eindeutig wächst: Sicherheitskameras. Für Canon war es daher eine logische Schlussfolgerung, Axis zu kaufen. Und durch den guten Cashflow von Axis wird sich dieser Kauf auch umgehend für Canon auszahlen.

Welche Vorteile ergeben sich im Gegenzug für Axis aus der Übernahme?

Canon ist ungefähr 100mal so groß wie Axis, hat eine gewaltige Kaufkraft und Produktionsfähigkeit. Auch die Preise können bei einem so großen Unternehmen ganz anders gestaltet werden. Zudem ist Canon weltweit eines der drei aktivsten Unternehmen, wenn es um Patente geht. Canon hat enormes Know-how rund um Bildverarbeitung, Bildqualität und Objektive, von dem Axis profitieren kann.

Was hebt Axis als Hersteller von Netzwerkkameras von anderen Firmen ab?

Neben der Qualität: die Zuverlässigkeit. Wenn es um die Verlässlichkeit unserer Produkte geht, ist ein wichtiger Punkt, dass wir bereits Druckerserver hergestellt haben, bevor wir uns auf Netzwerkkameras konzentriert haben. Über einen Druckerserver macht man sich erst dann Gedanken, wenn er nicht mehr funktioniert. Deshalb war es für uns immer sehr wichtig, dass unsere Print-Server einwandfrei laufen – hier haben wir viel über die Wichtigkeit von Qualität gelernt. Unsere Kameras werden heute umfangreichen Tests unterzogen und wir legen enorm viel Wert auf Qualitätskontrollen. Dank unserer Geschichte als Lieferant für Druckerserver konnten wir auch viel im Bereich Netzwerk lernen. Ein Vorteil für unsere späteren Entwicklungen im Bereich Netzwerkkameras.

Und diese Zuverlässigkeit zeichnet heute auch die Netzwerkkameras von Axis aus, wie wir in unseren PROTECTOR-Kameratests feststellen können.

Genau. Solche Qualitätskontrollen wie wir sie für unsere Druckerserver hatten, haben wir dann für unsere Netzwerkkameras übernommen: Wir haben sie nach unserem Qualitätsstandard auf ihre Zuverlässigkeit hin geprüft. Dazu gehört seit 2001 auch die Überprüfung der Bildqualität. Hersteller analoger Kameras, die plötzlich begannen, auch Netzwerkkameras anzubieten, hatten natürlich wenig Erfahrung hinsichtlich der Funktionsfähigkeit ihrer vernetzten Produkte. Sie kannten sich eben nur mit der Qualität von analogen Videobildern aus. Das hatte zur Folge, dass die ersten Netzwerkkameras von Herstellern mit analogen Wurzeln nicht wirklich netzwerkfähig waren.

Herr Gren, was sind Ihre persönlichen Pläne für die Zukunft?

Ich möchte gerne auch weiterhin Innovationen und neue, spannende Produkte für Axis entwickeln. Falls es zur Übernahme durch Canon kommt, werde ich sicherstellen, dass alle Seiten zufrieden und motiviert sind.

Interview: Britta Kalscheuer

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