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Komplexität gemeistert

Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik (IPP) in Greifswald nutzt eine komplexe elektronische Zutrittssteuerung, die nicht nur den Bürotrakt, sondern auch die Experiment- und Montagebereiche der Kernfusionsanlage schützt. Dabei handelt es sich um ein kombiniertes online und virtuell vernetztes System, das überdies organisatorisch die Maßnahmen zur Personensicherheit unterstützt.

Außenansicht des Eingangsbereichs des IPP Greifswald.
Außenansicht des Eingangsbereichs des IPP Greifswald.

Wir mussten ein neues Zutritts-kontrollkonzept umsetzen und dafür eine neue Schließanlage beschaffen. Im Zuge dessen haben wir uns natürlich auch über die langfristigen Kosten und die Verwaltung Gedanken gemacht. Insbesondere stand für uns im Fokus, die Schließrechte einheitlich verwalten zu können und eine zukunftsfähige Anlage zu erhalten. Außerdem sollte uns ein Schlüsselverlust keine Sorgen mehr bereiten. Diese Ziele ließen sich nur mit einer elektronischen Lösung erreichen“, erinnert sich Peter Kurz, Projektverantwortlicher am IPP in Greifswald. Daraufhin wurde eine funktionale Spezifikation verfasst, in der die wichtigsten Anforderungen festgehalten wurden: „Dazu gehörte eine Data-on-Card-Technologie, um die Verkabelung der Innentüren zu sparen, die Integration in unsere zentrale Sicherheitssteuerung für dynamische Änderungen der Berechtigungen abhängig vom Experimentstatus sowie die Definition der Schließgruppen, Schnittstellen und notwendigen Signale für Drittsysteme.“

Keine Standardlösungen

Die darauf basierende öffentliche Ausschreibung gewann der Facherrichter Schröter Sicherheitstechnik und Metallbau aus Greifswald mit einer elektronischen Zutrittslösung auf Basis der XS4 Systemplattform von Salto. Wichtig in der Zusammenarbeit und Umsetzung des umfangreichen Projekts war für Peter Kurz das reibungslos funktionierende System, die Möglichkeit der Echtzeit-Überwachung ausgewählter Bereiche, die Ausfallsicherheit der batteriebetriebenen Türkomponenten und die gute Bedienbarkeit der Gesamtlösung. Darüber hinaus spielte auch der Errichter eine entscheidende Rolle im Projekt, da er vor Ort ansässig ist und damit schnell und flexibel reagieren kann.

„Die Firma Schröter hat sehr viel Integrationsarbeit übernommen, speziell für unsere Sicherheitssteuerung, wodurch wir die dynamische Änderung der Berechtigungen umsetzen können, die für uns eine zentrale Bedeutung besitzt. Der Errichter hat auch darüber hinaus seine Kompetenz für nicht- alltägliche Lösungen bewiesen, die bei diesem Projekt fast öfter vorkamen als die Standardlösungen“, lobt Kurz. Dass die Installation nicht zum Standard gehört, hängt auch mit der Einrichtung selbst zusammen. Im IPP Greifswald werden die Grundlagen für ein Fusionskraftwerk erforscht. Dafür wurde mit Wendelstein 7-X eine Fusionsanlage erbaut, die aus Wasserstoff ein 100 Millionen Grad Celsius heißes Plasma erzeugt, das in einem Magnetfeldkäfig eingeschlossen ist.

Personensicherheit unterstützt

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Da sich hinter den fast zwei Meter dicken Wänden der Experimenthalle während des Betriebs der Anlage keine Personen befinden dürfen, unterliegt dieser Bereich einer besonderen Kontrolle. „Bei der Anwesenheitskontrolle unterstützt die Zutrittslösung organisatorisch. Auf Basis der Daten aus der Managementsoftware wird festgestellt, welche Personen sich im Experimentbereich aufhalten. Außerdem werden die Zutrittsrechte dem Experimentstatus dynamisch angepasst. Sind die Türen während einer Betriebsphase verschlossen, ist ein Zutritt nur noch für besonders berechtigte Mitarbeiter möglich“, erklärt Frank Schröter, Mitinhaber und Geschäftsführer der Schröter Sicherheitstechnik und Metallbau GbR. „In den laut Vorschrift strahlenschutzrelevanten Bereichen haben wir elektronische VdS-Doppelzylinder installiert, damit das IPP nicht nur die Zu- und Aus- tritte nachvollziehen, sondern diese auch einzelnen Personen zuordnen kann.“

Reichlich Speziallösungen

Bei der Netzwerkverkabelung setzt das IPP auf Lichtwellenleiter (LWL), um so wenig wie möglich elektromagnetische Störungen durch Streufelder zu erzeugen. Die gesamte Netzwerkinfrastruktur für die online gesteuerten Zutrittsbereiche musste dafür neu verlegt werden. Ebenso wie die Installation der Türkomponenten erfolgte das während des laufenden Betriebs. „Das bedeutete, die Montage des Fusionsexperiments durfte nicht unterbrochen werden und die Türen mussten begehbar bleiben. Gleichzeitig mussten aber auch die Sicherheitsbestimmungen zur Personenüberwachung eingehalten werden“, erinnert sich Schröter.

„Das erforderte eine detaillierte Abstimmung aller Vorarbeiten und des Ablaufs der Installation. Hier haben wir ‚Hand-in- Hand‘ mit der Elektrofirma und dem IPP zusammengearbeitet.“ Zu den Speziallösungen gehören auch die Ansteuerung des Fluchtwegsystems an etlichen Türen sowohl von der Innen- als auch Außenseite sowie die Integration der Zeiterfassung. Für Letztere wurde auf die bestehenden Zeiterfassungsterminals an der Pforte ein Wandleser von Salto gebaut, der zusammen mit dem zugehörigen Controller nun gleichzeitig die Zeiterfassung triggert, die Zutrittsberechtigung prüft, Statusinformationen von den Karten ausliest und auf die Karten schreibt sowie die Drehsperre ansteuert.

Technologisch basiert die Zutrittslösung auf dem Salto Virtual Network (SVN) mit patentierter Schreib-Lese-Funktionalität und verschlüsselter Datenübertragung. Im SVN werden die Informationen zu den Schließberechtigungen auf dem Identmedium gespeichert, wodurch eine Verkabelung der elektronischen Beschläge und Zylinder entfällt. Gleichzeitig werden auch Informationen über gesperrte Identmedien oder beispielsweise Batteriestände in den Beschlägen und Zylindern auf die Identmedien geschrieben und somit weitergegeben. Die Online-Wandleser übertragen die ausgelesenen Daten an den Server und übermitteln gleichzeitig die aktuellen Schließberechtigungen auf die Identmedien.

Über 600 Zutrittspunkte

Das IPP in Greifswald setzt an über 600 Zutrittspunkten die elektronische Zutrittslösung von Salto ein. Dazu zählen XS4 Original Beschläge, sowohl in der schmalen Version an Außen-, Flur- und Treppenhaustüren sowie in der DIN-Version an Brandschutztüren. Im Bürotrakt sind elektronische XS4 Geo Zylinder installiert: Halb- und Knaufzylinder an den Bürotüren und Doppelzylinder an den Verbindungstüren zwischen den Büros sowie VdS- zertifizierte Zylinder in Sonderbereichen. Zudem sichern elektronische XS4 Geo Vorhangschlösser die „Burgen“ genannten rollenden Betonwände, durch die verschiedene Diagnostiken auf Wendelstein 7-X blicken.

Für die Schranken- und Drehsperrensteuerung an der Zufahrt, an den Drehkreuzen im Eingangsbereich sowie an allen Zugängen zum Experiment- und zum Montagebereich werden XS4 Original Online- Wandleser verwendet, zum Teil mit den Funktionen Anti-Passback und Bereichswechselkontrolle. Als Identifikationstechnologie nutzt das IPP Mifare Desfire EV1 mit 128-Bit-AES-Verschlüsselung. Die Berechtigungsverwaltung erfolgt zentral mit der Managementsoftware Proaccess von Salto. Die Zuordnung zu den einzelnen Zutrittsgruppen übernehmen die jeweiligen Fachabteilungen über die Mandantenfunktion „Department“. „Uns war wichtig, dass die Software die Berechtigungsstrukturen passend abbildet. Auch die unterschiedlichen Rollen für Benutzer sind sehr hilfreich, da sie bei uns sehr intensiv genutzt werden“, sagt Peter Kurz.. Da sich die elektronische Zutrittslösung über das gesamte Gebäude des IPP in Greifswald erstreckt, gibt es kaum mehr Potenzial für Erweiterungen. Gleichwohl sieht Peter Kurz noch Optimierungsmöglichkeiten bei der Verknüpfung unterschiedlicher Anwendungen. So ist beispielsweise die Anbindung an ein zentrales Identity Management angedacht, aus dem künftig die Zutrittskontrolle die grundlegenden Berechtigungsgruppen ableiten kann.

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