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Geeignetes Mittel für mehr Sicherheit?

Noch vor wenigen Jahren stieß das Thema Videoüberwachung im öffentlichen Raum auf breite Skepsis in der Bevölkerung, wurde gar zum kontrovers diskutierten Wahlkampfthema. Hat sich die Wahrnehmung in der Bevölkerung inzwischen verändert? Seetec ging dieser Frage in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut Yougov auf den Grund.

An öffentlichen Plätzen wie Flughäfen hat sich die Sicherheitslage in der Wahrnehmung der Bevölkerung laut Studie verschlechtert.
An öffentlichen Plätzen wie Flughäfen hat sich die Sicherheitslage in der Wahrnehmung der Bevölkerung laut Studie verschlechtert.

Wer zwischen den Jahren die deutsche Medienlandschaft verfolgt hat, wurde fast täglich mit Berichten über neue Gewalttaten oder Attentate konfrontiert. Übergriffe im Bereich der öffentlichen Verkehrsmittel oder der Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt – in der anschließenden Diskussion wurde regelmäßig und oft sehr plakativ mehr Videotechnik im öffentlichen Raum gefordert. Auch die jüngste Gesetzesinitiative des Bundesinnenministers trug dieser Entwicklung Rechnung, hatte sie doch zum Ziel, neue rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um den Einsatz von Videoüberwachung zu erleichtern – nicht nur an öffentlichen Plätzen sondern auch in öffentlich zugänglichen Bereichen in privater Verantwortung.

Zunehmendes Gefühl der Unsicherheit

Vor diesen Hintergründen kommt eine Studie die Seetec bei dem Meinungsforschungsinstitut Yougov im Herbst 2016 – also noch vor den jüngsten Terrorangriffen und Gewaltexzessen – in Auftrag gegeben hatte, zu bemerkenswerten Ergebnissen. Eine wesentliche Grundlage für deren Interpretation ist die Wahrnehmung der allgemeinen sowie der individuellen Gefährdungslage in Deutschland. So waren 68 Prozent der Deutschen der Meinung, die Sicherheitslage im öffentlichen Raum habe sich in den letzten zwei bis drei Jahren verschlechtert. 61 Prozent gaben an, dass sich die Anzahl der Situationen, in denen sie sich gefährdet fühlen, im gleichen Zeitraum erhöht habe. Eine Veränderung der Sicherheitslage nahmen die Deutschen insbesondere an Bahnhöfen und U-Bahnhöfen, bei Großveranstaltungen im Freien, auf öffentlichen Plätzen sowie in Zügen und U-Bahnen wahr.

Rückschlüsse auf die tatsächliche Entwicklung der Sicherheit im öffentlichen Raum lassen sich aus diesen Ergebnissen freilich noch nicht ableiten, würde dies doch einen Abgleich mit kriminalstatistischen Daten erfordern. Insgesamt lässt sich jedoch sagen, dass die Deutschen eher eine Verschlechterung der Sicherheitslage im öffentlichen Raum empfinden. Doch wird Videotechnik in der Bevölkerung auch als geeignetes Gegenmittel gesehen?

Abschreckungseffekt gering

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Lediglich eine knappe Mehrheit von 53 Prozent fühlt sich an öffentlichen Plätzen sicherer, wenn dort Überwachungskameras zu sehen sind. Dies ist wohl auch im Kontext mit den jüngsten Vorfällen zu sehen. So beeindruckten den Attentäter auf den Berliner Weihnachtsmarkt offensichtlich auch die deutlich sichtbaren Kameras nicht. Andersherum legen die Ergebnisse der Studie nahe, dass die Bevölkerung nur eingeschränkt auf die Präventionswirkung von Kameras vertraut und eher auf die Aufklärung von Straftaten auf Basis geeigneten Bildmaterials setzt.

Überraschend ist aber, dass trotz vorhandener Zweifel an der Sicherheitswirkung von Videosystemen insgesamt, eine recht hohe Akzeptanz für den Einsatz von Videotechnik im öffentlichen Raum besteht. 74 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mehr Videosysteme zur Sicherung des öffentlichen Raums befürworten. Dabei zeigt sich, dass die Akzeptanzraten stark vom Einsatzbereich abhängen: Während Videoüberwachung im Einzelhandel und insbesondere am Arbeitsplatz nach wie vor überwiegend auf Ablehnung stößt, nimmt die Zustimmung an Orten mit einer subjektiv empfundenen Verschlechterung der Sicherheitslage, etwa an Bahnhöfen erwartungsgemäß deutlich zu. Bei älteren Menschen (55+) fällt diese Zustimmung zum Teil sogar noch höher aus.

Es zeigt sich: Die Deutschen betrachten Videoüberwachung durchaus differenziert und nehmen – bewusst oder unbewusst – eine Abwägung zwischen dem jeweiligen Risiko, der Wirkung von Videosystemen und dem Schutz der Privatsphäre vor. Videotechnik wird dabei nicht zwingend als probates Mittel zur Erhöhung der Sicherheit im öffentlichen Raum gesehen. Gleichzeitig kann aber gerade an neuralgischen Punkten – wie zum Beispiel im Personennah- und -fernverkehr – eine große Akzeptanz für den Einsatz von Videoüberwachung beobachtet werden.

Herr Beerbaum, was war die Motivation für Seetec, diese Umfrage zu initiieren?

Im Moment findet eine breite öffentliche Diskussion zum Thema Videoüberwachung in Deutschland statt. Dabei wird häufig ein pauschaler Ruf nach mehr Videoüberwachung laut – dem gegenüber stehen Warnungen und nachvollziehbare rechtliche Bedenken von Datenschützern. An vielen Stellen wird deutlich, dass es sich letztendlich um eine Abwägung von Nutzen und Risiken handelt - wir wollten mit der Umfrage herausfinden, wie die Bevölkerung dazu steht.

Schadet oder hilft die aktuelle Diskussion über „mehr Videoüberwachung“ dem Thema und damit den Herstellern eher?

Das kommt sehr darauf an, wie die Diskussion zu diesem Thema geführt wird. Videotechnik ist kein Allheilmittel für ein Mehr an Sicherheit: Nur eine faktenbasierte und sachliche Betrachtung, was Videoüberwachung im Rahmen eines übergeordneten Konzepts zur Sicherheit im öffentlichen Raum wirklich zu leisten vermag, kann zu einem zielorientierten Einsatz und damit zu nachhaltiger Akzeptanz der Technologie führen. Eine isolierte Betrachtungsweise schadet dagegen eher.

Was bedeutet das für die Praxis?

Wir haben es aktuell mit einer komplexen Anforderungssituation im Bereich der öffentlichen Sicherheit zu tun – einfache Pauschalrezepte greifen hier nicht. So kann eine flächendeckende Kamerapräsenz vor allem die Anzahl kleinerer Delikte (Vandalismus- oder Eigentumsdelikte) erheblich verringern. Bei größeren Straftaten ist die Präventionswirkung unserer Erfahrung nach eingeschränkt. Hier liegt der Nutzen von Videotechnik eher darin, gutes Beweismaterial für eine schnelle Aufklärung bereitzustellen – sie ist hier somit als unterstützendes Element für Polizei und Behörden zu verstehen. Wichtigste Grundlage für den erfolgreichen Einsatz von Videoüberwachung ist jedoch die möglichst enge Zusammenarbeit von Bundes- und Landesbehörden sowie privaten Betreibern im Rahmen ganzheitlicher Sicherheitskonzepte.

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