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Zutrittskontrolle als App?

In regelmäßigen Abständen schicken sich neue Technologien an, den Zutrittsmarkt zu verändern – in der Vergangenheit Biometrie, Bluetooth oder PDAs. Der große Boom aber blieb aus. Bei der handybasierten NFC-Technik soll das anders werden. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht – zumindest in einigen Anwendungen.

Im Forum wurden die Perspektiven für den Einsatz von NFC in Sicherheitsanwendungen diskutiert.
Im Forum wurden die Perspektiven für den Einsatz von NFC in Sicherheitsanwendungen diskutiert.

Die Verbreitung von Smartphones nimmt unaufhörlich zu und mit ihnen steigt die Breite des Anwendungsfeldes im Alltag. Längst kommt kaum ein modernes Unternehmen ohne eigene Apps aus, die noch mehr Funktionalität oder Komfort versprechen. Auch für die Sicherheitstechnik werden Smartphones immer attraktiver. Nicht zuletzt weil, „das Smartphone längst kein Telefon mehr ist, sondern eine Mensch-Maschine-Schnittstelle im Hosentaschenformat“, wie Martin Fiur von Legic es während der Diskussion sehr treffend beschrieb. Ein Baustein für die sichere und flexible Anwendung von Handys im Zutrittskontrollumfeld ist die Technik der Near Field Communication, kurz NFC. Sie könnte künftig Karten und andere Ausweismedien ersetzen und ungeahnt flexible Zutrittssysteme ermöglichen.

Gespannte Hoffnung

Der plötzliche Hype um NFC mag für einige etwas befremdlich wirken, denn „die Technik liegt bereits seit etwa zehn Jahren in den Wehen“, wie Michael Unger von Evva schon zu Beginn der Diskussion anmerkte. Jedoch scheint erst jetzt der Punkt erreicht, an dem die Technik den Durchbruch schaffen kann. „In der Vergangenheit gab es kaum NFC-fähige Handys. Aktuell sind aber über 35 Handymodelle in der Entwicklung, die schon bald auf den Markt kommen werden und NFC in der Masse verfügbar machen werden. Das ist eine spannende Entwicklung“, ergänzt Unger.

Die Begeisterung für die Technik teilt auch Ludger Voß von Simonsvoss: „Das Interessante ist, dass wir damit die Vernetzung zwischen einer zentralen Administrationssoftware und der Zutrittskontrolle quasi geschenkt bekommen. Man muss die Netzwerkinfrastruktur nicht mehr selber errichten, sondern nutzt die existierenden Mobilfunknetze. Das NFC-Handy emuliert eine Karte und verhält sich aus Sicht der Schließung exakt wie ein Ausweismedium. Und man muss weder zur Tür laufen, um eine Berechtigung zu ändern, noch braucht man eine teure Online-Vernetzung.“

„Ich sehe durchaus eine Gefahr: Nämlich, wenn es um die Kartenemulation geht. NFC kann bei einer Emulation nicht sicherer sein als die ursprüngliche Kartentechnik. Und wenn diese beispielsweise gehackt ist, kann NFC keine zusätzliche Sicherheit bieten, selbst wenn man einen Schlüssel sicher über das Mobilfunknetz transportiert hat. Durch so etwas könnte NFC ziemlich schnell in Verruf geraten, wenn die Anwender möglicherweise das Vertrauen verlieren.“
Martin Fiur, Business Development Manager, Legic Identsystems AG

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„Viele Dinge sind noch etwas diffus, wenn man von NFC spricht. Sprechen wir hier nur vom Handy oder auch von anderen Medien? Geht es darüber hinaus darum, Informationen über ein Handy auf eine Karte zu schreiben oder soll das Handy eine Karte einfach emulieren? Zu guter Letzt kann man sich auch eine Art Reader-to-Reader-Kommunikation darunter vorstellen.“
Hartmut Beckmann, Leiter Vertrieb Süd, Uhlmann & Zacher GmbH

„Eine der Chancen von NFC ist es, die dezentrale Organisation wesentlich komfortabler zu gestalten. Wenn man zum Beispiel an Pflegedienste für hilfebedürftige Menschen oder an Service-Techniker denkt. Diese Mitarbeiter bekommen auf Zuruf einen Auftrag und können nicht mit einem riesigen Schlüsselbund unterwegs sein. Hier kann man Berechtigungen über NFC vergeben – auch für einen relativ kurzen Zeitraum oder nur für den einmaligen Zutritt.“
Olaf Ruff, Verkaufsleiter Pegasys OEM, Normbau Beschläge und Ausstattungs GmbH

Mit Augenmaß

Was die technischen Vorteile angeht, besteht durchaus Grund zur Freude, jedoch bleibt eine Prognose schwierig, wie sich der Markt und die Akzeptanz der Anwender entwickeln werden. Auch Mark Meyer vom Dom gibt zu Bedenken: „Wir sind uns weitgehend einig, dass NFC ein interessanteres Thema ist. Aber man muss dennoch abwarten, wie sich diese Technik in der Praxis entwickelt und durchsetzt. So wurde zum Beispiel vor einigen Jahren die PDA-Technik sehr schnell von vielen Herstellern aus dem Bereich der Schließtechnik und Zutrittskontrolle adaptiert und für die flexible und mobile Programmierung von Offline-Geräten in der Zutrittskontrolle beworben. Innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums ist diese Technik jedoch wieder vom Markt verschwunden aufgrund des schnell wachsenden Erfolges der MDA Handys. Man sollte aufgrund dieser Erfahrungen daher auch hier die Entwicklung der relativ jungen NFC-Technik mit Augenmaß betrachten.“

Was die Zukunftsfähigkeit angeht, sieht Christian Schmitz von Burg-Wächter in einigen Bereichen gute Chancen: „Wir betrachten NFC als ein Medium, das für die Zutrittssteuerung in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Es ist quasi die Weiterentwicklung des Passiv-Transponders mit dem Vorzug der schnellen Rechtevergabe auch an fremde mobile Endgeräte. Für uns ist allerdings Biometrie das bedeutsamere Thema, gerade für private Endkunden. Auch im Objektmarkt ist Biometrie sehr attraktiv und NFC überlegen, weil man dieses Medium nicht weitergeben kann und es daher die höchsten Sicherheitsmaßstäbe erfüllt.“

Martin Fiur sieht bei NFC bereits jetzt erste Anzeichen für eine breitere und langfristigere Etablierung im Markt: „Was wir in den letzten zwölf Monaten an Anfragen erlebt haben, ist sehr interessant. Viele große Anwender sind auf dem Weg, solche Systeme zu realisieren. Interessant an NFC ist, dass es zum ersten Mal eine mobile Plattform bietet, die unsere Technologien und die anderer Anbieter vereinen kann, das ist ein Vorteil. Wichtig ist aber, dass man sich nicht zu viel versprechen darf. Allein durch das Telefon ist noch nicht alles geregelt.“

Henne-Ei-Dilemma

Alles geregelt ist bei weitem nicht, dafür gibt es momentan noch zu viele Unbekannte in der NFC-Gleichung. Konkret hängt der Erfolg von mehreren ausschlaggebenden Faktoren ab: den Geräteherstellern, den verfügbaren Services, den Mobilfunkprovidern und nicht zuletzt auch den Nutzern. Fabian Kuhn von Giesecke & Devrient bezeichnet die Situation in der Vergangenheit gar als „Henne-Ei-Dilemma“ und meint damit die ungeklärte Frage, wer damit beginnt, NFC massenhaft zu verbreiten: „Es ist die klassische Frage, was ist zuerst da, die Henne oder das Ei? Welche Hersteller bringen NFC-Geräte in Masse heraus? Wer programmiert die Applikationen? Wer ist bereit, dafür zu bezahlen? Denn es ist klar: Niemand setzt auf eine Technik, für die es keine Anwendungen gibt und niemand kann Anwendungen nutzen, für die es keine Hardware gibt. Das ändert sich nun glücklicherweise.“

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