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„Wir laufen immer nur hinterher“

Das Thema „Brände in Mittel- und Großgaragen“ schien zunächst beim diesjährigen Symposium „Baurecht und Brandschutz“ nicht unbedingt ein „Knüller“ zu werden. Doch was Kreisbrandmeister Bernhard Dittrich vom Landratsamt Esslingen dann vortrug, ließ manchen der Zuhörer dann doch umdenken. Dittrich wusste anhand zum Teil drastischer Beispiele zahlreiche Schwierigkeiten zu zeigen, von denen er hoffte, dass sie als Erkenntnisse in den vorbeugenden Brandschutz einfließen.

Aber nicht nur er, ebenso Rolf-Dieter Erbe von der Feuerwehrschule in Berlin, beklagte sich, dass bei den technischen Entwicklungen im Autobau und im Fortschreiten neuer Technologien die Feuerwehren meist unzureichend informiert werden. „Wir laufen den Entwicklungen immer nur hinterher“, waren sich beide in ergänzenden Gesprächen mit PROTECTOR einig. Zwar gilt der Grundsatz, dass brennbare Stoffe in Mittel- und Großgaragen nicht außerhalb von Kraftfahrzeugen aufbewahrt werden dürfen. Doch nicht nur Dittrich zeigte mit Fotos, dass die Realität oft ganz anders aussieht.

Grund dafür ist, zumindest bisher, dass vom Architekten nachträglich die Garagenflächen geteilt werden können, sodass jeder hier Sachen einlagern kann, die möglicherweise für den Sommer- oder Winterbetrieb des Autos nützlich sind, bei denen es sich aber oft auch um überflüssiges Hausgerät handelt. Dass dieses Verhalten durchaus üblich ist, sieht man an Erfolgsautor Martin Suter, der in seinem Roman „Ein perfekter Freund“ vom Einfahren in eine Tiefgarage erzählt: „Die meisten der etwa zwanzig Plätze waren leer um diese Zeit und gaben den Blick frei auf Winterreifen, Gepäckträger, Schlitten, Teppichrollen, Gestelle, Altpapier und allerlei anderes Gerümpel“. Und: „An der Wand vor der Stoßstange lehnten zwei Fahrräder“.

„Allerlei Gerümpel“

Wenn es aber erst einmal brennt in so einer Groß- oder Mittelgarage, ist nicht nur „allerlei anderes Gerümpel“ das Problem. Häufig werden – aus Kostengründen der Bauherren oder Architekten – Elektro- und/oder Gasleitungen durch Garagen geführt, hinzu kommt bei Hitzeentwicklung, dass Kunststoffe von den Decken und Wänden abtropfen. In Brand geratene Fahrzeuge können sich sogar selbst in Bewegung setzen – die Feuerwehr in Stuttgart kennt Fälle, dass solche Autos bis zu acht Meter zurückgelegt und in einem Fall sogar ein Kipptor aufgestoßen wurde. Wenn so ein außer Kontrolle geratenes Vehikel dann womöglich noch auf eine Rampe fährt, werden die Löscharbeiten stark behindert. Elektrische Kurzschlüsse können den Startvorgang einleiten und das Fahrzeug – wenn lediglich der erste Gang eingelegt wurde – in Bewegung setzen.

Groß- oder Mittelgaragen werden bei solchen Überlegungen nicht nach Anzahl der Parkplätze definiert, sondern über die Gesamtfläche – einschließlich der Verkehrsflächen. So gelten Mittelgaragen von 100 bis 1.000 Quadratmeter, Großgaragen über 1.000 Quadratmeter. Bei einem Brandereignis 2009 in Stuttgart, so zeigte Dittrich in seinem Referat, waren 12.000 Stellplätze auf rund 6.000 Quadratmetern Verkehrs- und Parkfläche in zwei Etagen mit je zwei Brandabschnitten betroffen – aber keine Brandmeldeanlage und keine Sprinkler. Vier PKW sind damals komplett ausgebrannt, 56 Fahrzeuge beschädigt worden. Der Gesamtschaden belief sich auf rund 1,2 Millionen Euro.

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Leichtmetall als Problem

Mehr noch zum Problem für die Feuerwehren werden die immer stärker eingesetzten Leichtmetallmotoren und die neuen Antriebe. Herkömmlich geht die Feuerwehr mit Wasser und Wasserschaum gegen Brände in Garagen vor. Immer neue Materialien werden aber zum Problem für die Auswahl der Löschmittel (und damit auch für die Kosten von Löscheinsätzen). Denn statt mit Wasser und mit Wasserschaum müssten verstärkt Metallbrand-Löschmittel eingesetzt werden.

Herkömmliche Feuerwehrfahrzeuge verfügen aber „im besten Fall“ über 50 Kilogramm solcher Metallbrand-Löschpulver. Müssten also Großgaragen in Zukunft für alle Fälle große Mengen Metallbrand-Löschpulver für die Feuerwehreinsätze vorhalten? Gasbetriebene Fahrzeuge, denen noch bis vor einigen Jahren die Einfahrt in Parkhäuser verwehrt war, dürfen sie inzwischen nutzen, da auch Feuerwehr-Experten festgestellt hatten, dass von ihnen keine zusätzlichen Gefahren ausgehen. Gas wird im Gefahrenfall automatisch abgeblasen.

Akkus und Brennstoffzellen

Gasleitungen aber bleiben problematisch, denn oft sind sie nicht einmal außerhalb der Garagen „abschiebbar“ und auch dann fehlen gelegentlich die wichtigen Hinweise auf den Standort von solchen Schiebern. Sarkastisch meint Kreisbrandmeister Dittrich im Gespräch mit PROTECTOR, jeder Autofahrer „wird mit Neufahrzeugen zum Testfahrer“. Denn immer öfter werden Materialien von billigen Zulieferern verbaut, deren Reaktion oft erst bei Unfällen erkennbar werden („deshalb doch auch die vielen Rückrufe“).

Die Entwicklung neuer Antriebsarten mit hochaktiven Akkumulatoren und von Brennstoffzellen stellt die Brandbekämpfung vor neue Herausforderungen. „Hohe Spannungen von manchmal über 1.000 Volt sind für die Feuerwehr nicht erwartbar“, sind sich die Kommandanten einig. Denn auch in Mittel- und Großgaragen kann es zu Unfällen kommen, in die solche modernen Fahrzeuge verwickelt sind und bei denen Löschangriffe komplizierter werden. Hinzu kommt ein reines Materialproblem: Die Autohersteller verstärken oftmals Verstrebungen und andere Konstruktionsteile, die mit herkömmlichen Feuerwehr-Scheren nicht mehr „einfach so“ aufgeschnitten werden können.

Rettungkarten für Autos

Der ADAC hat daher für zahlreiche Autotypen „Rettungskarten“ entwickelt. Sie sollen auf einen Blick erkennen lassen, wo Rettungseinsätze angesetzt werden können. Ein Klebehinweis auf der Seitenscheibe, dass so eine Rettungskarte vorhanden ist, hilft beim schnellen Einsatz, die Karte selbst sollte an der Fahrersichtblende so angebracht sein, dass ein blitzartiger Zugriff möglich ist. „Ich habe so eine Rettungskarte“, sagt denn auch Kreisbrandmeister Dittrich.

„Sie kann in vielen Fällen hilfreich sein“. Er könnte sich aber auch vorstellen, dass zusätzliche technische Hinweise auf Trennschalter und Besonderheiten beim Antrieb nützlich sein könnten. Dittrich ruft in diesem Zusammenhang die Automobilhersteller auf, alle Neufahrzeuge mit solchen Rettungskarten auszustatten. „Das sind Kosten im Cent-Bereich“. Für die Garagen müssten derartige Hinweise ebenfalls einheitlich aufgezeichnet und so hinterlegt werden, dass sie bei jedem Feuerwehr-Alarm den Wehren sofort zugänglich sind.

Die Arbeit der Feuerwehren wird mit jeder technischen Neuerung komplizierter. Wenn sich noch Menschen in einem Kraftfahrzeug befinden, muss immer erst mit Wasserschaum vorgegangen werden. Aber das Vorhalten von Metallbrand-Löschpulver wird immer wichtiger. Eine Entscheidung darüber, wer dafür die Kosten übernimmt, steht jedoch noch aus. Für die Fachleute von Bureau Veritas sicherlich ein Anlass, sich diesem Thema auf einem der nächsten Symposien „Baurecht und Brandschutz“ zu widmen.

Georg Ubenauf

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