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Video-IP-Netzwerke 14. September 2016

Stark & dynamisch

Seit vielen Jahren bestand der Trend, analoge CCTV-Netzwerke in IP-Netzwerke zu wandeln und zu integrieren. Dabei galt IP als das verbindende Element. Innerhalb der IP-Netzwerke zeichnet sich seit geraumer Zeit ein neuer Trend ab.

Aufgrund der PoE-Technik (Powerover-Ethernet) benötigen die Kamerahersteller immer mehr Leistung aus den Switchen. 60 Watt sind heute keine Seltenheit mehr. Hier zeigen sich die begrenzten Möglichkeiten der normalen Switch-Hersteller. Hohe PoE-Leistungen und schnelle CPU-Leitungen lassen sich nur schwer vereinen. Die hohe Leistung erzeugt viel Abwärme, die für die hohe CPU- Performance nicht förderlich ist. Zudem sind die IEEE-Standards für 60 Watt noch nicht vollends verabschiedet. Es zeichnet sich ab, dass Video-IP-Netzwerke ein eigenes unabhängiges Dasein mit eigenen Switchen und Komponenten etablieren.

Von Bären und Tigern

Beides sind Raubtiere und beide lieben sie die Jagd. Bei genauerem Hinsehen zeigen sich jedoch schnell die Unterschiede. Der Bär ist viel weiter verbreitet, von Europa über Asien bis hin nach Amerika. Das sind auch die klassischen IP-Netzwerke. Der Tiger kommt hingegen nur in Asien und Teilen von Russland vor, also in einem sehr dedizierten Umfeld und ist weit agiler als ein Bär. Genauso muss ein Video-IP-Netzwerk zwar bärenstark, aber genauso dynamisch und schnell sein. Denn die Videosequenzen sind im Gegensatz zu klassischen Daten an eine synchrone Abfolge gebunden. Mit andern Worten: Wenn der Videostream beginnt, sollen die anderen Frames möglichst kontinuierlich und stabil folgen, denn sonst nimmt das Auge jede Veränderung sofort wahr.

Megapixel- Kameras sind im Vormarsch, diese benötigen immer mehr Jumbo-Frames, die mit 9.600 Bytes bis zu sechs mal größer als normale Frames mit 1.518 Bytes sind. Die meisten Netzwerk-Switche unterstützen diese Jumbo-Frames aber nur bei einer Ein- Gigabit-Verbindung. Gerade die IP-Videokameras stellen praktisch immer nur eine 100-Megabit-Verbindung her. Dies führt dazu, dass die Switche die Jumbo-Frames verwerfen und am Ende bei der Archivierung keine Daten vorhanden sind. So entstehen sogenannte Green-Frames, also leere Frames. Die Komplexität der Videonetzwerke nimmt rasant zu, somit müssen Kameras und Switche besser aufeinander abgestimmt werden, um Kameras besser überwachen und einbinden zu können.

Videonetzwerke entwerfen

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Von Megapixeln zu 4K zu 8K: Der Weg der Kamera-Hersteller scheint klar zu sein. In Zukunft wird es immer größere Datenraten geben. Ein Wechsel von H.264 zu H.265 bringt hier nur kurzfristig eine Verschnaufpause. Denn H.265 soll die HFR (High Frame Rate) steigern, was wiederum einen enormen Datenanstieg bedeutet. Gerade hier wird die Wahl des Switches eminent wichtig. Zwar mag ein Switch auf den ersten Blick 24 Gigabit haben, aber kann er diese Datenmenge auch verarbeiten? Die Leitungsfähigkeit wird durch die sogenannte Switching Fabrics (SF) bestimmt.

Es ist offensichtlich, dass ein Switch mit 24 Gigabit die doppelte SF also 48 Gbits hat. Vergleichbares Kriterium für die Bewertung eines Switches ist die Forwarding-Rate (FR). Gerade hier scheiden viele Access Switche und Hutschienen Switche aus. Die Geräte sind nicht für Full Wire Speed auf allen Ports gebaut. Denn Switche in der Industriewelt werden meistens nur für kleine Datenmengen benötigt, beispielsweise von SPS-Steuerung zu SPS-Steuerung.

Wird an solche Switche Video angeschlossen, so ist das Gerät überfordert. Eine weitere Betrachtung ist der Flaschenhals Uplink. Bei einem Switch sollte auch dieser für Video ausgelegt sein. Switching-Fabrics (SF) sind schnelle, geschaltete, serielle Punkt-zu-Punkt-Verbindungen (P2P). Der Grundgedanke von Switching-Fabrics ist die Kommunikation zwischen autarken Einheiten, das bedeutet, dass viele Einheiten quasi gleichzeitig miteinander kommunizieren können. Die Forwarding-Rate (FR) ist ein Kriterium zur Charakterisierung von Switchen. Es handelt sich dabei um die Anzahl an Datenpaketen, die ein Switch erfolgreich zum richtigen Ziel-Interface übertragen kann.

Fazit

Was nützt es, hier einen preiswerten 24 Gigaport-Switch zu kaufen, wenn dieser nach Belegung von acht Ports in die Knie geht und ein zweiter oder dritter Switch nötig wird? Aber wieviel Leistung braucht mein Switch? Typischerweise verhalten sich Kameras ganz anders als andere PoE- Verbraucher. Bei Tag-Nacht-Umschaltung werden Stromspitzen erzeugt, wenn sich PTZ-Dome bewegen, entsteht ebenfalls ein kurzzeitiger erhöhter Strombedarf. Dabei dürfen die Switche nicht in die Knie gehen. Typischerweise rechnet man mit 75 Prozent der Switchleistung, welche rein für PoE gebraucht werden können.

Eine weitere Hilfe ist das Power-Delay. Bei einem Stromausfall muss ein voll belegter Switch heute die Fähigkeit haben, Port für Port zeitverzögert aufzuschalten. Sonst würden auf einen Schlag alle Kameras Spitzenleistung beziehen. Ein Beispiel: Alle Domes wollen zum gleichen Zeitpunkt in die 0-Stellung, dies erzeugt enorme Spitzenströme, welche die Stromversorgung immer wieder zusammenbrechen lassen. Gleichzeitig müssen moderne Videoswitche die Fähigkeit haben, die PoE- Verbraucher direkt zu Pingen und bei Bedarf die PoE-Versorgung zu entziehen, um die Kamera neu zu starten.

Dipl. -Ing. FH Rudolf Rohr, Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter der Barox Kommunikation GmbH

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