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Low-Light-Performance 7. November 2012

Details sind entscheidend

Ob verdient oder nicht, IP-Kameras haben einen schlechten Ruf in Bezug auf die Performance bei wenig Licht. Da wenig Licht fast immer eine Rolle spielt, hat diese Annahme einige Anwender bisher von der neuen Technologie fern gehalten, statt die vielen strategisch weitreichenden Aspekte zu nutzen.

IP-Kameras sind mittlerweile eine sinnvolle Alternative für Anwendungen mit wenig Licht.
IP-Kameras sind mittlerweile eine sinnvolle Alternative für Anwendungen mit wenig Licht.

Die Herausforderung entsteht weniger durch das IP-Netzwerk als Transportmittel sondern vielmehr durch die CMOS-Sensoren, welche in vielen IP-Kameras eingesetzt werden. In der Historie konnten diese Sensoren hohe Megapixel-Auflösungen liefern, waren CCD-Sensoren, welche vornehmlich in analogen Kameras genutzt werden, aber bei wenig Licht unterlegen. Die IP-Bilder waren dadurch grobkörnig und verrauscht. Und obwohl die nutzbare Bildinformation gering war, stieg der Bedarf an Speicherplatz und Netzwerkbandbreite, da die Codecs das Bildrauschen als Bildveränderung behandeln.

In den letzten zwölf Monaten haben viele Kamerahersteller dieses Problem gezielt adressiert, wodurch sich IP-Kameras mittlerweile zu einer sinnvollen Alternative für Szenen mit wenig Licht entwickelt haben. Die Kamerahersteller holen jetzt mehr aus den Sensoren heraus, weil neue Encoder und stärkere Prozessoren, meist aus der Automationsbranche, viele dieser Aufgaben besser lösen. Dazu hilft die H.264 High Profile Codierung in Bezug auf Bandbreite. Außerdem sorgt eine erhöhte Empfindlichkeit der Sensoren für bessere Bilder. Anwender, die einen Nutzen aus diesen Möglichkeiten ziehen wollen, sollten auf die folgenden Features bei Low-Light-Kameras achten:

„True Day-Night“

Die echte Tag/Nacht-Tauglichkeit wird durch einen beweglichen IR-Cut-Filter (IRCF) erreicht. Viele Kameras nutzen Sensoren mit einem Aufnahmespektrum von Licht, das für das menschliche Auge sichtbar ist (380 bis 740 Nanometer), aber auch bis in den Infrarotlicht-Bereich hinein (750 bis 1.100 Nanometer).

Damit die Kamera natürliche Farben reproduzieren kann, muss das Infrarotlicht tagsüber blockiert oder gefiltert werden. Kameras nutzen dazu einen Filter, der wie eine Sonnenbrille vor dem Sensor sitzt. Echte Tag/Nacht-Kameras können die „Sonnenbrille“ absetzen, sprich den Filter ausschwenken, sobald eine bestimmte Lichtmenge unterschritten wird. Weil jetzt mehr sichtbares Licht und zusätzlich das Infrarotlicht den Sensor erreicht, wird die Low-Light-Performance deutlich verbessert.

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Durch den zusätzlichen Infrarotanteil verändern sich die Farben in diesem Modus. In den meisten Anwendungen wird die Farbe daher komplett entfernt und auf Schwarz-Weiß umgeschaltet. Auch das Farbrauschen wird so eliminiert. Das Bild wird besser, Rauschen und Körnung, welche der Encoder als Bewegung behandelt, reduzieren sich. Sobald der Encoder viel Bewegung oder eben Rauschen verarbeiten muss, erreicht der Bandbreitenbedarf seine Spitzenwerte. Reduziert man also insbesondere das Rauschen, erhält man nicht nur ein besseres Bild, sondern vermindert gleichzeitig den Bandbreitenbedarf.

„Soft“ reicht nicht

Echte Tag/Nacht-Kameras unterscheiden sich darin, wie Hersteller den IRCF entfernen. In guten Kameras wird der IRCF durch eine Glasscheibe ersetzt, welche hilft, die spektrale Verschiebung zwischen sichtbarem und IR-Licht auszugleichen. Das Bild bleibt besser fokussiert und damit scharf.

Es gibt einfache Kameras mit einer „Quasi-“ oder „Soft-“Tag/Nacht-Funktion. Hierbei erfolgt eine Umschaltung auf Schwarz-Weiß, aber der IRCF bleibt aktiv. Die Folge: Weniger sichtbares Licht und kein IR-Licht erreicht den Sensor. Die Bildverbesserung, wie bei echten Tag/Nacht-Kameras bleibt folglich aus. Die Marketingbotschaften sind teilweise verwirrend, daher ist es wichtig zu hinterfragen, wie die Tag/Nacht-Funktion in einer Kamera implementiert ist. Beim Einsatz von echten Tag/Nacht-Kameras sollten ausschließlich IR-korrigierte Objektive verwendet werden. Der Brennpunkt verschiebt sich aufgrund der unterschiedlichen Wellenlänge von sichtbarem und IR-Licht. Somit wird das Bild unscharf. Das IR-korrigierte Objektiv kompensiert dieses und das Bild bleibt scharf.

Digitale lange Verschlusszeiten

„Digital Slow Shutter“ (DSS) ist eine Funktion, die den elektronischen Kameraverschluss verlangsamt, damit mehr Licht auf den Sensor fällt. Die erreichte Bildaufhellung hat allerdings einige Nebenwirkungen, wie Bildrauschen und die Verschleierung bewegter Objekte.

Bei Kameras mit dieser Funktion ist es wichtig, auf die Details der Umsetzung zu achten. Die DSS arbeiten nämlich unterschiedlich. Neben Rauschen und Schlieren reagieren die Kameras unterschiedlich auf schnelle und große Lichtänderungen. Entscheidend ist die Dauer, bis das Bild wieder brauchbar ist. Bei einer schlechten Umsetzung können fünf bis zehn Sekunden vergehen, bis die Belichtung wieder stimmt und ein brauchbares Bild geliefert wird.

Der Einsatz langer Verschlusszeiten ist oft kritisch. Für Szenen mit Bewegungen eignen sich Verschlusszeiten >1/4 Sekunde nicht mehr, weil nur noch ein Schleier durch das Bild rauscht. Bei einer Verschlusszeit von 1/2 Sekunde können Personen durch das Bild laufen, ohne überhaupt eine Spur zu hinterlassen.

Digitale Rauschunterdrückung

„Digital Noise Reduction“ (DNR) ist eine Funktion, die Low-Light-Bilder verbessern kann, indem Helligkeits- und Farbrauschen entfernt oder markiert wird. Die Lichtempfindlichkeit wird nicht gesteigert, aber die Objekte können besser erkannt werden. Dabei werden die Rechenlast für den Encoder, Bandbreiten- und Speicherbedarf reduziert. Auch hier können Nebenwirkungen bei bewegten Objekten auftreten. Das Bild kann schmieren, weichzeichnen oder ruckeln. Genau wie beim DSS sind die Umsetzungen unterschiedlich, sodass ein Vergleich der Kameras hilft, die Vor- und Nachteile einzelner Modelle abzuwägen. Bei ausreichender Beleuchtung sollte DNR keinen Einfluss auf die Bildqualität haben, bei einfachen Kameras ist dieses aber zu beobachten.

Gefärbte Kuppeln

Dieses offensichtliche Thema wird in Projektspezifikationen gern übersehen. Mini-Dome-Kameras mit schützenden Kuppeln werden immer beliebter. Dort wo mit schlechten Lichtverhältnissen zu rechnen ist, haben gefärbte Kuppeln nichts zu suchen. Abhängig vom Material ist die Lichtdurchlässigkeit um ein bis zwei F-Stopps reduziert. Und jeder F-Stopp halbiert die Lichtmenge. Das bedeutet, den Sensor erreicht 50 (ein F-Stopp) oder 75 Prozent (zwei F-Stopps) weniger Licht - nur wegen einer getönten Kuppel.

High Profile H.264 Kompression

Es gibt unterschiedliche H.264-Profile und der Anwender sollte fragen, welches zur Verfügung steht. „High Profile“ bedeutet mehr Prozessorlast und ist anspruchsvoller für den Hersteller. Aber das Ergebnis rechtfertigt den Aufwand. Ein Käufer sollte auf „Base Profile“ H.264-Implementierungen achten. Im Multimedia-Bereich wird das „High Profile“ für Blu-Ray verwendet, hingegen sind Telekonferenzsysteme eine typische „Base Profile“-Anwendung.

Die Erwartungen an die Bildqualität beider Anwendungen sind selbstredend. Es ist empfehlenswert, die für ein Projekt in Frage kommenden Kameras einem Vergleichstest zu unterziehen. Schlussendlich garantiert nur dieser Weg die beste Auswahl für die jeweilige Anwendung.

Steve Carney, Director of Product Management American Dynamics, Tyco Security Products

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