Direkt zum Inhalt

Ganzheitlich betrachten

Große Ansammlungen von Personen, insbesondere in räumlich abgetrennten Bereichen im Freien sowie innerhalb von Gebäuden, bringen zum Teil erhebliche Risiken und Gefährdungspotentiale mit sich. Die Basis für die Sicherheit der Personen stellen bauliche und anlagentechnische Maßnahmen dar. Ergänzt werden müssen diese jedoch grundsätzlich durch organisatorische Maßnahmen. Hierzu zählen in der Praxis Sicherheits- und Räumungskonzepte, die Maßnahmen sowohl für die Vermeidung als auch zur Bewältigung von Gefahrensituationen beschreiben.

Kombinierte Einlass- und Ausgangskontrollen sorgen für eine stets genaue Ermittlung der Besucherzahl.
Kombinierte Einlass- und Ausgangskontrollen sorgen für eine stets genaue Ermittlung der Besucherzahl.

Nicht nur der Brandschutz spielt insbesondere bei Gebäuden mit großem Personen-verkehr wie zum Beispiel Versammlungs-stätten, Verkaufsstätten oder Verkehrsanlagen eine zunehmende Rolle bei der vorbeugenden Gefahrenabwehr. Mit der Errichtung von Gebäuden werden heute in den meisten Fällen Brandschutzkonzepte gefordert. Diese Brandschutzkonzepte werden der Baugenehmigung zugrunde gelegt. Hier finden sich unter anderem Festlegungen an die Ausgestaltung der Rettungswege im Gebäude (bis hin zu öffentlichen Verkehrsflächen) sowie für die Alarmierung der Personen, welche das Gebäude nutzen.

Darüber hinausgehend sind aber auch organisatorische Maßnahmen erforderlich, welche zum Beispiel eine sichere Gebäuderäumung unterstützen. Diese weitergehenden Sicherheitsaspekte können zum Teil bereits im Brandschutzkonzept definiert sein oder über die bauordnungsrechtlichen Vorgaben oder Baugenehmigung gefordert werden. Ebenso können auch Vorgaben aus Arbeitsschutzvorschriften oder interne Sicherheitsstandards weitergehende Maßnahmen fordern.

Sicherheitskonzepte

Die Lösung stellen in der Praxis Sicherheitskonzepte dar. Die Elemente eines Sicherheitskonzeptes sind einerseits so individuell wie möglich, andererseits so umfassend wie nötig zu gestalten. Typischerweise gliedert sich ein Sicherheitskonzept in jeweils einen operativen, einen statischen und einen dynamischen Teil.

Allgemeine sowie für definierte Szenarien festgelegte Handlungsanweisungen bilden den operativen Teil des Sicherheitskonzeptes. Dieser beinhaltet beispielsweise Checklisten wie die innerbetriebliche Notrufabfrage und Alarmierungslisten für verschiedene Funktionsträger. Weiterhin ist der Alarm- und Gefahrenabwehrplan ein wichtiger Bestandteile des operativen Teils, der dann zum Einsatz kommt, wenn ein Ereignis entweder kurz bevorsteht (zum Beispiel drohendes Unwetter) oder bereits eingetreten ist (zum Beispiel Brand).

Anzeige

Die Gefährdungsanalyse sowie ein Räumungskonzept sind neben den allgemeinen Anforderungen des vorbeugenden und betrieblichen Brandschutzes im Regelfall die Mindestbestandteile des statischen Teils. Im Räumungskonzept wird der kritischste Fall einer (Teil-) Räumung dargestellt. Hier werden Aufgaben einzelner Funktionsträger erläutert. Wichtig ist die Festlegungen zur Vorgehensweise bei der Räumungsentscheidung sowie zur Durchführung der Räumung in das Räumungskonzept zu integrieren. Ergänzt werden kann der statische Teil beispielsweise um Konzepte des Ordnungsdienstes, des Sanitätsdienstes oder des technischen Entstörungsmanagements, welches beschreibt, wie mit Mängeln, Defekten oder Ausfällen technischer Anlagen umzugehen ist (hier sei insbesondere auf § 38 Absatz 4 der Muster-Versammlungsstättenverordnung verwiesen).

Veranstaltungs- oder ereignisbezogene Besonderheiten ergänzen im dynamischen Teil das Sicherheitskonzept.

Rechtzeitig anfangen

Den Umfang des Sicherheitskonzeptes legt im Regelfall der Betreiber oder Veranstalter im Einvernehmen mit den beteiligten Sicherheitspartnern, zum Beispiel Ordnungsamt oder Baurechtsamt sowie den BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) fest. Dabei hat sich bewährt, möglichst frühzeitig und im weiteren Verlauf regelmäßig den Kontakt mit den Beteiligten zu suchen. Nach dem Eintritt von Ereignissen, nach Übungen sowie in regelmäßigen Abständen ist das Sicherheitskonzept zu überprüfen, gegebenenfalls zu aktualisieren und aufgrund sich ändernder Gegebenheiten fortzuschreiben.

Die Versammlungsstättenverordnungen der Bundesländer verlangen im Regelfall für Versammlungsstätten ab 5.000 Besucherplätzen die Erstellung eines Sicherheitskonzeptes. Je nach Gefahrenpotential kann auch für Versammlungsstätten mit weniger als 5.000 Besucherplätzen die Aufstellung eines Sicherheitskonzeptes gefordert werden. In einer Vielzahl der Bundesländer gibt es nach Inkrafttreten der jeweiligen Versammlungsstättenverordnung eine Übergangsfrist von zwei Jahren zur Umsetzung unter anderem der Betriebsvorschriften, in denen die Anforderungen an Sicherheitskonzepte enthalten sind, anderenfalls drohen Ordnungsstrafen.

Weiterhin können Sicherheitskonzepte auch im Rahmen von Gefahrenverhütungsschauen oder Sicherheitsüberprüfungen durch die Bauaufsichten verlangt werden. Bei Veranstaltungen im Freien werden Sicherheitskonzepte im Regelfall im Zuge des Genehmigungsverfahrens gefordert.

Aktuelle Entwicklung

In der 292. Sitzung Mitte Dezember 2012 hat die Fachkommission Bauaufsicht den Entwurf zur Änderung der Musterverordnung über den Bau und Betrieb von Versammlungsstätten (Muster-Versammlungsstättenverordnung – MVStättV) und der Muster-Verordnung über den Bau und Betrieb von Verkaufsstätten Muster-Verkaufsstättenverordnung (MVkVO) beschlossen. Während die Forderung nach Sicherheits- und Räumungskonzepten in der Versammlungsstättenverordnung bereits aktuell enthalten ist und auch enthalten bleibt, wird auch in Verkaufsstätten zukünftig voraussichtlich ab einer Fläche von insgesamt mehr als 5.000 Quadratmetern ein gesondertes Räumungskonzept erforderlich werden. Diese Forderung soll auch auf bestehende Verkaufsstätten angewendet werden.

Wesentlicher Bestandteil

Sicherheits- und Räumungskonzepte bilden im Rahmen der betrieblichen Organisation einen der wesentlichen Bestandteile einer ganzheitlichen Sicherheitskonzeption. Aufgrund der aktuellen Entwicklung lässt sich deutlich eine Tendenz zur Verschiebung der Verantwortung vom Staat in Richtung Betreiber erkennen. Die Sicherstellung einer geeigneten Notfallorganisation sowie deren Dokumentation ist damit unerlässlich. In der Praxis finden sich jedoch nur wenige konkrete gesetzliche Vorgaben für die Inhalte von Sicherheits- und Räumungskonzepten, sodass diese einer sorgfältigen Planung bedürfen.

Passend zu diesem Artikel