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Der Mythos Bildqualität 28. September 2015

Höher, schneller, weiter?

Die meisten heutzutage installierten IP-Kameras haben entweder HDTV 720p oder 1080p Auflösung. Wobei die 720p Auflösung deutlich stärker vertreten ist. Dies wird sich voraussichtlich im kommenden Jahr in Richtung 1080p verschieben. Ultra HD, auch 4K genannt, steht in den Startlöchern. Die Sensoren sind in puncto Lichtempfindlichkeit und Dynamikumfang allerdings noch nicht auf dem Niveau der 720p/1080p-Sensoren angekommen.

Veränderte Vegetation als Hindernis in der Videoüberwachung.
Veränderte Vegetation als Hindernis in der Videoüberwachung.

Die Lightfinder-Technologie hat im Jahre 2009 die Lowlight-Ära in der IP-Videobranche eingeläutet. Mittlerweile hat jeder Hersteller seine eigene Interpretation für Lichtemp-findlichkeit. Erfreulicherweise gehören für die meisten Hersteller der Sicherheits-branche Tricksereien mit längeren Belichtungszeiten der Vergangenheit an. Auch im Bereich Wide Dynamik Range (WDR) gibt es noch einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten und fehlende Standardisierung ermöglicht die ein oder andere sehr fragwürdige Auslegung. Doch auch hier werden große Fortschritte gemacht.

Bildqualität – was zählt wirklich?

Man könnte eigentlich erwarten, dass dank der erhöhten Anzahl von eingesetzten Kameras, guter Lichtempfindlichkeit, WDR und den steigenden Auflösungen die Ermittlungsarbeit der Polizei mittlerweile einfach ist und die Fahndungserfolge auf Basis hervorragender Bilder wesentlich höher sind. Leider ist dies nicht der Fall. Die Forensiker beklagen nach wie vor den zu geringen Detailgrad. Um zu verstehen, warum die Bildqualität zwar theoretisch auf einem hohen Niveau ist, in der Realität das aufgezeichnete Videomaterial aber eine andere Sprache spricht, muss man sich ein wenig genauer mit den Rahmenbedingungen auseinandersetzen.

Die IP-Videobranche ist kaum standardisiert. Keine Norm hat bindenden Charakter, keine Richtlinien schreiben allgemeingültig vor, was wie gemacht werden muss. So ist einem Wildwuchs bezüglich teils abenteuerlichen Marketing-Aussagen kaum eine Grenze gesetzt. Und Installateur, Endkunde und auch die Ermittlungsbehörden werden leichtgläubig in die falsche Richtung gelenkt.

Die Ursache für den geringen Detailgrad des Bildmaterials liegt zumeist in der verwendeten Kompressionsmethode. H.264 ist der Kompressionsstandard der Videosicherheitsbranche, vom Prinzip zwar sehr leistungsfähig und flexibel, jedoch ergeben sich bei falscher Anwendung durchaus Risiken.

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Dynamische Bitrate

Als erstes gilt es die „Natur der Bitrate“ zu verstehen. Diese hat grundsätzlich einen dynamischen Charakter, der in direkter Abhängigkeit zur Komplexität der aufgenommenen Szene steht. Einfach ausgedrückt ist die Bitrate höher, je mehr in der Szene passiert und niedriger, je weniger in der Szene geschieht. Auch Bildrauschen oder flackernde Lichtquellen beeinflussen die Bitrate teils erheblich. Wie hoch oder niedrig die Bitrate zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, lässt sich zwar schätzen, aber nie genau vorhersagen. Auch diverse Veränderungen in der Szene selbst, besonders im Außenbereich, können zu deutlichen Komplexitätsänderungen und somit zu höheren – oder auch niedrigeren – Bitraten führen.

Niedrige Bitraten sind keine Herausforderung, höhere hingegen schon. Dies beginnt bereits in der Kamera: Hier ist für höhere Bitraten mehr Arbeitsspeicher und Prozessorleistung erforderlich. Die Leistungsreserven müssen ausreichend sein, um mit großen Datenmengen umgehen zu können. Auch das Netzwerk und die Datenspeicherung sind höheren Anforderungen ausgesetzt, je höher die maximale Bitrate ist. Alles in allem logische und nachvollziehbare Sachverhalte, die darüber hinaus allgemeingültig sind. Jeder Hersteller muss sich mit diesen Fakten auseinandersetzen.

Dem Anwender oder Errichter ist dies jedoch schwer zu kommunizieren. „Höhere Auflösung = Höhere Bandbreite“ oder „Mehr Auflösung = Mehr Speicherbedarf“ sind keine Botschaften, die gerne verwendet werden. Stattdessen wird eher das Gegenteil adressiert, je niedriger die Bitrate, desto vermeintlich besser die Kamera. Eine 4K-Kamera mit einer maximalen Bitrate von sechs Megabit pro Sekunde zu bewerben kann schon als fahrlässig bezeichnet werden. Ein schlechtes Gewissen müssen die Verantwortlichen dabei nicht haben, es handelt sich nicht um die Unwahrheit. Es ist sehr einfach, dieses Versprechen in die Tat umzusetzen, die Bitrate recht niedrig zu halten. Das Ergebnis: Manche IP-Kameras sind in puncto Performance und Arbeitsspeicher derart abgespeckt worden, dass sie überhaupt nicht mehr mit hohen Bitraten zurechtkommen. Ergebnis ist eine günstigere Kamera, die im Ernstfall dann aber nur zweifelhafte Bildqualität liefern kann.

Riskante Begrenzung

Die künstliche Begrenzung der Bitrate durch eine sogenannte Maximale Bitrate (MBR) ist die am weitesten verbreitete Methode, um die Versprechen niedriger Bandbreiten einhalten zu können. In der Kamera kümmert sich der Bitrate Controller darum, die Bitrate unterhalb des gewünschten Maximums zu halten. Manchmal wird auch fälschlicherweise von einer CBR, einer konstanten Bitrate gesprochen. Die CBR lassen wir in unserer Betrachtung aufgrund fehlender Relevanz weg.

Die Arbeit mit MBR-Limits ist sehr einfach: Der Bitrate Controller vergleicht die aktuelle (unlimitierte) Bitrate mit dem gewünschten Maximalwert. Liegt sie darüber, wird je nach Priorisierung entweder der Kompressionsgrad angehoben oder aber Bilder verworfen. Sinkt die Bitrate wieder unter das gewünschte Maximum, wird die Kompression wieder reduziert und/oder keine Bilder mehr verworfen. Einfach und effizient – und leider für die Videoforensik oftmals sehr kontraproduktiv. Denn genau in den Momenten, in denen viel in der Szene passiert, werden entweder Informationen ganz verworfen (Frame Dropping) oder aber stärker komprimiert.

Insbesondere letzteres führt dann dazu, dass der Detailgrad in relevanten Bildbereichen deutlich herabgesetzt wird. Dies beschreibt der Laie dann mit „zu wenig Details im Bild“. Ein Nachteil für Bilder, die zur Identifizierung von Objekten oder Personen dienen. In den Bereichen mit erhöhtem Kompressionsgrad sinkt die Bildqualität ab. Obwohl die Kamera eigentlich alles „gesehen“ hat, wird es durch die stärkere Kompression wieder bis zu einem gewissen Grade zerstört.

Dieser Umstand der höheren Kompression und des damit einhergehenden Qualitätsverlustes wird zumeist verschwiegen.

Zipstream Technologie

Die Axis Zipstream Technologie trägt der Natur der Bitrate Rechnung: Statt die Bitrate in ein Korsett zu zwingen, analysiert der Algorithmus das gesamte Bild in puncto Struktur und Bewegungsanteilen. Überall dort, wo Bewegung in einem strukturierten Bereich vorliegt, wird die Default Kompression der Kamera nicht verändert. Ist ein Bereich statisch, wird die Kompression in den Teilen moderat angehoben, die eine Struktur besitzen und deutlich verstärkt, wenn keine erkennbare Struktur vorliegt. Im Lowlight-Bereich hilft eine Rauschunterdrückungskomponente, die Bitrate erheblich abzusenken. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass der Lowlight Bereich für die gängigen Bildsensoren viel früher beginnt als der Mensch von Dunkelheit spricht.

Der Kompressionsansatz von Zipstream ist dabei sehr feinkörnig und bezieht sich nicht nur auf das gesamte Bild. Auch der Konfigurationsaufwand ist niedrig. Der Anwender entscheidet lediglich über die entsprechende Stufe und darüber, ob die I-Frames in dynamischen Abständen übertragen werden sollen. Letzteres hilft insbesondere bei Daueraufzeichnungen oder im Live-View die Bitrate in Zeiten mit geringem Bewegungsanteil zu senken. Hier werden bei minimalen Bildveränderungen die Hauptinformationsträger, die sogenannten I-Frames, schlicht in größeren Zeitabständen übertragen.

Die Bandbreiten komplett unter Kontrolle bringen zu können und keine Kompromisse gleich welcher Art einzugehen, ist technisch unmöglich. Der Bitrate sollte auf jeden Fall genügend Raum gelassen werden und mit niedrigen Beschränkungen sollte man nur arbeiten, wenn der Anwendungsfall außerhalb der Sicherheitstechnik liegt.

Timo Sachse

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